SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil
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Rendi-Wagner gegen Doskozil

Streit „geschäftsschädigendes Verhalten“

Der parteiinterne Streit zwischen SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat zu Beginn der Woche mit heftigen gegenseitigen Anwürfen einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Clinch sorgt nicht nur bei SPÖ-Vertretern in den Bundesländern für Unverständnis, sondern auch bei Beobachtern. Politologe Peter Filzmaier etwa ortete gegenüber ORF.at „geschäftsschädigendes Verhalten“.

„Rein strategisch“ sei bei der aktuellen Eskalation „kein sinnvolles Muster erkennbar“, so Filzmaier auf die Frage nach Rendi-Wagners Kalkül. Die Parteichefin und Doskozil hatten sich zuvor wieder heftig gegenseitig attackiert. Rendi-Wagner warf dem Landeshauptmann in den Puls-24-„Sommergesprächen“ am Montag vor, „unehrlich“ und „sehr inkonsequent“ zu sein, Doskozil sah sich dadurch am Dienstag „beflegelt“. Er höre sich „das gar nicht mehr an“ – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Filzmaier ortete nun in dem öffentlich ausgetragenen Konflikt eine „Selbstbeschädigung“ mitten im Sommerloch. Die SPÖ begebe sich ohne Not in eine „Eskalationsspirale“ und komme aufgrund der öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten mit keinem anderen inhaltlichen Thema mehr durch. Damit schade die SPÖ sich selbst und spiele den anderen Parteien in die Hände, so Filzmaier. Diese müssen „nur stillhalten“.

Eigentore vor nahenden Wahlen

Neben dem Schaden in der externen Kommunikation verursache der Clinch auch intern beträchtlichen Verwerfungen, sagte der Politologe mit Blick auf die anderen Bundesländer. Diese hatten sich am Dienstag unglücklich mit den Vorgängen gezeigt. Die Funktionäre, die ebenfalls aus den Medien von den Streitereien erfahren würden, würden zur Lagerbildung gezwungen und „alleine gelassen“, so Filzmaier. Prekär sei das vor allem für die SPÖ in Oberösterreich und der Steiermark: OÖ wählt am 26. September den Landtag, zudem findet die Gemeinderatswahl in Graz statt.

Offener Konflikt in der SPÖ

Der Streit zwischen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil eskaliert weiter. Auf Puls 4 warf die SPÖ-Vorsitzende ihrem Parteikollegen am Montag Unehrlichkeit vor, am Dienstag schoss Doskozil zurück und unterstellte Rendi-Wagner Beflegelung.

Vor allem der Zeitpunkt der Debatte sei vollkommen unverständlich. Weder stehe eine Nationalratswahl und damit die wohl unvermeidliche Spitzenkandidatendebatte unmittelbar vor der Tür, noch habe jemand Rendi-Wagner öffentlich herausgefordert – auch Doskozil selbst betonte am Dienstag erneut, er wolle im Burgenland bleiben.

Es gebe „keinen logischen Showdown“ und damit auch keinen Nutzen, so Filzmaier. Warum Rendi-Wagner mit ihrer Attacke auf Doskozil das Thema von sich aus wieder zum Hochkochen gebracht habe, lasse sich nicht erklären. Womöglich wolle sie im Fall einer endgültigen Eskalation im Ringen um die Parteispitze zumindest mit klarem Profil auftreten.

Parteitagdebakel: Burgenland nicht einziges Problem

Der Streit zwischen Rendi-Wagner und Doskozil schwelt schon lange, war nach dem Bundesparteitag aber wieder hochgekocht. Bei diesem hatte Rendi-Wagner mit 75 Prozent der Stimmen ohne Gegenkandidat ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Darauf hatten sich Unterstützerinnen und Unterstützer der SPÖ-Chefin auch wieder auf Doskozil eingeschossen, der sich seinerseits bereits zuvor demonstrativ aus dem SPÖ-Bundesvorstand zurückgezogen hatte.

Filzmaier betonte, dass sich Rendi-Wagners Gegnerinnen und Gegner allerdings nicht nur im Burgenland befinden können. „Hätte nur das Burgenland Rendi-Wagner gestrichen, wären das lediglich sechs Prozent gewesen“, so Filzmaier. Man müsse zudem davon ausgehen, dass viele trotz Unzufriedenheit aus Loyalität zur Partei sich hinter Rendi-Wagner gestellt hätten. Filzmaier sagte auch, dass Rendi-Wagner nach wie vor „vollkommen abhängig“ vom Wohlwollen Wiens – konkret des Stadtchefs Michael Ludwig – sei.

Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil, der niederösterreichische SPÖ-Landesparteichef Franz Schnabl und Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner
APA/Michael Gruber
Beim Bundesparteitag wurde noch demonstrative Einigkeit demonstriert

Nach dem Parteitag hatte es seitens Rendi-Wagner geheißen, dass sie einen Auftrag von 75 Prozent habe, nun ins Arbeiten kommen wolle und keine Zeit für eine Selbstbeschäftigung der SPÖ sei. Und auch die Themenlage – die Entwicklungen in der Coronavirus-Krise, aber auch die Probleme der anderen Parteien rund um den „Ibiza-Komplex“ – hätten dafür gesprochen, einen innerparteilichen Konflikt nicht ohne Zwang neu anzufachen.

„Jetzt sorgt sie selbst dafür, dass das Thema wieder brandheiß in der Öffentlichkeit steht“, so Filzmaier. Er verwies auf die Vertrauensfrage, mit der sich Rendi-Wagner im vergangenen Jahr Rückhalt verschafft hatte und die sie in der Führungsdebatte ins Spiel bringen hätte können. Stattdessen passiere mit den gegenseitigen Anwürfen „in der SPÖ das, was jahrzehntelang in der ÖVP passiert ist“.

„Eskalationsspirale läuft schon“

Den Konflikt wieder einzufangen werde schwierig, so Filzmaier. Es gelte, sich zusammenzusetzen, wieder intern zu kommunizieren und sich nichts über die Medien auszurichten. Aber: „Die Eskalationsspirale läuft schon.“ Dass nichts mehr nach außen getragen werde, sei nicht mehr realistisch, ein Dominoeffekt bei der Einmischung anderer Akteurinnen und Akteure zeichne sich bereits ab. Zudem habe der Streit längst auch persönlichen Charakter und bewege sich auf der Ebene: „Wer hat den ersten Stein geworfen?“.

Mayer-Bohusch (ORF) zum SPÖ-Gezänk

Andreas Mayer-Bohusch kommentiert den aktuellen SPÖ-Streit: SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner nennt Burgenlands Landeshauptmann Doskozil (SPÖ) in einem Puls-24-Interview „unehrlich“ und „inkonsequent“. Landeshauptmann Doskozil (SPÖ) sieht darin eine „Beflegelung“ und „Kindergartenniveau“.

Kaiser: „Verdammt noch mal intern streiten“

Die Causa ließ in der SPÖ am Dienstag jedenfalls die Wogen hochgehen, die wichtigsten Parteivertreter meldeten sich teils mit harschen Worten. Der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser sagte etwa, man müsse „verdammt nochmal intern“ streiten, alle Beteiligten müssten sich „endlich zusammenreißen.“

Die SPÖ ist kein „Selbstverwirklichungsseminar und kein Sesselkreis“, so auch Ludwig: „Hilfreich ist das alles nicht.“ Er gab sich aber noch zuversichtlich, dass man auch nach schlechten Erfahrungen und „Verwundungen“ wieder zusammenarbeiten könne. Der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer ortete einen „sinnlosen Austausch persönlicher Befindlichkeiten“ – mehr dazu in tirol.ORF.at. SPÖ-Salzburg-Chef David Egger zeigte sich erbost – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Politikwissenschaftler Pelinka zum SPÖ-Streit

Im ZIB2-Gespräch war der Politikwissenschaftler Anton Pelinka zu Gast. Er erläuterte den öffentlichen Konflikt zwischen der SPÖ-Chefin und dem burgenländischen Landeshauptmann.

Rückendeckung für Rendi-Wagner gab es vom Vorsitzenden der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) und Metallerboss Rainer Wimmer. Auch SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch verlangte im „Standard“, es müsse mit Doskozil nun „Tacheles“ geredet werden. Auch ein Sonderparteipräsidium wäre für ihn eine Option. In der ZIB2 forderte er dann beide Konfliktparteien auf sich auszusprechen: „Beide haben ein Handy.“