Während im brasilianischen Amazonasgebiet der Rio Negro Höchststände aufwies und die Region mit Hochwasser konfrontiert war, fehlt im Zentrum und Süden des Landes das Wasser. Das hängt mit den Auswirkungen des Klimawandels zusammen, analysierte das Instituto Socioambiental. Das Bergbau- und Energieministerium spricht von der schlimmsten Dürre seit 91 Jahren.
Die Folgen sind fatal. Besonders betroffen sind die landwirtschaftlichen Zentren in den Bundesstaaten Sao Paulo und Mato Grosso do Sul. Hier brachte die Regenzeit von November bis März die geringsten Niederschlagsmengen seit 20 Jahren.
Nächte ohne Wasser
Die Landwirtschaft macht in Brasilien 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Der brasilianische Ökologe der Universität von Brasilia, Jose Francisco Golcalves, sagte gegenüber der „Financial Times“ („FT“), dass die Dürre „die Inflation und die Rohstoffe auf globaler Ebene anheizen und das brasilianische BIP senken wird“. Das habe direkte Auswirkungen.
Aber auch Städte wie Sao Paulo sind von der Wasserknappheit betroffen. Das Cantareira-Stauseesystem etwa versorgt hier mehr als sieben Millionen Menschen. Dessen Wasserstand beträgt heuer nur noch ein Zehntel seiner Kapazität. Einige Bewohner und Bewohnerinnen haben nicht mehr nur nachts kein Wasser, immer wieder wird es auch tagsüber abgeschaltet.
Strom teurer und knapp
Da Wasserkraft etwa 65 Prozent des brasilianischen Stroms ausmacht, wirkt sich die Dürre auch auf die Stromproduktion aus. Durch den notwendigen Umstieg auf Alternativen steigen die Strompreise. Mit der Aktivierung von thermoelektrischen Anlagen erhöhen sich die Treibhausgasemissionen, sagte Marcelo Laterman von Greenpeace gegenüber der „FT“. Schon jetzt gab die brasilianische Regierung Warnungen vor möglichen Stromausfällen heraus. Das Energieministerium diskutiere mit Großverbrauchern und Industrie über Energierationierung für die Zeiten von größerem Energiebedarf.
Baldige Besserung der Situation ist nicht zu erwarten. Schon Anfang Juni erklärte die nationale Wasserbehörde (ANA)die Situation in rund einem halben Dutzend brasilianischer Bundesstaaten entlang des Parana-Flusses bis Ende November für kritisch.
Zusammenhang mit Abholzung möglich
Die Dürre stehe „in direktem Zusammenhang“ mit der Abholzung im Amazonasgebiet, ist Laterman überzeugt. Das Wasserrecyclingsystem des Regenwaldes spiele eine wichtige Rolle bei der Verteilung der Regenfälle in ganz Südamerika. Daten des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE), das Satellitenbilder auswertet, zeigen zwar, dass es Anfang des Jahres einen Rückgang bei der Abholzung gab. Der Trend der Jahre davor wies aber in eine andere Richtung.
Laut WWF nahm die Abholzung des Amazonas während der Pandemie dramatisch zu. So zeigen die Daten der Langzeitauswertung von INPE zwischen August 2019 und Juli 2020 einen Anstieg der Abholzung um 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Abholzung stieg auf 11.088 Quadratkilometer. Das entspricht 1,58 Millionen Fußballfeldern und ist der höchste Wert seit 2008. Ein großer Teil dieser Fläche wird für den Anbau von Soja verwendet, das neben Asien auch in die EU importiert wird.
Unmut über Bolsonaro
Der Unmut gegenüber der Politik von Präsident Jair Bolsonaro steigt. Bei den Protesten mit Zehntausenden Teilnehmern und Teilnehmerinnen am Samstag in rund 20 Städten in Brasilien wurde nicht nur dessen Umgang mit der Pandemie angesichts von über 500.000 CoV-Toten kritisiert. Zu sehen waren auch Transparente mit „Regierung des Hungers und der Arbeitslosigkeit“.
Laut Angaben des brasilianischen Forschungsnetzwerks für Lebensmittel- und Ernährungssouveränität hat weniger als die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung Zugang zu angemessener Nahrung. Neun Prozent der Brasilianer und Brasilianerinnen, etwa 19 Millionen Menschen, leiden an Hunger.