Der Chef der Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, Ahmad Massoud
Reuters/Mohammad Ismail
Widerstandsbastion

„Bereit, es mit den Taliban aufzunehmen“

Im afghanischen Panjshirtal unweit der Hauptstadt Kabul hat sich eine Bastion des Widerstands gegen die Taliban formiert. Ahmad Massoud, Sohn eines als Nationalhelden verehrten Mudschaheddin-Kämpfers, sammelt dort Truppen gegen die Islamisten und bittet die USA offen um Unterstützung.

In Afghanistan flammen nach der Übernahme der Macht durch die radikalislamischen Taliban erstmals in mehreren Teilen des Landes Proteste auf. Am Nationalfeiertag, an dem der Unabhängigkeit von Großbritannien 1919 gedacht wird, kam es in Kabul und in mehreren Städten im Osten des Landes zu Menschenansammlungen, bei denen afghanische Fahnen geschwenkt wurden. In Asadabad wurden bei Protesten laut Augenzeugen mehrere Menschen getötet. Unklar ist, ob sie durch Schüsse der Taliban oder wegen einer Massenpanik starben.

Erbitterter Widerstand wird vor allem im Panjshirtal, einer Hochburg der Tadschiken nordöstlich von Kabul, geleistet. Angeführt wird er von Afghanistans bisherigem Vizepräsidenten, Amrullah Saleh, und Ahmad Massoud, dem Sohn des als „Löwe von Panjshir“ bekannt gewordenen Mudschaheddin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud. Dieser führte in den 1990er Jahren den afghanischen Widerstand gegen die Taliban an. Etwa 10.000 Kämpfer sollen sich Saleh, der nach der Flucht von Präsident Ashraf Ghani erklärt hatte, er sei das legitime Staatsoberhaupt, und Massoud bisher angeschlossen haben, darunter auch Truppen des früheren Vizepräsidenten und Generals Abdul Rashid Dostum.

Frauen in Kabul mit afghanischen Flaggen bei den Feiern zum Unabhängigkeitstag
APA/AFP/Wakil Kohsar
Die Nationalflagge entwickelt sich seit der Machtübernahme der Taliban zunehmend zu einem Protestzeichen gegen die Islamisten

Massoud will „in Fußstapfen meines Vaters treten“

Ahmad Massoud schrieb in einem am Donnerstag veröffentlichten Gastbeitrag in der „Washington Post“, er sei bereit, „in die Fußstapfen meines Vaters zu treten“ und „es erneut mit den Taliban aufzunehmen“. Er verfüge über die nötigen Kräfte für einen wirksamen Widerstand, brauche aber „mehr Waffen, mehr Munition und mehr Nachschub“.

Massouds Vater hatte in den 1980er Jahren gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans gekämpft, von 1996 bis 2001 bekämpfte er dann die Taliban. Am 9. September 2001 wurde er von zwei Selbstmordattentätern des Terrornetzwerks al-Kaida getötet – zwei Tage vor den Anschlägen in den USA, die zu dem internationalen Militäreinsatz in Afghanistan führten. Er wurde postum zum „Nationalhelden der afghanischen Nation“ erklärt.

Auf US-Unterstützung angewiesen

Die radikalislamischen Taliban stellen laut Massud eine Bedrohung über die Grenzen des Landes hinaus dar. Unter deren Kontrolle werde „Afghanistan zweifellos zu einem Zentrum des radikalislamischen Terrorismus“. Seine Kämpfer seien auf den kommenden Konflikt vorbereitet, bräuchten aber US-Unterstützung.

Massoud schrieb weiter: „In diesem Sinne bitte ich die Freunde Afghanistans im Westen, sich in Washington und New York, im Kongress und bei der Regierung (von US-Präsident Joe, Anm.) Biden für uns einzusetzen. Setzen Sie sich für uns in London ein, wo ich mein Studium absolviert habe, und in Paris, wo das Andenken an meinen Vater in diesem Frühjahr durch die Benennung eines Weges in den Champs-Elysees-Gärten geehrt wurde.“

der Chef der Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, Ahmad Massoud, neben einem Bild seines Vaters Ahmad Shah Massoud
APA/AFP/Christophe Archambault
Ahmad Massoud mit einem Bild seines als Volkshelden gefeierten Vaters

„Sie sollten wissen, dass Millionen von Afghanen Ihre Werte teilen. Wir haben so lange für eine offene Gesellschaft gekämpft, eine Gesellschaft, in der Mädchen Ärztinnen werden können, in der die Presse frei berichten kann, in der unsere jungen Menschen tanzen und Musik hören oder Fußballspiele in Stadien besuchen können, die einst von den Taliban für öffentliche Hinrichtungen genutzt wurden – und vielleicht bald wieder genutzt werden.“

„Ihr seid unsere letzte Hoffnung“

Bei ihrer rasanten Eroberung des Landes haben die Taliban einen riesigen Vorrat an Kriegsgerät von der afghanischen Armee erbeutet, größtenteils von den USA bereitgestellt. In sozialen Netzwerken zeigen die Islamisten Sturm- und Scharfschützengewehre sowie gepanzerte Humvee-Fahrzeuge. Massoud bat die USA in seinem Beitrag, weiterhin die „Sache der Freiheit“ zu unterstützen und die Afghanen nicht den Taliban zu überlassen. „Ihr seid unsere letzte Hoffnung“, schrieb Massoud.

Widerstand gegen Taliban-Regime

In Afghanistan formiert sich am nationalen Unabhängigkeitstag Widerstand gegen das Taliban-Regime. Bei Protesten sollen mehrere Menschen getötet worden sein. Unterdessen versuchen immer noch verzweifelte Bürger, über den Flughafen in der Hauptstadt Kabul das Land zu verlassen.

Unklar ist, ob die Kämpfer im Panjshir-Tal in der Lage sind, einen Angriff der Islamisten abzuwehren. Bisher hat es keine Offensiven gegeben. Zudem war offen, ob die Stellungnahme Massouds in dem Blatt nicht ein erster Schritt hin zu Verhandlungen mit den Taliban sind. Allerdings hatte sein Verbündeter Saleh mehrmals betont, dass er sich nicht den Taliban beugen und Widerstand leisten werde.