Bundeskanzleramt
ORF.at/Roland Winkler
Bund und Länder

Gipfel zu verschärfter Pandemielage

Angesichts rasch steigender CoV-Zahlen beraten die Bundesregierung und die Landeshauptleute derzeit in einer Videokonferenz über die aktuelle Lage und mögliche Maßnahmen, auch in Bezug auf die Impfungen. Rund 62 Prozent der Gesamtbevölkerung sind vollständig geimpft, jüngsten Zahlen zufolge ist der Pool der Impfbereiten ausgeschöpft. Zwei neue Stufen sollen offenbar kommen.

Am späten Abend ist eine Stellungnahme von Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) geplant. Geplant ist offenbar die Einführung von zwei neuen Stufen. Bei 25-prozentiger Auslastung der Intensivbetten soll „2-G“ für Gastronomie, Hotellerie, Veranstaltungen sowie Krankenhaus- und Pflegebesuche eingeführt werden. Ab Stufe 5, die bei 30-prozentiger Auslastung kommen soll, soll es einen Lockdown für Ungeimpfte geben.

Wie genau dieser aussehen soll, ist unklar. Allerdings ist bei der 30-prozentiger Auslastung, die 600 Betten entspricht, ohnehin schon eine eher dramatische Situation eingetreten. Denn spätestens ab 33 Prozent wird es an den Intensivstationen endgültig kritisch.

Minister Wolfgang Mückstein (Grüne), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP)
APA/Michael Gruber
Die Regierungsspitze vor Beginn der Videokonferenz mit den Landeshauptleuten

Derzeit noch Stufe 1

Derzeit befindet sich das Land auf Stufe 1 mit 224 belegten Intensivbetten, Stufe 2 kommt bei 300 belegten Betten zu tragen. Dann gilt in der Nachtgastronomie (und „ähnlichen Settings“) sowie bei Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze mit mehr als 500 Personen eine „2-G-Regel“, d. h. nur mehr Geimpfte oder Genesene haben Zutritt. Das ist in Wien schon jetzt so.

Stufe 3 ab 400 Betten bringt mit sich, dass der Antigen-Test gänzlich seine Gültigkeit verliert. Zutritt in „3-G“-pflichtigen Settings hätten damit nur mehr Geimpfte, Genesene oder Personen mit aktuellem PCR-Test.

Schallenberg: „Stolpern ohne Not“

Schallenberg hatte am Rande des EU-Gipfels in Brüssel am Donnerstag bereits gesagt, dass die Impfrate gesteigert werden müsse. „Wir haben genug Impfstoffe und stolpern in eine Pandemie ohne Not – der Ungeimpften, der Zauderer und Zögerer.“

Für Ungeimpfte werde es in den kommenden Monaten schwierig werden, wiederholte der Kanzler seinen Impfaufruf. Schallenberg sagte am Freitag, er wolle dem Gipfel nicht vorgreifen, aber es sei „notwendig, dass wir hier Maßnahmen in die Zukunft gerichtet ergreifen – und zwar jetzt, weil die Entwicklung der letzten Wochen Grund zur Sorge gibt“.

Es sei wichtig, gemeinsam die weitere Vorgangsweise rechtzeitig und transparent klarzustellen, hieß es vor dem Treffen in einem schriftlichen Statement Mücksteins. Die Bundesländer seien wichtige Partner. Auch Mückstein verwies darauf, dass die Durchimpfungsrate erhöht werden müsse, „um gut und sicher durch den Herbst und Winter zu kommen“. Wichtige Grundlage seien der gemeinsam akkordierte Stufenplan und die darin verankerten Maßnahmen.

Am Freitag wurden vom Gesundheits- und Innenministerium 3.582 neu registrierte Coronavirus-Fälle innerhalb der letzten 24 Stunden gemeldet (Stand: 9.30 Uhr). Die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in den abgelaufenen sieben Tagen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, liegt laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) bei 228,5 (Stand: 14.00 Uhr). Am höchsten ist die Zahl in Salzburg (348,1) und Oberösterreich (331,4). Am niedrigsten ist der Wert in Vorarlberg (131,3) und dem Burgenland (135,8).

Platter will Verschärfungen für Ungeimpfte

Die Bundesländer haben das gemeinsame Ziel, weitere Lockdowns zu verhindern, mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), aktuell Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, sagte der „Tiroler Tageszeitung“ (Freitag-Ausgabe), er poche auf eine Verschärfung der Maßnahmen für Ungeimpfte. Großflächige Beschränkungen schloss er aus. Außerdem müsse man eine Ausweitung des derzeit geltenden Dreistufenplans für die Maßnahmen besprechen: „Wir müssen auch über eine Stufe vier und fünf reden.“

Eine genaue Analyse der bundesweiten Lage und ein konstruktives Gespräch für den weiteren gemeinsamen Fahrplan erwartet sich Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der „vor allem die Auslastung auf den Intensivstationen beobachten“ will. Oberstes Ziel müsse immer die Verhinderung von Lockdowns und Schließungen von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sein. Das Regierungsprogramm der neu aufgelegten Koalition mit der FPÖ in Oberösterreich sieht mehr „Information rund um die Impfung“ vor, um die Impfquote zu erhöhen – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Auch der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sagte, er wolle alles tun, um einen Lockdown zu verhindern, und drängte zum Impfen. Er sei zudem für weitere bundeseinheitliche Maßnahmen wie die Einführung der „2-G-Regel“ für die Nachtgastronomie und Veranstaltungen. Die Impfkoordinatoren des Landes wünschen sich unterdessen weitere Maßnahmen seitens des Bundes, um die Impfquote zu heben – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Salzburg setzt auf PCR- statt Antigen-Tests

Verschärft werden die Regeln in Salzburg, wo Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) demnächst keine Antigen-Tests, sondern nur noch PCR-Tests anerkennen will. Die Frage sei, ob andere Bundesländer ähnlich reagieren, da die Ausgangslage nicht überall gleich sei, so ein Sprecher. Ab kommender Woche gibt es auch in Salzburg kostenlose PCR-Gurgeltests für zu Hause – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Wenig Neues erwartet man in Vorarlberg, Verschärfungen, wenn überhaupt nur für Ungeimpfte. Je nach Lage sollen weiterhin regionale Unterschiede bleiben.

In Niederösterreich hielt man sich bedeckt. Aus dem Büro von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hieß es, dass man den Gesprächen „jedenfalls noch nicht vorgreifen“ wolle. Landeshauptmann-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) sagte, wichtigstes Ziel sei es, Lockdowns und überfüllte Intensivstationen zu verhindern. Er verwies auf eine Impfquote von 77 Prozent: „Wer geimpft ist, darf nicht der Dumme sein.“

Ab Samstag gibt es aufgrund der hohen Infektionszahlen in den Bezirken Melk und Scheibbs Ausreisekontrollen. Ausschlaggebend dafür ist mittlerweile auch die Impfquote – mehr dazu in noe.ORF.at.

Wien hat schärfere Maßnahmen bereits verlängert

Wien verwies auf die Verlängerung der ohnedies strikteren Maßnahmen in der Bundeshauptstadt, berichtete das Ö1-Mittagsjournal – mehr dazu in wien.ORF.at. Aus dem Burgenland hieß es, man sei klar gegen eine Impfpflicht, und verwies auf positive Anreize wie die Impflotterie. Landeshauptmann Peter Doskozil (SPÖ) warb in einem Video für das Impfen – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ortete angesichts stagnierender Impfzahlen Handlungsbedarf, denn die Fallzahlen würden „exorbitant“ steigen. Er sprach sich auch dafür aus, in dieser Situation österreichweit gemeinsame Vorgaben zu machen, anstatt regional unterschiedlich zu agieren.

Impfbereitschaft schon ausgereizt

Schon seit geraumer Zeit ist der Fortschritt bei der CoV-Impfung in Österreich schleppend. Rund 62 Prozent der Gesamtbevölkerung sind vollständig immunisiert, 65,32 Prozent sind zumindest teilimmunisiert. Aktuellen Daten des Austrian Corona Panel Project (ACPP) zufolge ist der Pool der Impfbereiten bereits „so gut wie vollständig ausgeschöpft, nur Zögerliche bzw. Unentschlossene und Nichtimpfbereite verbleiben“. Befragt wurden dazu von der Universität Wien seit Pandemiebeginn dieselben 1.500 Personen.

Mit der Verfügbarkeit der Impfstoffe nahm die Impfbereitschaft und die Zahl der Geimpften zu, allerdings verlangsamte sich der Anstieg zuletzt. Im September waren laut den vorliegenden Daten rund 75 Prozent der Befragten geimpft (mindestens eine Dosis). Ein Prozent sei noch impfbereit gewesen, acht Prozent zögerlich oder unentschlossen und 17 Prozent nicht impfbereit.

Studie empfiehlt klare Botschaften an Zögerliche

In einer Onlineumfrage versuchte die MedUni Wien auch herauszufinden, wie man Skeptiker von einer Impfung überzeugen könnte. Der Wunsch nach „Normalität“ und Empfehlungen von Ärzten und Ärztinnen könne motivierend wirken, Regeländerungen wie „2-G“ statt „3-G“ wurden schlechter bewertet als die Beibehaltung der aktuell gültigen Regeln. Zudem wurde sichtbar, dass es einen Unterschied macht, wie über Impfstoffe berichtet wird.

Laut Studienautorinnen und -autoren ist es besonders wichtig, „dass aktuelle und zukünftige Impfkampagnen vor allem die noch Zögerlichen unter den Ungeimpften mit klaren Botschaften und auf unterschiedlichsten Kanälen erreichen“, da bei den bisher Ungeimpften die Meinungen vermutlich bereits stark verfestigt seien.