Laut „Financial Times“ macht es die neue Strategie „wahrscheinlicher, dass sie (die EZB, Anm.) Zinsraten länger niedrig hält, was wiederum wohl den Euro gegenüber dem Dollar schwächen und Erträge von Staatsanleihen in der Euro-Zone niedrig halten wird“.
Für alle, die einen Kredit haben oder aufnehmen, ist das eine gute Nachricht. Für jene, die Geld angespart haben, freilich nicht. Zumindest klassisches Sparen und Veranlagen – Sparbuch oder Staatsanleihen – bleiben damit unattraktiv. Für die Staaten der Euro-Zone bleibt die Refinanzierung über Staatsanleihen dafür günstig – ein wichtiger Punkt angesichts der hohen Staatshilfen, die während der Pandemie bisher bereits flossen.

„Ziemlich genau“ nicht Fed-Strategie
Die EZB verfolgt mit ihrer Strategieanpassung jedenfalls eine andere Politik als die US-Nationalbank Fed. EZB-Chefin Christine Lagarde betonte selbst am Donnerstag, dass die neue Linie der EZB „ziemlich genau“ nicht jener der Fed entspreche. Die Frankfurter Währungshüter würden „sehr starke oder dauerhafte währungspolitische Maßnahmen“ ergreifen, wenn sich die Zinssätze am unteren Limit befänden und die Inflation unter ihrem Zielwert liege, wie das seit Jahren der Fall ist. Das könne auch zu einer „vorübergehenden Phase“ führen, in der die Inflation etwas über dem Zielwert liege.
Aber es bedeutet laut „Financial Times“ nicht, dass die Inflation mit EZB-Maßnahmen aktiv nach oben getrieben werde, wie das die Fed mache, um die längere Periode zu niedriger Teuerung auszugleichen. Die Inflation in den USA ist allerdings höher, und es wird daher damit gerechnet, dass die Fed früher ihre konjunkturstützenden Maßnahmen zurückfährt.
Euro dürfte schwächer werden
Das und die gegenteilige neue EU-Strategie dürften dazu führen, dass der Euro gegenüber dem Dollar leicht geschwächt wird, was unter anderem europäische Exporte in die USA stützen würde. Bisher ist aber unklar, wie die Strategieänderung die bisherige währungs- und geldmarktpolitische Hilfe der EZB zum Durchtauchen der pandemiebedingten Wirtschaftskrise beeinflussen wird. Das soll auf den nächsten turnusmäßig stattfindenden Sitzungen des EZB-Rats besprochen werden.
EZB gibt sich mehr Spielraum
Die EZB hatte am Donnerstag – früher als erwartet – ihre runderneuerte geldpolitische Strategie vorgestellt. Beim Thema Inflation verschaffen sich die Währungshüter mehr Spielraum. Künftig strebt die Notenbank für die 19 Staaten des Euro-Raums eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an. Zumindest zeitweise will die EZB dabei auch dulden, wenn diese Marke moderat über- oder unterschritten wird. Bisher lag das Inflationsziel der EZB bei „unter, aber nahe zwei Prozent“.
Neu ist auch, dass künftig die Kosten für selbst genutztes Wohneigentum schrittweise in die Inflation eingerechnet werden sollen. „Um für Preisstabilität zu sorgen, brauchen wir ein geeignetes Maß für die Inflationsrate“, sagte der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, am Freitag dazu. Daher spreche sich der EZB-Rat dafür aus, auch selbst genutztes Wohneigentum einzubeziehen. „So kommt die Preismessung der Lebenswirklichkeit der Menschen im Durchschnitt noch näher.“
Deutsche Bundesbank: „Klar und leicht zu verstehen“
Weidmann betonte angesichts des veränderten EZB-Inflationsziels den Primat der Preisstabilität. „Die neue Strategie hilft der Geldpolitik, Preisstabilität für die Menschen im Euro-Raum zu sichern“, teilte Weidmann am Freitag mit. „Eine Inflationsrate von zwei Prozent in der mittleren Frist ist als Ziel klar und leicht zu verstehen. Wir streben weder niedrigere noch höhere Raten an. Das war mir wichtig.“
Letzte Revision 2003
Die EZB hatte zuletzt im Jahr 2003 ihre Strategie überarbeitet. In den jetzigen Prozess, der 18 Monate dauerte, flossen auch Beratungen mit Verbraucherverbänden und Sozialpartnern sowie Bürgerstimmen ein. Die seit 1. November 2019 amtierende EZB-Präsidentin Lagarde hatte die Strategieüberprüfung vorangetrieben. Zum nächsten Mal auf den Prüfstand soll die geldpolitische Strategie im Jahr 2025.