Nach der Schweigeminute verlasen Angehörige die Namen der fast 3.000 Getöteten. Die Terroristen hatten am 11. September 2001 vier Flugzeuge gekapert. Nachdem sie American-Airlines-Flug 11 in den Nordturm des World Trade Centers gesteuert hatten, flog kurze Zeit später ein weiteres Flugzeug in den Südturm. American-Airlines-Flug 77 lenkten die Angreifer in das Verteidigungsministerium nahe Washington. Eine vierte Maschine stürzte in Pennsylvania ab, nachdem die Menschen an Bord Widerstand gegen die Entführer geleistet hatten.
Zur Trauerfeier an der heutigen Gedenkstätte in New York kamen neben Präsident Biden und First Lady Jill Biden auch zahlreiche Angehörige von Opfern sowie Überlebende. Auch die ehemaligen Präsidenten Barack Obama und Bill Clinton waren mit ihren Ehefrauen anwesend. Auch am Pentagon und der Absturzstelle in Shanksville fanden Trauerveranstaltungen statt. In Pennsylvania nahm auch George W. Bush teil, der am 11. September US-Präsident war.
Gedenken an Anschläge vom 11. September
Nine-Eleven, der 11. September 2001 – ein Datum, das in den USA seit zwei Jahrzehnten für ein nationales Trauma steht, aber auch für Heldenmut und Zusammenhalt. Genau vor 20 Jahren kamen bei den Terroranschlägen auf das World Trade Center und das US-Verteidigungsministerium 2.977 Menschen ums Leben, Tausende wurden verletzt. Am heutigen Gedenktag würdigten die Amerikanerinnen und Amerikaner noch einmal die Opfer und die vielen Helferinnen und Helfer, die ihr Leben riskiert haben, um das von anderen zu retten.
Bush beklagt Spaltung der USA
Bei der Veranstaltung in Shanksville dankte Bush ausdrücklich allen, die seit den Anschlägen im Dienst des US-Militärs gegen den Terrorismus und für den Schutz des Landes gekämpft hätten. „Sie haben ihre Mitbürger vor Gefahren geschützt.“ Den Tag der Anschläge beschrieb Bush in seiner Rede als einen Tag extrem gemischter Gefühle. Es habe Entsetzen geherrscht „angesichts des Ausmaßes der Zerstörung“ und „der Kühnheit des Bösen“, gleichzeitig habe es wegen des Heldenmutes der Einsatzkräfte, des Militärs und der plötzlichen Solidarität und gegenseitigen Hilfe unter Amerikanern „Dankbarkeit“ und „Ehrfurcht“ gegeben.
Vizepräsidentin Kamala Harris sagte in einer Rede an der Gedenkstätte in Shanksville, die Zeit nach den Terroranschlägen habe gezeigt, „dass Einheit in Amerika möglich ist“. Ex-Präsident Bush, der nach den Anschlägen einen „Krieg gegen den Terrorismus“ ausgerufen hatte, beklagte allerdings die politische Spaltung des Landes. Nach 9/11 habe er ein „unglaubliches, widerstandsfähiges, vereintes“ Land angeführt, sagte der Republikaner in Shanksville. „Diese Zeiten scheinen sehr weit weg von der heutigen Zeit.“
USA sind „sicherer als vor 20 Jahren“
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erinnerte bei der Gedenkveranstaltung im Pentagon auch daran, dass die USA nach Afghanistan gegangen seien, „um die Leute zu verfolgen, die Amerika angegriffen haben, und um sie zur Rechenschaft zu ziehen“ und man habe Bin Laden zur Rechenschaft gezogen. „Ich möchte Sie auf die Tatsache hinweisen, dass seit 20 Jahren niemand mehr die Vereinigten Staaten angegriffen hat, insbesondere nicht aus dieser Region“. Die sei „kein Zufall“, so Austin, der laut CNN dazu noch sagte, dass die USA heute sicherer seien als vor 20 Jahren.
Gedenken an „ganz normale Menschen“
Es solle an „ganz normale Menschen“ gedacht werden, sagte zum Auftakt der Gedenkveranstaltung am Ground Zero Mike Low, dessen Tochter Sara als Flugbegleiterin arbeitete und in einer der gekaperten Maschinen am 11. September ums Leben kam. „In den vergangenen 20 Jahren hat meine Familie unglaubliches Leid erfahren bei dem Gedanken an die Leben, die nicht mehr gelebt werden konnten“, sagte er. Danach sang Musiker Bruce Springsteen sein Lied „I’ll See You In My Dreams“. Eine Rede Bidens war nicht vorgesehen. Der US-Präsident besucht im Lauf des Tages alle Anschlagsorte.
Die nationale Einheit sei die größte Stärke der Vereinigten Staaten, hatte Biden anlässlich des Gedenkens bereits im Vorfeld per Videobotschaft gesagt. In den Tagen nach den Anschlägen sei heldenhaftes Handeln, Widerstandskraft und „ein wahres Gefühl der nationalen Einheit“ demonstriert worden. Biden würdigte die bei den Anschlägen Getöteten und Verletzten sowie die Feuerwehrleute, Krankenschwestern und vielen anderen Helfer, die bei Rettungseinsätzen ihr Leben riskiert und zum Teil auch verloren haben.
Der US-Präsident verwies zudem auf die „dunkleren Kräfte der menschlichen Natur – Angst und Wut, Ressentiments und Gewalt gegen muslimische Amerikaner, gegen wahre und treue Anhänger einer friedlichen Religion“. Das habe die amerikanische Einheit gebeugt, aber nicht gebrochen. „Für mich ist dies die zentrale Lektion des 11. September, dass dann, wenn wir am verletzlichsten sind, (…) im Kampf für die Seele Amerikas, die Einheit unsere größte Stärke ist.“
„Es ist schwer. Ob im ersten oder im 20. Jahr“
Biden unterstrich: „Es ist so schwer. Ob im ersten oder im 20. Jahr.“ Kinder seien ohne Eltern aufgewachsen, Eltern hätten ihre Kinder verloren und gelitten. In den Tagen nach den Anschlägen hätten viele Menschen großen Heldenmut bewiesen, sagte der Präsident. „Wir haben auch etwas gesehen, das es viel zu selten gibt: wahrhaftige nationale Einheit.“
So wie Biden sprach auch Ex-Präsident Obama den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und gedachte der damaligen Einsatzkräfte und des US-Militärs. Der Mut des Militärs in den vergangenen 20 Jahren habe auch geholfen, Bin Laden zur Strecke zu bringen. Obama war Präsident, als eine Spezialeinheit des Militärs den damaligen Al-Kaida-Chef in Pakistan tötete.
Trump reitet Attacke gegen Biden
In einer Videobotschaft meldete sich zum 20. Jahrestag auch Obamas Nachfolger und Bidens Vorgänger Donald Trump zu Wort. In dieser bezeichnete Trump den 11. September 2001 zunächst als „sehr traurigen Tag“ und würdigte den Einsatz der Rettungskräfte bei den Anschlägen. Dann ging er direkt zur Kritik an Biden über. „Es ist auch eine traurige Zeit wegen der Art und Weise, wie vergangene Woche unser Krieg gegen jene endete, die unserem Land so viel Schaden zugefügt haben.“ Er bezog sich damit auf den vielfach kritisierten, chaotischen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan.
TVThek-Hinweis
Das „Weltjournal“ zeigt die bewegende Geschichte von fünf Überlebenden: „Es war einfach eine Reihe von Entscheidungen, die sich als richtig erwiesen haben, weshalb ich überlebt habe“, erzählt der französische Geschäftsmann Bruno Dellinger- mehr dazu in tvthek.ORF.at.
Biden und seine „unfähige“ Regierung hätten in Afghanistan kapituliert. „Wir werden Schwierigkeiten haben, uns von der Peinlichkeit zu erholen, die diese Inkompetenz verursacht hat“, sagte Trump in Anspielung an den noch unter seiner Amtszeit mit den Taliban vereinbarten, von Biden dann umgesetzten US-Truppenabzug aus Afghanistan. Anders als die Ex-Präsidenten Obama, Clinton und Bush stand Trump am Samstag bei keiner offiziellen Gedenkzeremonie auf der Teilnehmerliste – vielmehr wollte Trump am Abend für einen Streamingsender einen Boxkampf kommentieren.
„Gedenktag ist eine Mahnung“
„Heute gedenken wir eines dunklen Tages, der sich in die Köpfe von Millionen Menschen weltweit eingebrannt hat“, erklärte unterdessen UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Der britische Premier Boris Johnson sagte, die Anschläge hätten ihr Ziel nicht erfüllt, den Glauben an Freiheit und Demokratie zu untergraben.
„Am 11. September gedenken wir derer, die ihre Leben verloren haben, und würdigen die, die alles riskiert haben, um ihnen zu helfen“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. Die Europäische Union stehe an der Seite der Vereinigten Staaten, um Freiheit und Mitgefühl gegen Hass zu verteidigen, so von der Leyen. EU-Ratspräsident Charles Michel versicherte ebenfalls die Solidarität der EU. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte die Ereignisse vom 11. September einen „Wendepunkt in der Geschichte“. Die EU selbst führe heute noch fünf Einsätze mit dem Mandat, den Terrorismus zu bekämpfen.
„Der heutige Gedenktag ist eine Mahnung, dass wir weltweit entschlossen gegen Terror und Krieg ankämpfen müssen“, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen: "Wir werden uns und unsere Werte schützen und verteidigen. Gerade in Europa sollten wir daher das Miteinander suchen und klar und entschlossen unsere offene Gesellschaft, unsere Demokratie und die Menschenrechte verteidigen. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erinnerte via Twitter an den 20. Jahrestag von 9/11. Man müsse „weiterhin gemeinsam mit den USA entschieden gegen islamistischen Terror & gegen Radikalisierung ankämpfen!“, so Kurz, der wie Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) vor der immer noch vorhandenen Gefahr des Terrorismus warnte.
Hinweis
Der ORF berichtet in einem multimedialen Schwerpunkt über die Ereignisse am 11. September und deren Folgen – mehr dazu in tv.ORF.at.
Neues Lebenszeichen von al-Kaida-Chef Sawahiri
Im Netz zirkulierte zum 20. Jahrestag schließlich auch ein neues Video der hinter den 9/11-Anschlägen stehenden Terrororganisation al-Kaida. In dem am Samstag verbreiteten ruft al-Kaida-Anführer Ayman al-Zawahri seine Anhänger dazu auf, die Staaten im Westen und ihre Verbündeten im Nahen Osten zu bekämpfen. Das rund 60 Minuten lange Video zeigt die erste Ansprache Sawahiris, seitdem es Ende 2020 Gerüchte über seinen Tod gegeben hatte.
Analysten sehen in der neuen Aufnahme Hinweise, dass al-Sawahiri zumindest noch zu Beginn dieses Jahres am Leben war. So erwähne er einen Angriff auf das russische Militär im Nordwesten Syriens am 1. Jänner, twitterte die Direktorin der auf Propaganda von Extremisten spezialisierten Site Intelligence Group, Rita Katz.
Nachfolger von Bin Laden
Auch auf den Abzug des US-Militärs aus Afghanistan geht Sawahiri ein. Die USA verließen das Land nach 20 Jahren Krieg „gebrochen und geschlagen“, erklärt er. Kein Wort sagt er hingegen zum dortigen Vormarsch der militant-islamistischen Taliban, die mit al-Kaida verbündet sind. Die Anschläge vom 11. September seien „eine Verletzung“, wie sie die USA niemals erlebt hätten, sagt Sawahiri.
Der Ägypter ist Nachfolger von Osama bin Laden, der als Kopf der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA galt. Bin Laden wurde 2011 in Pakistan von einer US-Spezialeinheit getötet. Die USA haben auf Sawahiri ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar (rund 21 Mio. Euro) ausgesetzt. Fachleute gingen immer davon aus, dass er sich im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan versteckt.