Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
Nach Kurz-Rücktritt

Schallenberg trifft Kogler und Van der Bellen

Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz (ÖVP) als Bundeskanzler sind die Spitzen der Innenpolitik auch am Sonntag nicht zur Ruhe gekommen. Der designierte neue Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) traf am Sonntagvormittag Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler, auch ein Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen fand statt. Schallenberg wollte sich am Sonntag nicht äußern, sagte dann aber doch einige Worte.

Auf seinem Fußweg zu einem Gespräch mit Van der Bellen sprach er gegenüber Medien von einer „enorm herausfordernden Aufgabe und Zeit“. Sein Aufstieg sei jedenfalls eine „Überraschung für uns alle“. Näheres will er erst nach seiner Angelobung sagen. Er sagte, man zeige ein „unglaublich hohes Maß an Verantwortung für dieses Land“. Schallenberg absolvierte am Sonntag mehrere Gespräche, zu klären waren einige entscheidende Fragen.

Kogler kommentierte das Treffen vor seinem eigenen Gespräch mit Van der Bellen ebenfalls knapp: Man habe sich „für eine gute Stunde“ getroffen und ein gutes, vertrauensvolles und vertiefendes Gespräch geführt. Kogler betonte, es gehe um ein „neues Kapitel in der Regierungsarbeit“.

Schallenberg trifft Van der Bellen

Der designierte Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) trifft den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, unter anderem um Details zur Angelobung zu besprechen.

Offen ist etwa derzeit noch, wann Schallenbergs Angelobung stattfinden wird. Möglich ist, dass das bereits am Montag sein wird. Formal muss zunächst Kurz seinen Rücktritt bei Van der Bellen einreichen, dann kann der Bundespräsident den neuen Kanzler angeloben. Kurz wird am Sonntag nicht in der Hofburg erwartet, denn seinen Rücktritt kann er auch schriftlich deponieren. Der Präsident selbst dürfte sich am Abend äußern.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)
APA/Georg Hochmuth
Nach Schallenberg hatte auch Kogler einen Termin beim Bundespräsidenten

Gerüchteküche zu Außenministeramt

Weiters ist offen, ob Schallenberg Außenminister bleiben wird bzw. wer das Amt übernehmen könnte. Spekulationen gab es freilich bereits: Dass Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) – sie ist derzeit für Europapolitik und Verfassung zuständig – das Außenministerium übernimmt, galt in ÖVP-Kreisen laut APA als eher unwahrscheinliche Variante. Stattdessen könnte ein Spitzendiplomat einspringen.

An der Gerüchtebörse wird etwa der Generalsekretär im Außenministerium, Peter Launsky-Tieffenthal, gehandelt, der zwischenzeitlich unter Türkis-Blau auch als „Regierungssprecher“ fungiert hatte. Aus dessen Büro hieß es zur APA, man wisse noch nichts Konkretes zur Zukunft des Ressorts. Außerdem fällt der Name seines Vorvorgängers Michael Linhart, er ist aktueller Botschafter in Paris, und auch jener des aktuellen EU-Botschafters Österreichs, Nikolaus Marschik.

Kurz will Parteichef und Klubobmann bleiben

Kurz war am Samstag angesichts des Drucks in der Inseratenaffäre zurückgetreten und hatte Schallenberg als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Parteichef will er bleiben, außerdem wechselt er als Klubobmann in den Nationalrat. Er weist die Vorwürfe zurück. Mit der Rochade war die türkis-grüne Koalition fürs Erste gerettet.

Kogler hatte zuvor die bisher sehr konstruktive Zusammenarbeit mit Schallenberg hervorgehoben, der als enger Kurz-Vertrauter gilt, der aber mit der die Schlagzeilen dominierenden Inseratenaffäre nach jetzigem Wissensstand nichts zu tun hat.

Maurer: Kurz als Kanzler nicht denkbar

Unklar ist aber, wie es um das Vertrauensverhältnis der Regierungspartner nach den Zerwürfnissen der vergangenen Tage bestellt ist. Zudem bleibt Kurz als künftiger Klubchef der ÖVP ein gewichtiger Machtfaktor in der Koalition. Er will das Amt vom bisherigen Klubobmann August Wöginger übernehmen, der aber weiter das Alltagsgeschäft bestreiten soll. Das heißt, Wöginger wird etwa für die Fraktion am Ministerrat und den Präsidialkonferenzen teilnehmen.

Aufhorchen hinsichtlich Kurz’ künftiger Rolle ließ dazu am Sonntag Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer: Sie geht nicht davon aus, dass Kurz nach seinem Rücktritt als Kanzler noch einmal an die Spitze der Regierung zurückkehrt. In der ORF-Sendung „Hohes Haus“ sagte Maurer heute, sie könne „ausschließen“, dass Kurz in dieser Legislaturperiode wieder Kanzler werde. „Ziel“ sei es jedenfalls, dass die ÖVP-Grünen-Koalition mit Schallenberg bis zum Ende der Legislaturperiode hält.

Frage nach Einfluss der Landeshauptleute

Noch am Vortag hatte die ÖVP erklärt, man werde nur mit Kanzler Kurz in der Koalition bleiben. Was zum Umdenken geführt hat und wie sehr eventuell die mächtigen ÖVP-Landeshauptleute auf diese Entscheidung gedrängt haben, ließ sich zuletzt nur erahnen. Laut einem Bericht des „Standard“ kursieren zwei Varianten – einer zufolge habe Kurz die umgesetzte Strategie selbst entwickelt, einer anderen zufolge sollen die Landeshauptleute Druck gemacht und Schallenberg als Nachfolger vorgeschlagen haben.

Kanzlerrochade: Ein Rückblick

Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Samstag seinen Rückzug aus dem Kanzleramt angekündigt. Der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) soll ihm folgen. Hier ein Rückblick der Ereignisse der vergangenen Tage.

Unklar blieb auch, wie lange der Wechsel an der Regierungsspitze andauern soll: In seiner Rede sprach Kurz zwar nicht an, dass sein Wechsel in den Parlamentsklub temporär sein soll, das stellte aber Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) auf dem Kurznachrichtendienst Twitter in den Raum. Kurz wechsle „bis zur Klärung der erhobenen Vorwürfe als Klubobmann in den Nationalrat“. Sie sei sich sicher, dass er „alle Vorwürfe entkräften“ könne und „bald als Bundeskanzler ins Amt zurückkehren wird“.

Vorwürfe erneut zurückgewiesen

Als Schuldeingeständnis gilt der Schritt von Kurz keineswegs. Ganz im Gegenteil kündigte er an, vom Parlament aus seine Unschuld beweisen zu wollen. Daher wird er nach ÖVP-Angaben auch selbst die Aufhebung seiner Immunität beantragen, um weitere Ermittlungen zu ermöglichen. Die Opposition kündigte unterdessen an, die Vorwürfe zum Thema eines U-Ausschusses im Parlament zu machen.

Demonstration vor dem Bundeskanzleramt
APA/Georg Hochmuth
Auf dem Ballhausplatz hatten sich am Samstagabend nach dem Rücktritt Menschen versammelt

Kurz will Vorwürfe aufklären

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht gegen Kurz und neun weitere Personen, teils aus seinem engsten Umfeld, wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit vor. Die Vorwürfe seien „falsch, und ich werde das auch aufklären können“, sagte Kurz. Einmal mehr verlangte er auch, dass die Unschuldsvermutung für alle im Land gelten müsse.

Grafik zu den Vorwürfen in der ÖVP-Affäre
Grafik: ORF.at

Die bekanntgewordenen unappetitlichen SMS verteidigte Kurz damit, dass er sie „teilweise in der Hitze des Gefechts geschrieben“ habe, manche würde er so nicht mehr schreiben. „Aber ich bin eben auch nur ein Mensch mit Emotionen und Fehlern.“

Kurz sprach in seiner Erklärung, bei der keine Fragen zugelassen waren, dennoch von Unterstützung „aus allen Bundesländern“, Teilorganisationen der ÖVP und aus der Bevölkerung. Dennoch befinde man sich derzeit in einer „Zuspitzung“ zwischen den beiden Koalitionspartnern und „damit in einer Pattsituation“.

Kogler betont Budget und Steuerreform

Kogler trat rund eineinhalb Stunden nach Kurz vor die Presse, hatte aber schon zuvor per Aussendung sein Einverständnis mit der Rochade signalisiert: „Es ist die Variante gewählt worden, die wir dem Regierungspartner ÖVP vorgeschlagen haben“, sagte Kogler. „Dies bedeutet, dass wir die Regierungsarbeit fortsetzen können.“ Mit der Fortsetzung der Koalition könnten nun ein Budget verabschiedet und die Steuerreform weiterverfolgt werden. Das Budget soll im Zentrum einer Nationalratssondersitzung am Mittwoch und Donnerstag stehen.

Lob von ÖVP-Granden, Kritik der Opposition

Die Landeschefs der Volkspartei zollten Kurz Respekt für dessen „Schritt zur Seite“ – mehr dazu in oesterreich.ORF.at. Kritisch zeigte sich die Opposition, die unter Schallenberg eine Fortsetzung des „Systems Kurz“ erwartet.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erinnerte daran, dass sich der vermutlich neue Kanzler als „türkiser Überzeugungstäter“ geschildert habe. Kurz würde nun als „Schattenkanzler“ im Hintergrund weiter die Fäden ziehen. NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger meinte in Richtung Kurz: „Als Klubobmann hält er weiter alle Fäden der Macht in seiner Hand.“ FPÖ-Chef Kickl urteilte: „Kurz mag als Kanzler weg sein – aber das türkise System ist nach wie vor voll da.“