Waldbrand in der Nähe von Marmaris, Türkei
Reuters/Umit Bektas
Erdogan

„Schlimmste Waldbrände der Geschichte“

Die Türkei kämpft laut Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen die schlimmsten Waldbrände ihrer Geschichte. Das erklärte Erdogan am Mittwochabend in einem TV-Interview. Die Lage in dem von einer extremen Hitzewelle geplagten Land ist seit Tagen kritisch. Vor allem in Urlaubsgebieten an der Mittelmeer-Küste wüten Feuer. Am Mittwoch geriet auch ein Kohlekraftwerk in Brand.

„Die Flammen sind auf das Gelände des Kraftwerks übergesprungen“, twitterte am Mittwochabend der Bürgermeister von Milas, Muhammet Tokat. Das Kraftwerk nahe der Westküste der Türkei sei vollständig geräumt worden. Zunächst war das Übergreifen noch mit Hilfe von spanischen Löschflugzeugen verhindert worden.

Insgesamt starben in der Türkei bisher mindestens acht Menschen im Zusammenhang mit den Bränden. Etliche mussten fliehen, zahlreiche Gebäude wurden zerstört oder beschädigt. Das Feuer zerstöre Wälder und Felder, sagte Doganay Tolunay, Forstingenieur an der Istanbul-Universität, der dpa. Das genaue Ausmaß sei noch unklar. Schätzungen zufolge seien aber bisher mehr als 100.000 Hektar zerstört.

Waldbrände bei Oren in der Türkei
APA/AFP/Serdar Gurbuz
Das Feuer erfasste das Kraftwerk

Experte sieht starken Anstieg bei Bränden

Die Zahl der jährlichen Waldbrände in der Türkei habe sich seit den 1980er Jahren mehr als verdoppelt, sagte Tolunay. Dass Brände verstärkt auftreten würden, sei klar gewesen, das Land habe sich aber nicht vorbereitet. Er sprach gegenüber der dpa von den schlimmsten Bränden seit mehr als zehn Jahren. 2008 habe es wie nun auch in Antalya zuletzt Brände ähnlichen Ausmaßes gegeben.

Menschen am Strand beobachten einen Waldbrand bei Mugla, Türkei
APA/AFP
Apokalyptische Bilder an der Mittelmeer-Küste

Das türkische Forstamt teilte mit, acht Brände seien weiterhin nicht unter Kontrolle. Größte Herausforderung beim Kampf gegen die Brände ist laut Außenminister Mevlüt Cavusoglu der starke Wind.

Feuer werden Politikum

Die Feuer sind längst auch ein politisches Thema. Von Beginn an wurde besonders in den sozialen Netzwerken Kritik an der Ausstattung der Einsatzkräfte laut. Es gebe zu wenige Löschflugzeuge und zu wenig Vorbereitung auf derartige Krisen, der Feuerschutz sei aufgrund von Einsparungen reduziert worden. Laut dem türkischen Luftfahrtverband verfügt die Türkei über drei Löschflugzeuge und 17 Helikopter. Zum Vergleich: Griechenland hat mehr als 40 Löschflugzeuge und 25 Hubschrauber.

Recep Tayyip Erdogan blickt in einem Flugzeug auf die Waldbrände
AP/Turkish Presidency
Erdogan steht mit den Bränden vor der nächsten Krise

Userinnen und User auf Twitter und Instagram hatten in den vergangenen Tagen unter dem Hashtag #HelpTurkey um internationale Hilfe gebeten. Die türkische Generalstaatsanwaltschaft leitete wegen der Kampagne in den sozialen Netzwerken nun auch Ermittlungen ein. Unter anderem werde wegen „Erzeugung von Sorge, Angst und Panik“ in der Bevölkerung und Anstiftung des Volkes zu Hass und Feindschaft ermittelt, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Untersuchungen gebe es auch wegen des Vorwurfs der Beamtenbeleidigung, Beleidigung des Präsidenten und Herabwürdigung des türkischen Staates.

Für Erdogans Regierung kommen die Brände zur Unzeit: Die Türkei steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, die Inflation ist auf 18,95 Prozent gestiegen und kratzt an der bedrohlichen 20-Prozent-Marke.

Kritische Lage in ganzer Region

Auch in anderen Ländern am Mittelmeer, etwa in Griechenland, Italien und Kroatien, wüten seit Tagen verheerende Waldbrände. Die EU schickte am Mittwoch Flugzeuge, Hubschrauber und Feuerwehrleute nach Griechenland, Italien, Albanien und Nordmazedonien.

120 Einsatzkräfte aus Niederösterreich und der Steiermark machten sich am Donnerstag auf den Weg nach Nordmazedonien, um die Feuerwehren dort mit allen Kräften und taktischem Know-how zu unterstützen. Über den EU-Mechanismus war ein „Ground Forest Fire Fighting using Vehicles-Modul“ angefordert worden.

In Griechenland erreichten die Brände zwischenzeitlich sogar Vororte von Athen, die Rede war von „Alptraumbränden“. Zwar konnten die Feuer dort mittlerweile eingedämmt werden, allerdings liegt nun aufgrund der Windstille eine dicke Rauchglocke über der Hauptstadt. Es wird befürchtet, dass neue Winde die Feuer wieder anfachen könnten.

Antikes Olympia vorerst gerettet

Akute Brände gab es am Mittwoch in weiteren griechischen Regionen, etwa am Peloponnes, auf der Insel Euböa, Rhodos und Kos. Ein Feuer bedrohte auch die antike Stätte Olympia. In der Nacht auf Donnerstag wurde der Großbrand nahe Olympia eingedämmt. „Die Stätte ist vorerst gerettet“, sagte der Gouverneur der Region Westgriechenland, Nektarios Farmakis, am frühen Morgen im Staatsfernsehen. Er warnte jedoch: „Die Gefahr ist nicht vorbei.“ Zu hoffen sei, dass der Brand mit Hilfe von Hubschraubern und Löschflugzeugen in den nächsten Stunden unter Kontrolle gebracht werde. Die ganze Nacht kämpften Feuerwehrkräfte und freiwillige Helfer rund um Olympia gegen die Flammen. „Wir tun alles Menschenmögliche, um Olympia zu retten“, sagte Kulturministerin Lina Mendoni dem griechischen Staatsfernsehen.

Brandherde in Griechenland am 4.8.2021 gemäß NASA-Feuerwarnsystem FIRMS.

„Wahre Feuerstürme“

Auch in Italien, Kroatien und Bulgarien kämpfte die Feuerwehr gegen Flammen. In der Mittelmeer-Region herrscht die schlimmste Hitzewelle seit 30 Jahren. In einigen Gebieten wird in dieser Woche weiter mit Temperaturen über 40 Grad Celsius gerechnet. Die Hitze erschwert den Kampf gegen die Flammen – und begünstigt immer neue Brände. Umweltorganisationen wiesen angesichts der Brände auf die verheerenden Folgen der Klimakrise hin. In deren Zeiten erreiche das Ausmaß der Feuer eine neue Dimension, erklärte die Umweltschutzorganisation WWF. In Südeuropa würden seit 2017 immer häufiger „Megabrände beobachtet, die wahre Feuerstürme erzeugen“.

Greenpeace in der Türkei machte neben dem Klimawandel auch fehlende Vorsichtsmaßnahmen als Grund für die verheerenden Brände aus. Die Natur werde nicht ausreichend geschützt, Land unkontrolliert genutzt und der Wald ausgebeutet. „Das hat eine Landschaft hinterlassen, die anfälliger für diese Feuer ist“, sagte Burcu Ünal von Greenpeace gegenüber der dpa.