Neugewählter ORF-Generaldirektor Roland Weißmann
ORF.at/Christian Öser
Neuer ORF-Generaldirektor Weißmann

„Respekt und Demut“ vor der Aufgabe

Mit 24 von 35 Stimmen ist Roland Weißmann am Dienstag im Stiftungsrat zum neuen ORF-Generaldirektor gewählt worden. Er löst damit 2022 Alexander Wrabetz an der Spitze des Unternehmens ab. In einem ersten Statement bedankte sich Weißmann für das „große Vertrauen“. Die neue Aufgabe will der bisherige Chefproducer und ORF.at-Kogeschäftsführer mit „Respekt und Demut“ angehen. Im Gespräch mit der ZIB2 äußerte sich Weißmann auch zur Kritik der letzten Tage rund um die Wahl. Er dementierte etwa, als Kandidat der ÖVP angetreten zu sein.

Noch am Nachmittag bedankte sich Weißmann für die „breite Mehrheit von Stiftungsräten über Fraktionsgrenzen hinweg“, die ihm den Auftrag gegeben hätten, sein Konzept umzusetzen. „Mit meinem künftigen Team und tollen Mitarbeitern werden wir täglich daran arbeiten, weiterhin das beste Programm zu machen“, unterstrich Weißmann, der auch festhielt: „Wir sind bei den Quoten zuletzt so erfolgreich gewesen wie schon lange nicht mehr.“

Die Stoßrichtung sei klar: „informativ, objektiv, unterhaltsam, spannend, von regional bis digital“. Nach turbulenten Wochen solle der ORF wieder mit spannenden Programmen in die Schlagzeilen kommen. „Dafür stehe ich.“ Wrabetz übergebe ein „gut aufgestelltes Haus“. Ab Mittwoch wolle er „auf Augenhöhe“ mit Wrabetz, der noch bis Ende Dezember 2021 im Amt bleibt, zusammenarbeiten. Wrabetz habe ihm zugesichert, ihn bei wesentlichen Fragen einzubeziehen. „Das genügt mir völlig“, sagte er.

Weißmann über Wahl zum Generaldirektor

Ab 1. Jänner 2022 wird Roland Weißmann neuer ORF-Generaldirektor. In einem ersten Statement spricht er über seine Pläne für die kommende Amtszeit.

„Als Kandidat für ein Amt angetreten“

Auch in der ZIB2 äußerte sich Weißmann zu der Wahl, seinen Plänen und reagierte auch auf die Debatten dazu. Vielfach wurde kritisiert, Weißmann sei als ÖVP-Kandidat angetreten, auch der Wahlmodus wurde bemängelt. Weißmann sagte darauf, er sei mit einer breiten Mehrheit von drei politischen Fraktionen sowie unabhängigen Kandidaten gewählt worden. Er sei nie als Kandidat einer Partei, sondern „als Kandidat für ein Amt angetreten“.

Weißmann zu Bestellung als ORF-Generaldirektor

Roland Weißmann ist am Dienstag zum neuen ORF-Generaldirektor gewählt worden. Im ZIB2-Interview sagte er, dass kein politisches Kalkül hinter der Wahl gesteckt habe. Er wolle vor allem die Digitalisierung im Unternehmen vorantreiben. Am 1. Jänner 2022 beginnt seine Amtszeit.

Kursierende Gerüchte über Zugeständnisse bei Postenbesetzungen – etwa im Gegenzug für grüne Stimmen – wies er als Spekulation zurück. Er habe sich im Rahmen seiner Bewerbung mit niemandem abgesprochen. Bezüglich der Debatten sagte er auch, dass das Spektakel der letzten Tage nun vorbei sei und es nun um die Führung eines großen Unternehmens gehe.

Inhaltlich wolle er einen Fokus auf die Digitalisierung und den Wandel des Unternehmens setzen. Wichtig sei ihm ein Ausbau der Streamingangebote. Bezüglich der Frage nach der GIS ohne Fernseher sagte Weißmann, man wolle auch die Streaminglücke schließen, eine „Handysteuer“ käme aber nicht in Frage. Insgesamt wolle er den ORF jünger, digitaler und diverser machen. Zudem müsse der ORF in fünf Jahren mindestens die gleiche Relevanz haben, die er heute habe.

Wrabetz: „Entscheidung ist zu respektieren“

Alexander Wrabetz zeigte sich im Anschluss an die Bekanntgabe sichtlich betroffen von seiner Abwahl: „Heute ist ein besonderer Tag, auch in meinem Leben. Es ist durchaus bewegend, dass ich nach 15 erfolgreichen Jahren abgesetzt wurde. Das ist zu respektieren“, so Wrabetz vor Journalisten. Im Hearing habe es für seine Arbeit anerkennende Worte gegeben, nennenswerte Kritik sei nicht gefallen. „Immerhin sind wir in Österreich Nummer 1 im Radio, Fernsehen, online und auch auf Social Media“, unterstrich der Generaldirektor, der auch auf höchste Vertrauenswerte verwies. „Aber die Regierung hat entschieden, mich abzusetzen.“ In einer Demokratie, in der die Regierung gewählt worden sei, sei das aber zu akzeptieren.

Statement von Alexander Wrabetz

Bis Ende des Jahres hat Alexander Wrabetz noch die Führung des ORF inne, danach wird er von Roland Weißmann abgelöst. Wrabetz sprach über das Unternehmen und seine Zeit als Generaldirektor.

Jedenfalls würden jetzt „vier besondere Monate vor uns liegen, in denen ich die alleinige Verantwortung habe“, so Wrabetz. Er wolle wichtige Projekte vorantreiben, um 2022 in den multimedialen Newsroom starten zu können. „Das duldet keinen Aufschub.“ Weißmann habe „keine Erfahrung in der Geschäftsführung“, weshalb es in den kommenden Monaten darauf ankommen werde, seine gesammelte Erfahrung an den frisch gewählten ORF-Generaldirektor weiterzugeben. „Das werde ich natürlich tun.“ Schließlich habe er alles, was er erreicht habe, nicht gemacht, „damit dann alles den Bach runtergeht“, so Wrabetz. Er werde alles tun, damit der neue Generaldirektor „gut vorbereitet übernehmen kann“.

Neben Weißmann und Wrabetz standen ORF1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, ORF-Technik-Vizedirektor Thomas Prantner und als einziger externer Kandidat Harald Thoma, Geschäftsführer der Pocketfilm Media Entertainment GmbH, zur Wahl. Wrabetz erhielt sechs Stimmen, Totzauer fünf, Prantner und Thoma keine.

Stiftungsrat erwartet geordnete Übergabe

Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger, der auf die vielen Stimmen für Weißmann verwies, lobte auch die „guten Konzepte“ von Prantner und Thoma, die schließlich keine Stimmen bekamen. Weiters verwies er auf eine durchgeführte Protokollanmerkung, dass der scheidende Generaldirektor „alle wesentlichen Entscheidungen in Zukunft immer gemeinsam mit dem neu gewählten Generaldirektor machen“ werde. Der Stiftungsrat habe die „Kontrollpflicht, im Sinne des Betriebes einen ordnungsgemäßen Übergang“ sicherzustellen, wovon er auch ausgehe.

„Man muss akzeptieren, dass es verschiedene Parteien gibt und hoffen, dass diese zusammenarbeiten“, unterstrich Steger. „Verlierer haben es auch zu akzeptieren, wenn eine Entscheidung demokratisch gefallen ist.“ Es gehe nicht um „kleinkarierte Auseinandersetzungen“ nach der Abstimmung, sondern darum, das Unternehmen bestmöglich zu führen.

Grafik zeigt das Wahlverhalten der Stiftungsräte
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

ÖVP-„Freundeskreis“-Sprecher lobt Entscheidung

„Der neue ORF-Generaldirektor Roland Weißmann verbindet journalistische, programmwirtschaftliche und digitale Kompetenz und er ist vor allem ein Teamplayer – genau das braucht der ORF für seine Zukunft“, sagte Thomas Zach, Leiter des ÖVP-nahen „Freundeskreises“. Mit dem Ergebnis stehe eine breite Mehrheit im Stiftungsrat hinter einem digitalen Reformkurs für den ORF – die Bestellung von Weißmann sei ein klares Signal für die ambitionierte Weiterentwicklung des größten österreichischen Medienunternehmens.

„Man muss von einer Zäsur sprechen“, reagierte SPÖ-„Freundeskreisleiter“ Heinz Lederer unmittelbar nach der Wahl gegenüber Journalisten auf das Ergebnis. Die Anzahl von 24 Stimmen deute darauf hin, dass die „Checks and Balances“ nicht mehr eingehalten würden. „Das ist eine bestehende Sorge“, so Lederer.

Man werde Weißmann keine 100 Tage Schonfrist geben, sondern sofort – und vor allem ab 16. September – mit „großer Aufmerksamkeit verfolgen, dass das Gesamtgefüge nicht verletzt wird“. Und weiter: „Wir werden jede Gelegenheit nützen, um uns zu melden. Macht braucht Kontrolle“, so Lederer mehrfach. Enttäuscht zeigte er sich von den Grünen, die allesamt für Weißmann stimmten.

„Für uns ist die Unabhängigkeit des ORF zentral. Daher ist die Wahl heute ein Vertrauensvorschuss“, erläuterte Lothar Lockl, der für die Grün-nahen Stiftungsräte spricht, die Entscheidung. Im Vorfeld der Wahl wurde kolportiert, dass zwei Direktorenposten – Finanzen und Programm – für die Stimmen an die Grünen fallen könnten. „Ich halte diese Zuschreibungen für eine Unkultur. Es wird keine Posten für irgendwelche Parteien geben. Ich möchte, dass starke, anerkannte, höchst kompetente Personen im Direktorium sind“, so Lockl.

„Freundeskreise“ im Stiftungsrat

Die Mitglieder des Stiftungsrats wählten den neuen Generaldirektor in nicht geheimer Abstimmung. Sie sind abgesehen von wenigen Ausnahmen in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert und von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat in das Gremium berufen. Sie dürfen keine aktiven Politikerinnen und Politiker sein und dürfen auch sonst nicht für eine Partei tätig sein – abgesehen von wenigen Ausnahmen sind sie jedoch den Parteien zuordenbar und in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert.

Weißmann wurde schon lange vor der Wahl als Bewerber gehandelt, am 22. Juli gab er seine Kandidatur bekannt. Der 53-jährige gebürtige Linzer verwaltet seit 2012 als Chefproducer das größte Programmbudget im ORF und wurde 2020 zum Kogeschäftsführer der Tochtergesellschaft ORF Online sowie zum Projektleiter für den geplanten ORF-Player bestellt.

Vom Landesstudio ins GD-Büro

Seine ORF-Karriere begann der studierte Kommunikationswissenschaftler 1995 im aktuellen Dienst des ORF-Landesstudios Niederösterreich. Nach Zwischenstopps als Chef vom Dienst bei Ö3 und als stellvertretender Chronikressortleiter in der ORF-Radioinformation war er von 2003 bis 2009 stellvertretender Chefredakteur unter Richard Grasl. 2010 wechselte Weißmann als Grasls Büroleiter in die ORF-Finanzdirektion.

Neugewählter ORF-Generaldirektor Roland Weißmann
ORF.at/Christian Öser
Schon im Vorfeld galt Weißmann als Favorit, ihm war die Unterstützung der ÖVP- und Grün-nahen Stiftungsräte sicher

Eckpunkte von Weißmanns Programm

Der Titel des Konzepts von Weißmann lautet „Lust auf Zukunft“. Er verspricht darin eine neue Unternehmenskultur mit drei zentralen Werten: Verlässlichkeit, Verantwortung und Transparenz. Den ORF will er in ein digitales Unternehmen transformieren, wobei die linearen Kanäle gezielter positioniert und TV, Radio und Online aufeinander abgestimmt werden müssten.

Präsentation von Roland Weißmann am Vorabend der GD-Wahl

„Lust auf Zukunft“ betitelte Roland Weißmann sein Bewerbungskonzept.

Die Autonomie der Landesstudios soll wachsen, während Kooperationen mit anderen Marktteilnehmern forciert werden sollen, um den Medienstandort Österreich zu stärken. Die Unabhängigkeit des ORF will er sichern und den Pluralismus ausbauen. Vor allem sollen neue Angebote für junge Zielgruppen geschaffen und die Gleichstellung vorangetrieben werden.

Der ORF wirtschaftlich betrachtet

Der Umsatz des ORF betrug im Vorjahr 1.016,8 Millionen Euro. 644,9 Millionen Euro erlöste der Sender aus den Programmentgelten der Rundfunkgebühren, 200,4 Millionen aus Werbung, sonstige Umsatzerlöse lagen bei 171,5 Millionen Euro.

Der ORF agiert auf Basis des ORF-Gesetzes. 2001 und 2010 wurde das frühere Rundfunkgesetz, mit dem 1967 die Ära des modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich eingeläutet wurde, grundlegend geändert. Oberstes Aufsichtsgremium ist seit 2001 der Stiftungsrat (früher Kuratorium), die Hörer- und Sehervertretung wird vom Publikumsrat wahrgenommen. Die Funktionsperiode dieser Gremien dauert vier Jahre, jene des Generaldirektors sowie des übrigen Direktoriums fünf Jahre.