„Wir werden uns dieser Naturgewalt entgegenstemmen“, sagte Merkel und kündigte Hilfen des Bundes für die betroffenen Kommunen an. Auf Nachfragen sagte die Kanzlerin, dass die Hochwasserkatastrophe mit dem Klimawandel „zu tun“ habe – „und das bedeutet, dass wir uns noch mehr vornehmen müssen“.
Merkel forderte: „Wir müssen schneller werden im Kampf gegen den Klimawandel.“ Die Investitionen seien zwar teuer – doch was nicht getaner Klimaschutz anrichten könne, sei teurer. Es bedürfe einer Politik, „die die Natur und das Klima mehr in Betracht zieht, als wir das in den letzten Jahren gemacht haben“. Ganz ähnlich argumentierte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei einem Besuch in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten in Südbayern: Er mahnte, man müsse nun sowohl bei Klimaanpassungsmaßnahmen als auch beim Klimaschutz das Tempo beschleunigen. Auch wenn Klimaschutz teuer sei: „Am Ende sind die Kosten des Nichtstuns viel, viel teurer.“
„Stehen an Ihrer Seite“
„Wir stehen an Ihrer Seite“, versicherte Merkel den Opfern der Hochwasserkatastrophe in der Eifel. Am Mittwoch werde das Kabinett in Berlin ein Programm für schnelle Hilfe verabschieden, kündigte sie an. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nannte hierfür bereits die Summe von 300 Millionen Euro. Bund und Land würden gemeinsam handeln, „um die Welt Schritt für Schritt in Ordnung zu bringen in dieser wunderschönen Gegend“, sagte Merkel.
Die Kanzlerin versicherte, neben schneller Hilfe werde der Bund auch langfristig Unterstützung leisten. Sie werde Ende August wiederkommen – „damit wir das Langer-Atem-Haben deutlich machen“. Die Kanzlerin hatte in Begleitung der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) das stark zerstörte Schuld besichtigt. Das Dorf liegt in einer Schleife der Ahr. In der Region kamen nach jüngsten Angaben 112 Menschen ums Leben.
Bisher fast 160 Tote
Insgesamt wurden in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und im seit Samstagabend ebenfalls vom Hochwasser betroffenen Oberbayern 159 Menschen getötet, Hunderte wurden verletzt. Bei der Suche nach Opfern erreichte die Polizei mittlerweile mehr als 700 Vermisste telefonisch. Damit sei eine Vielzahl der Vermisstenmeldungen, die bei der Polizei Köln eingegangen waren, aufgeklärt worden, teilte die Polizei am Sonntag mit.
Während im Westen Deutschlands kein weiterer großflächiger Regen erwartet wurde, gingen in Südostbayern, Österreich und in der Sächsischen Schweiz in der Nacht Unwetter nieder. So sorgten die Wassermassen im Berchtesgadener Land für überflutete Straßen und Erdrutsche. 890 Hilfskräfte waren in den besonders betroffenen Orten in Oberbayern im Einsatz. Der örtliche Einsatzleiter Anton Brandner sprach von dramatischen Szenen: „Fahrzeuge auf den Straßen wurden zum Spielball der Wassermassen.“
Ache trat über Ufer
Sintflutartige Regenfälle hatten am Samstagabend den Fluss Ache über die Ufer treten und Hänge abrutschen lassen. Der Landkreis rief den Katastrophenfall aus. Zwei Menschen starben. Ein Opfer sei an einer natürlichen Ursache verstorben, sagte Landrat Bernhard Kern (CSU) in der Früh. Aber auch das könne mit dem Unwetter zusammenhängen. Häuser mussten geräumt werden, weil sie vom Einsturz bedroht waren. 130 Menschen wurden in Sicherheit gebracht, darunter 80 aus einer Siedlung in Schönau am Königssee, sagte Kern.
Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens heftige Überschwemmungen. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden nicht mehr erreichbar. Die Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und dem tschechischen Decin wurde gesperrt. Betroffen sind auch Fernzüge zwischen Dresden und Prag. „Die Situation ist angespannt, aber beherrschbar“, erklärte das Lagezentrum des Innenministeriums in Dresden.
Schwere Unwetter in Bayern und Sachsen
Die starken Regenfälle hören nicht auf: Am Samstagabend trafen schwere Unwetter Teile Bayerns und Sachsens. Ein Landkreis in Bayern rief den Katastrophenfall aus.
Monatelange Behinderungen wegen kaputter Autobahnen
Nach der Unwetterkatastrophe müssen sich Autofahrer auf den Autobahnen 1 und 61 im Süden Nordrhein-Westfalens noch monatelang auf Beeinträchtigungen einstellen. Bei den Kommunen Erftstadt und Swisttal hatten die Wassermassen Teile der Fahrbahn weggerissen. Die Schadensbegutachtung laufe noch, erst danach könnten die Bauarbeiten beginnen, sagte ein Sprecher der Autobahngesellschaft des Bundes am Sonntag. Wie lange die Reparatur dauern werde, könne er nicht sagen. Sehr wahrscheinlich geht es aber um mehrere Monate.
Keine Entwarnung bei Steinbachtalsperre
Einen Rückschlag gab es in NRW bei Euskirchen an der Steinbachtalsperre, wo das Wasser langsamer als erwartet abfließt. Eigentlich hatten die Behörden gehofft, am Sonntagnachmittag Entwarnung geben zu können. Aus der Talsperre wird Wasser abgelassen, um Druck von dem Damm zu nehmen.
Im ebenfalls von schweren Überschwemmungen heimgesuchten Osten Belgiens erhöhte sich die Zahl der Todesopfer auf mindestens 31. Von mehr als 100 weiteren Menschen war nach Angaben der Behörden der Verbleib am Samstagabend noch ungeklärt.
Auch in mehreren Regionen Österreichs kam es zu starken Überflutungen. An verschiedenen Orten in den Bundesländern Salzburg und Tirol wurde Zivilschutzalarm ausgelöst. In der Altstadt von Hallein kam es zu massiven Überschwemmungen.