Neugewählter ORF-Generaldirektor Roland Weißmann
ORF.at/Christian Öser
Klare Mehrheit

Weißmann wird neuer ORF-Generaldirektor

Roland Weißmann wird neuer ORF-Generaldirektor. Der Stiftungsrat wählte den bisherigen Chefproducer mit einer klaren Mehrheit von 24 der 35 Stimmen. Amtsinhaber Alexander Wrabetz wird damit im Jänner 2022 nach 15 Jahren an der Spitze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgelöst.

Neben Weißmann und Wrabetz standen ORF1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, ORF-Technik-Vizedirektor Thomas Prantner und als einziger externer Kandidat Harald Thoma, Geschäftsführer der Pocketfilm Media Entertainment GmbH, zur Wahl. Wrabetz erhielt sechs Stimmen, Totzauer fünf, Prantner und Thoma keine.

Weißmann wurde schon lange vor der Wahl als Bewerber gehandelt, am 22. Juli gab er seine Kandidatur bekannt. Der 53-jährige gebürtige Linzer verwaltet seit 2012 als Chefproducer das größte Programmbudget im ORF und wurde 2020 zum Kogeschäftsführer der Tochtergesellschaft ORF Online sowie zum Projektleiter für den geplanten ORF-Player bestellt.

Grafik zeigt das Wahlverhalten der Stiftungsräte
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Vom Landesstudio ins GD-Büro

Seine ORF-Karriere begann der studierte Kommunikationswissenschaftler 1995 im aktuellen Dienst des ORF-Landesstudios Niederösterreich. Nach Zwischenstopps als Chef vom Dienst bei Ö3 und als stellvertretender Chronikressortleiter in der ORF-Radioinformation war er von 2003 bis 2009 stellvertretender Chefredakteur unter Richard Grasl. 2010 wechselte Weißmann als Grasls Büroleiter in die ORF-Finanzdirektion.

Eckpunkte von Weißmanns Programm

Der Titel des Konzepts von Weißmann lautet „Lust auf Zukunft“. Er verspricht darin eine neue Unternehmenskultur mit drei zentralen Werten: Verlässlichkeit, Verantwortung und Transparenz. Den ORF will er in ein digitales Unternehmen transformieren, wobei die linearen Kanäle gezielter positioniert und TV, Radio und Online aufeinander abgestimmt werden müssten.

Präsentation von Roland Weißmann am Vorabend der GD-Wahl

„Lust auf Zukunft“ betitelte Roland Weißmann sein Bewerbungskonzept.

Die Autonomie der Landesstudios soll wachsen, während Kooperationen mit anderen Marktteilnehmern forciert werden sollen, um den Medienstandort Österreich zu stärken. Die Unabhängigkeit des ORF will er sichern und den Pluralismus ausbauen. Vor allem sollen neue Angebote für junge Zielgruppen geschaffen und die Gleichstellung vorangetrieben werden.

Wrabetz: „Entscheidung ist zu respektieren“

Wrabetz erklärte, die Wahl Weißmanns sei die Entscheidung der Regierung gewesen, ihn abzusetzen, „und das hat der Stiftungsrat auch so gemacht“. Es habe im Stiftungsrat auch keine Kritik an seiner Arbeit gegeben. Bis Ende des Jahres sei er noch im Amt und er plane, wichtige Projekte weiter voranzutreiben.

Abgewählter ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz
ORF.at/Christian Öser
Wrabetz will die Entscheidung respektieren und seine Projekte bis Ende des Jahres vorantreiben

ÖVP-„Freundeskreis“-Sprecher lobt Entscheidung

„Der neue ORF-Generaldirektor Roland Weißmann verbindet journalistische, programmwirtschaftliche und digitale Kompetenz und er ist vor allem ein Teamplayer – genau das braucht der ORF für seine Zukunft“, sagte Thomas Zach, Leiter des ÖVP-nahen „Freundeskreises“.

Mit dem Ergebnis stehe eine breite Mehrheit im Stiftungsrat hinter einem digitalen Reformkurs für den ORF – die Bestellung von Weißmann sei ein klares Signal für die ambitionierte Weiterentwicklung des größten österreichischen Medienunternehmens.

„Man muss von einer Zäsur sprechen“, reagierte SPÖ-„Freundeskreisleiter“ Heinz Lederer unmittelbar nach der Wahl gegenüber Journalisten auf das Ergebnis. Die Anzahl von 24 Stimmen deute darauf hin, dass die „Checks and Balances“ nicht mehr eingehalten würden. „Das ist eine bestehende Sorge“, so Lederer.

Man werde Weißmann keine 100 Tage Schonfrist geben, sondern sofort – und vor allem ab 16. September – mit „großer Aufmerksamkeit verfolgen, dass das Gesamtgefüge nicht verletzt wird“. Und weiter: „Wir werden jede Gelegenheit nützen, um uns zu melden. Macht braucht Kontrolle“, unterstrich Lederer mehrfach. Enttäuscht zeigte er sich von den Grünen, die allesamt für Weißmann stimmten.

„Freundeskreise“ im Stiftungsrat

Die Mitglieder des Stiftungsrats wählten den neuen Generaldirektor in nicht geheimer Abstimmung. Sie sind abgesehen von wenigen Ausnahmen in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert und von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat in das Gremium berufen. Sie dürfen keine aktiven Politikerinnen und Politiker sein und dürfen auch sonst nicht für eine Partei tätig sein – abgesehen von wenigen Ausnahmen sind sie jedoch den Parteien zuordenbar und in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert.

Die ÖVP kann derzeit auf 16 ihr nahestehende Vertreter zählen, mit weiteren zwei, drei ÖVP-nahen unabhängigen Räten kommt sie auf eine Mehrheit im obersten Gremium. Die SPÖ ist mit fünf, die FPÖ mit vier und die Grünen mit drei Gremienmitgliedern vertreten. NEOS stellt eine Rätin. Der einst von den Freiheitlichen bestellte und später von der SPÖ-geführten Landesregierung verlängerte Kärntner Stiftungsrat Siggi Neuschitzer gehört keinem „Freundeskreis“ an.

Komplettiert wird die Runde durch fünf Unabhängige, bestehend aus drei Betriebsräten und zwei von der türkis-grünen Regierung gemeinsam nominierten Personen.

Der ORF wirtschaftlich betrachtet

Der Umsatz des ORF betrug im Vorjahr 1.016,8 Millionen Euro. 644,9 Millionen Euro erlöste der Sender aus den Programmentgelten der Rundfunkgebühren, 200,4 Millionen aus Werbung, sonstige Umsatzerlöse lagen bei 171,5 Millionen Euro.

Der ORF agiert auf Basis des ORF-Gesetzes. 2001 und 2010 wurde das frühere Rundfunkgesetz, mit dem 1967 die Ära des modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich eingeläutet wurde, grundlegend geändert. Oberstes Aufsichtsgremium ist seit 2001 der Stiftungsrat (früher Kuratorium), die Hörer- und Sehervertretung wird vom Publikumsrat wahrgenommen. Die Funktionsperiode dieser Gremien dauert vier Jahre, jene des Generaldirektors sowie des übrigen Direktoriums fünf Jahre.