Ausweichsquartier des Parlaments
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Nationalrat

Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen

Der Nationalrat hat das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das die Rahmenbedingungen für den Ökostromausbau in den nächsten zehn Jahren festlegt, am Mittwoch beschlossen. Die notwendige Zweidrittelmehrheit holten sich ÖVP und Grüne über die SPÖ, die bis zuletzt über Änderungen im ursprünglichen Gesetz verhandelte.

Damit wird ein wichtiges Vorhaben vor allem des grünen Koalitionspartners, mit dem der Ausbau von Ökostrom vorangetrieben werden soll, Realität. Mit einem Abänderungsantrag wurde das Gesetz auf den letzten Metern noch geändert. So soll es nicht nur eine Befreiung von allen Ökostromabgaben für einkommensschwache Haushalte geben, die von der GIS befreit sind, es sollen auch für andere Haushalte mit niedrigem Einkommen die Abgaben mit 75 Euro pro Jahr gedeckelt werden. Insgesamt sollen rund 550.000 Haushalte gar keine oder geringere Ökostromabgaben zahlen.

Bis auf die FPÖ, die sich nicht nur gegen das Gesetz aussprach, sondern auch gegen die Tagesordnung der Sitzung und sich deshalb nur knapp in der Debatte zu Wort meldete, stimmten alle Parteien dem EAG zu. Am 14. Juli wird es im Bundesrat behandelt und kann auch dort beschlossen werden. Parallel zum Beschluss läuft der Notifizierungsprozess mit der EU-Kommission für alle Teile, bei denen das notwendig ist, zum Beispiel Förderungen über Marktprämien.

Strombedarf bis 2030 nur aus Erneuerbaren

Ziel ist es, dass Österreichs Strombedarf bis zum Jahr 2030 rein rechnerisch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann. Um das Ziel zu erreichen, werden 27 Terawattstunden an zusätzlicher Stromerzeugungskapazität notwendig sein. Der Ausbau gliedert sich in elf TWh Fotovoltaik, zehn TWh Windkraft, fünf TWh Wasserkraft und ein TWh Biomasse. Das, so das Ministerium, entspreche einer Steigerung um 50 Prozent zur bestehenden Ökostromproduktion (55,6 TWh).

Klimaschutz- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne)

Neben einem an den verschiedenen Energieträgern ausgerichteten Marktprämienmodell kommen auch Investitionszuschüsse, etwa für die Umrüstung von Anlagen und die Erweiterung von Stromspeichern. Auch erneuerbares Gas und Wasserstoff werden in das Förderregime aufgenommen. Bestimmte Projekte wie Wasserkraftwerke an wertvollen Gewässerstrecken mit sehr gutem ökologischen Zustand sind von Förderungen ausgeschlossen. Geschaffen werden mit der Sammelnovelle darüber hinaus gesetzliche Grundlagen für private – nicht vorrangig gewinnorientierte – Energiegemeinschaften.

Grafik zeigt Daten zum Ausbau bei erneuerbarer Energie
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BMVIT

Weiters zum Paket gehört etwa ein vereinfachter Netzzugang für Ökostromanlagen. Mit 100 Millionen Euro soll der Rückstau beim Ausbau der Fernwärme in Österreich abgearbeitet werden. Das betrifft insgesamt 173 Projekte, die seit 2011 auf eine Umsetzung warten. Zusätzlich sollen bis 2024 jährlich 15 Mio. Euro in den Ausbau der Fernwärme fließen. Der Ausbau von Wasserstoff und grünem Gas soll mit jährlich 80 Mio. Euro gefördert werden.

„Energiewende startet“

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sprach höchst erfreut von einem „großen Tag für den Klimaschutz“ und knipste bei der Abstimmung strahlend ein Selfie mit den Abgeordneten im Hintergrund. „Die Energiewende in Österreich startet, das EAG ist fertig“, sagte sie im Zuge der Debatte im Nationalrat. Der ÖVP-Staatssekretär im Umweltministerium, Magnus Brunner, sagte, mit dem Gesetz werde „ein großes Stück österreichische Energiegeschichte geschrieben“. Das EAG sei „das größte Energiepaket seit Jahrzehnten, vielleicht sogar aller Zeiten“.

SPÖ-Mandatar Schroll zum EAG-Paket

In der Debatte zeigten sich die Redner der Koalitionsfraktionen, aber auch der SPÖ geradezu euphorisch. „Wir beschließen heute ein sauberes Betriebssystem für unser Land“, sagte etwa Lukas Hammer (Grüne): „Wir leiten die größte Revolution seit der Industriellen Revolution ein.“ Tanja Graf (ÖVP) nannte das EAG „drei Buchstaben, die Geschichte schreiben“, und sah einen Beitrag geleistet, „dass es unserem Planeten besser gehen wird“.

Auch Alois Schroll (SPÖ) vernahm die „größte Klima- und Energiewende Österreichs“ eingeläutet. Man habe es in den bis zuletzt laufenden parlamentarischen Verhandlungen geschafft, die soziale Ausgewogenheit wiederzufinden. Das Sprichwort „Erst am Schluss wird das Gansl knusprig“ habe sich bewahrheitet. Als „zähe Geburt“, die endlich vonstattenging, bezeichnete NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker die Einigung auf das EAG im Nationalrat.

FPÖ spricht von „Klimawandelindustrie“

Ablehnung kam lediglich von der FPÖ. Deren Abgeordneter Axel Kassegger warnte vor Aktivistin Greta Thunberg und der „Klimawandelindustrie“, die Reform sei von „Angstmacherei“ getrieben. Die Frage sei auch, wer für die Kosten aufkomme. Seine Antwort: „Die Hackler werden es bezahlen am Ende des Tages, dass der Herr Innenstadt-Bonvivant mit seinem Tesla auf den Golfplatz fahren kann.“

FPÖ-Mandatar Kassegger zum EAG-Paket

Ministerin Gewessler sah das naturgemäß nicht so. „Wir werden europäisch zum Vorreiter mit 100 Prozent erneuerbarem Strom in Österreich“, sagte sie: „Damit legen wir den Grundstein zur Klimaneutralität“, aber auch die „Grundlage für ein gutes Leben im 21. Jahrhundert“. Mehr als 30 Mrd. Euro an Investitionen würden durch das EAG ausgelöst, und die Transformation erfolge gerecht und sozial treffsicher. Es sei auch ein Gesetz für sichere Arbeitsplätze und eine stabile Wirtschaft, unterstrich Gewessler.

Viel Lob und einige Appelle

Die Energieregulierungsbehörde E-Control sieht im (EAG) „eine entscheidende Weichenstellung für die Energieversorgung der Zukunft“. Wichtige Bausteine des Gesetzes sind aus Sicht der E-Control die Einführung von Markt- und Wettbewerbselementen in die Vergabe von Förderung und Vermarktung von Ökostrom. Auch der Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) begrüßt das Gesetzespaket. Allerdings erfordere die geplante Verdoppelung der erneuerbaren Kraftwerksleistung einen Umbau des Stromsystems, so APG-Technik-Vorstand Gerhard Christiner.

Aus der Sicht der Erneuerbaren-Erzeuger ist das EAG gut, aber nicht genug. „Wichtig ist nun, dass über Verordnungen rasch weitere Details festgelegt werden“, appelliert Vorstandsvorsitzender Herbert Paierl. „Mit den Verbesserungen, die durch die Verhandlungen im Parlament eingefügt wurden, kann die Biogasbranche ihre Stärken in regionaler und steuerbarer Produktion von Strom, Wärme und Gas als Teil der Dekarbonisierung des Energiesektors bis 2040 leisten“, zeigt sich Norbert Hummel, Obmann Biogas des Kompost & Biogas Verbandes (KBVÖ), erfreut.

Umweltdachverband vermisst Naturschutzkriterien

Die IG Holzkraft als Interessenvertretung der Betreiber von Holzkraftwerken sieht im EAG einen ersten wichtigen Schritt in Richtung Rechtssicherheit und Energiewende. Die Land&Forst Betriebe Österreich bewerten das EAG als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, sehen aber gleichzeitig das Potenzial der Biomasse noch längst nicht ausgeschöpft. Auch Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger beklagte, dass das volle Potenzial der Branche mit dem EAG noch nicht ausgeschöpft werden könne.

Nach Ansicht von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) wird vor allem die Biomasse neben der Sonnen-, Wind- und Wasserenergie beim Ausbau von erneuerbaren Energien eine wesentliche Rolle spielen. Bauernbund-Präsident Georg Strasser sprach von einem wichtigen Teilerfolg für die gesamte Biomasse- und Biogasbranche. Die Kleinwasserkraft Österreich begrüßt, dass es im Bereich der Revitalisierung von Kleinwasserkraftwerken deutliche Verbesserungen zum Status quo gebe und auch Investitionszuschüsse für Anlagen prinzipiell weiterhin erhalten blieben.

Der Umweltdachverband begrüßt das Gesetz als wichtigen Schritt, bemängelt aber gleichzeitig die fehlende Verankerung wirksamer Naturschutzkriterien. Für Franz Reischl, Präsident des Österreichischen Genossenschaftsverbandes, ist der Regierung und dem Parlament mit dem EAG „ein großer Wurf gelungen, denn nun wird endlich der Weg für die Gründung von Energiegenossenschaften frei, und Österreich kommt bei der Erreichung der Pariser Klimaziele einen großen Schritt weiter“.