Ein U-Boot der US-Navy in See
AP/U.S. Navy/Indra Beaufort
U-Boot-Krise

Paris sieht Zukunft der NATO belastet

Der Brüskierung Frankreichs durch die USA, Großbritannien und Australien in dem strategischen U-Boot-Deal belastet nun auch das westliche Militärbündnis NATO zusehends. Paris jedenfalls betont, es sehe die Zukunft der NATO durch die Kehrtwende Canberras beim milliardenschweren Ankauf von U-Booten belastet.

Eigentlich sollte Australien – darauf einigte man sich im Jahr 2016 – französische U-Boote kaufen. Doch am Donnerstag machte die Regierung in Canberra bekannt, im Rahmen einer neuen Indopazifik-Sicherheitsallianz mit den USA und Großbritannien U-Boote mit Atomantrieb beschaffen zu wollen. Paris zeigte sich daraufhin überrascht und bestritt, im Vorhinein von der Entscheidung informiert worden zu sein.

Der Streit um den geplatzten U-Boot-Deal zwischen Frankreich und Australien belastet nach den Worten des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian die Zukunft der NATO. Der Vorfall habe Auswirkungen auf die Festlegung des neuen strategischen Konzepts der Verteidigungsallianz, sagte Le Drian am Samstag dem Sender France 2. Den Verbündeten Frankreichs warf er „Lüge“ und „Doppelzüngigkeit“ sowie einen schweren Vertrauensbruch vor, sie hätten eine „ernste Krise“ ausgelöst.

Tiefschlag für Macron

Das westliche Dreierbündnis, das Frankreich und damit indirekt auch die EU, in seinen Pazifikplänen außen vor lässt und sich offenbar nicht einmal bemüßigt fühlte, vorzeitig darüber zu informieren, ist ein schwerer Affront. Es zeigt zugleich, wie wenig Gewicht oder Vertrauen Paris und Brüssel von den drei Ländern gerade in der geostrategischen Auseinandersetzung mit China beigemessen wird.

Innenpolitisch kommt es freilich vor allem für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Er stellt sich im nächsten Jahr der Wiederwahl – und er hat eben den größten Militärdeal in der französischen Geschichte auf demütigende Weise verloren. In den USA könnten die oppositonellen Republikaner Präsident Joe Biden nur kurz nach dem chaotischen und tödlichen Abzug aus Afghanistan außenpolitisch erneut als schlechten Manager hinstellen.

Analyse von Thomas Langpaus und Cornelia Primosch

Paris ruft Botschafter zurück

Am Freitagabend hatte Frankreich in einem außergewöhnlichen diplomatischen Schritt zwischen Verbündeten seine Botschafter aus Washington und Canberra zu Konsultationen zurückgerufen. Die USA, Großbritannien und Australien hatten zuvor die Gründung eines neuen Sicherheitsbündnisses für den Indopazifik verkündet, woraufhin Australien ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit Frankreich platzen ließ. Stattdessen will Australien US-Atom-U-Boote anschaffen.

Vor den Äußerungen Le Drians hatte der Chef des NATO-Militärausschusses, Rob Bauer am Samstag in Athen gesagt, er erwarte keine Auswirkungen des Streits um den geplatzten U-Boot-Deal auf die militärische Zusammenarbeit im Rahmen der NATO. Es ist das erste Mal in der Geschichte der US-französischen Beziehungen, dass Paris seinen Botschafter aus Washington zurückruft.

„Großer Fehler“

Der französische Botschafter in Australien, Jean-Pierre Thebault, bezeichnete die Stornierung des U-Boot-Vertrags am Samstag als „großen Fehler“. „Das war ein sehr, sehr schlechter Umgang mit der Partnerschaft“, sagte Thebault und erklärte, dass das Rüstungsabkommen zwischen Paris und Canberra „auf Vertrauen, gegenseitigem Verständnis und Aufrichtigkeit“ basieren sollte.

„Wurden nie informiert“

„Ich würde gerne in eine Zeitmaschine steigen und mich in eine Situation begeben, in der wir nicht in einer so unglaublichen, ungeschickten, unangemessenen und unaustralischen Situation landen“, fügte der französische Botschafter hinzu. Er habe – wie auch seine Kollegen – aus der australischen Presse über die Stornierung des Vertrags erfahren. „Wir wurden nie informiert“, sagte er. Dem widerspricht die australische Regierung vehement.

Der französische Botschafter in Australien, Jean-Pierre Thebault, mit Koffer am Flughafen Sydney
AP/David Gray
Frankreichs Botschafter zeigte sich über Australiens Vorgehensweise verärgert

Australiens Regierungschef Scott Morrison behauptet, er habe Macron gegenüber schon im Juni bei einem Abendessen in Paris sehr deutlich gemacht, dass Australien seine Haltung geändert habe. Damals habe er darauf hingewiesen, dass sich sein Land mit einem „neuen strategischen Umfeld“ konfrontiert sehe und daher erhebliche Bedenken habe, was die Möglichkeiten konventioneller U-Boote angehe, sagte Morrison. Der Regierungschef sprach von einer Entscheidung, die im nationalen Interesse Australiens sei.

Das Büro der australischen Außenministerin Marise Payne bedauerte am Samstag, dass Frankreich seinen Botschafter abzieht. Man verstehe die „tiefe Enttäuschung Frankreichs über unsere Entscheidung, die im Einklang mit unseren klaren und kommunizierten nationalen Sicherheitsinteressen getroffen wurde“, hieß es darin. Die Ministerin fügte hinzu, dass Australien seine Beziehungen zu Frankreich schätze und sich auf künftige gemeinsame Engagements freue.

Australien will mehr US-Soldaten im Land

Nach der wütenden Reaktion aus Paris bemühte sich auch der amerikanische Außenminister Antony Blinken offensichtlich darum, die Wogen zu glätten. „Wir arbeiten unglaublich eng mit Frankreich bei vielen gemeinsamen Prioritäten im Indopazifik, aber auch darüber hinaus weltweit zusammen. Wir werden das auch weiterhin tun. Wir legen fundamentalen Wert auf diese Beziehung, auf diese Partnerschaft“, sagte Blinken am Donnerstag in Washington.

Australiens Regierungschef Scott Morrison
APA/AFP/Tolga Akmen
Der australische Premier Morrison geht gegen die Kritiker des Paktes in die Offensive

Der australische Verteidigungsminister Peter Dutton sagte am Donnerstag in Washington, der Pakt werde die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften beider Staaten „erheblich verstärken“. Unter anderem könnten die USA künftig Logistikstützpunkte in Australien unterhalten. Sein Wunsch sei es, dass sich die US-Militärpräsenz in seinem Land erhöhe, sagte Dutton.

Pentagon-Chef Lloyd Austin bestätigte nach dem Treffen mit seinem australischen Kollegen, dass die USA ihre Präsenz in Australien ausbauen werden. Derzeit ist das US-Militär im nordaustralischen Darwin mit mehreren hundert Soldaten im Rotationsverfahren vertreten.

Canberra weist Peking in die Schranken

In China hatte die Ankündigung des Indopazifik-Paktes empörte Reaktionen ausgelöst. Der Pakt sei „extrem unverantwortlich“ und untergrabe „den regionalen Frieden und die Stabilität“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. Der Westen müsse sein „überholtes Nullsummenspiel aus dem Kalten Krieg aufgeben“. Der Pakt fördere das Wettrüsten.

Australien wies am Freitag auch die Kritik Chinas zurück. Peking habe sein eigenes „sehr substanzielles Programm zum Bau von Atom-U-Booten“, sagte Morrison am Freitag in dem Radiointerview weiter. „Sie haben jedes Recht, Entscheidungen im nationalen Interesse für ihre Verteidigungsvorkehrungen zu treffen, und das gilt natürlich auch für Australien und alle anderen Länder.“

China will in transpazifisches Freihandelsabkommen

China beantragte unterdessen die Aufnahme in die Transpazifische Partnerschaft (CPTPP). Japan, das dieses Jahr den CPTPP-Vorsitz innehat, kündigte an, mit den anderen Mitgliedsstaaten über den Antrag zu beraten. Es sei nötig festzustellen, ob China bereit sei, die extrem hohen Standards des CPTPP zu erfüllen, sagte der japanische Wirtschaftsminister Yasutoshi Nishimura am Freitag.

Einen Zeitplan für die Beratungen nannte er nicht. Das 2018 in Kraft getretene CPTPP wurde bisher von elf Staaten unterzeichnet, darunter Kanada, Mexiko, Australien und Neuseeland. Der Vorläufer war das TPP-Abkommen, das aber scheiterte, nachdem sich die USA 2017 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump zurückgezogen hatten. TPP galt als wichtiges wirtschaftliches Gegengewicht zu Chinas wachsendem regionalem Einfluss.

Für die Volksrepublik wäre eine Aufnahme in CPTPP ein großer Schub, nachdem es vergangenes Jahr mit 14 weiteren Ländern bereits das RCEP-Abkommen unterzeichnet hatte, eine der größten Freihandelszonen der Welt. Großbritannien führt seit Juni Verhandlungen zur Aufnahme in CPTPP. Die USA gehören derzeit weder CPTPP noch RCEP an, bemühen sich aber ebenfalls um engere Beziehungen zu den Ländern im Pazifikraum.