Hinweiszeichen für Notfälle im Salzburger Universitätsklinikum
APA/Barbara Gindl
Ruf nach Lockdown

Platter lädt Mückstein zu Beratungen ein

Während Fachleute deutlich härtere Maßnahmen gegen die Pandemie fordern, gehen die Gespräche der heimischen Politik auf unterschiedlichen Ebenen weiter. Auch bei der Landeshauptleutekonferenz in Tirol wird CoV am Freitag Thema sein – neben Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) ist auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eingeladen, wurde am Mittwoch bestätigt.

Es sei wichtig, auch mit der Regierung über die aktuelle Pandemielage zu beraten, so Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Er bestätigte am Mittwoch einen Bericht der „Tiroler Tageszeitung“. Mückstein sagte laut Informationen der APA zu. Platter erteilte in den vergangenen Tagen wie einige seiner Bundesländerkollegen wiederholt einem Lockdown für alle eine Absage. Man müsse erst abwarten, wie sich die schon ergriffenen Maßnahmen auswirken. Dabei betonte er, dass er sich für bundeseinheitliche Lösungen einsetze.

Im Pressefoyer nach dem Ministerrat verwies Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Mittwoch auf die Frage nach weiteren Maßnahmen ihrerseits auf das Treffen der Landeshauptleute und „laufende Gespräche“ mit dem Gesundheitsminister. Die Landeshauptleute hätten eine gewichtige Stimme, so Köstinger, mit ihnen allen gebe es ebenfalls laufende Gespräche. Bei dem Treffen wird es auch um die Refundierung der Kosten für die Pandemie gehen.

Man habe sich aber grundsätzlich mit den Landeshauptleuten darauf verständigt, dass es eine größtmögliche Freiheit für Geimpfte geben solle, sagte Köstinger weiter. Der Lockdown für Ungeimpfte sei bereits eine weitreichende Maßnahme. Die im Pressefoyer am Mittwoch ebenfalls anwesende Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sagte, mögliche Maßnahmen würden zunächst intern und auch mit den Landeshauptleuten abgesprochen – und gemeinsam zeitnah kommuniziert. Mückstein wollte der Presse nichts sagen.

Schallenberg gegen Vorstoß Mücksteins

Zwischen Mückstein und Schallenberg gab es zuletzt deutliche Uneinigkeit, ob angesichts der steigenden Fallzahlen weitere Maßnahmen notwendig sind. Mückstein hatte am Sonntag für nächtliche Ausgangsbeschränkungen auch für Geimpfte plädiert und eine Entscheidung über ein Maßnahmenpaket für Mittwoch gefordert. Schallenberg lehnte Maßnahmen für bereits Geimpfte postwendend ab und betonte, es werde am Mittwoch keine Gespräche geben.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Mückstein stößt mit der Forderung nach härteren Maßnahmen auf wenig Gegenliebe

Der Regierung sei bewusst, dass die Lage sehr ernst ist, so Zadic im Pressefoyer: „Wir wissen auch, dass die Mitarbeiter in den Krankenhäusern am Anschlag sind.“ Wie Köstinger war Zadic bemüht, die zuletzt öffentlich sichtbaren Konflikte in der Bundesregierung zu relativieren: Schallenberg und Mückstein hätten am Dienstag im Nationalrat „alles gesagt“ und auch „gemeinsam kommuniziert“.

Am Dienstag hieß es dann aus Mücksteins Büro, dass man am Mittwoch die Lage neu bewerten wolle. Diese internen „Expertengespräche“ im Gesundheitsressort finden am Nachmittag in verschiedenen Runden statt – sie sind nicht medienöffentlich, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. So wird etwa mit dem Krisenstab im Ministerium, Vertretern der AGES und der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), Intensivmedizinern und dem CoV-Prognosekonsortium beraten.

Bundesländer nicht von Ministerium eingeladen

Auch in den Bundesländern verwies man auf den Freitag: Ein Gespräch zwischen Mückstein und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) sei am Mittwoch nicht geplant, sagte ein Sprecher Haslauers. Ähnlich lautete die Auskunft aus dem Büro des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer (ÖVP): Man gehe davon aus, dass die Fragen am Freitag bei der Landeshauptleutekonferenz besprochen werden. Darüber hinaus plädierte man auch dort einmal mehr für bundeseinheitliche Vorgaben.

Auch in anderen Ländern war von Gesprächen am Mittwoch nichts bekannt, etwa seitens des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser (SPÖ). Er sah die Bundesregierung gefordert, nun „klare Vorgaben“ zu machen. Aus Oberösterreich kam vom Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) der Appell an Bund und Land, dass ein Lockdown und Distance-Learning nicht mehr vermeidbar seien. Sollten die strengeren Schutzmaßnahmen nicht greifen, seien „weitere Maßnahmen nicht auszuschließen“, hieß es von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Ludwig schließt Lockdown nicht aus

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), ebenfalls nicht ins Gesundheitsministerium geladen, erwartet sich von der Landeshauptleutekonferenz eine gemeinsame Linie – wobei seine eine sehr sichere und konsequente sei, bekräftigte er. „Dafür habe ich immer geworben und das werde ich auch am Freitag machen.“ In einer Aussendung bekräftigte Ludwig Mittwochnachmittag, auch härtere Maßnahmen wie einen weiteren Lockdown nicht auszuschließen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Wien wird Ende der Woche erneut eigene Verschärfungen in die Wege leiten. Unter anderem werden in der Nachtgastronomie und bei größeren Veranstaltungen auch geimpfte und genesene Personen einen PCR-Test-Nachweis (2-G-Plus) brauchen. Ihn ereile oft ein Anruf, „wenn es besonders brenzlig ist“, so Ludwig weiter. „In den Phasen, wo es eine Entspannung gegeben hat, haben sich die Mitglieder der Bundesregierung genügt.“

Experten klar für härtere Maßnahmen

Klar hinter Mücksteins Forderungen nach weiteren Verschärfungen stellte sich am Dienstag im „Report“ die oberste Gesundheitsbeamtin im Gesundheitsministerium, Katharina Reich. Sie pochte auf schärfere Maßnahmen auch für Geimpfte wie die Ausgangsbeschränkungen in der Nacht. „Ich glaube, dass wir das brauchen, tatsächlich.“ Man habe „keine Pandemie der Ungeimpften, sondern wir sind in einem Stadium angekommen, wo es uns alle betrifft“, plädierte sie für eine „Notbremse“.

Am Mittwoch gab es einen breiten Appell von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für schärfere Maßnahmen wie eben einen Lockdown für alle. „Es geht sich sonst nicht mehr aus“, sagte etwa Rainer Thell, leitender Oberarzt der Notfallaufnahme in der Klinik Wien-Donaustadt. „Es kann nicht sein, dass in Salzburg Menschen sterben, keine mutigen Entscheidungen getroffen werden, die auf der Hand liegen“, kritisierte er. „Wenn wir jetzt nicht solidarisch sind, wann dann?“ Die Welle der Infektionen werden sich sonst weiter fortsetzen.

15 Monate altes Kind auf Intensivstation

Auch der Leiter des Salzkammergut-Klinikums und Mitglied des oberösterreichischen Krisenstabs, Tilman Königswieser, äußerte sich ähnlich. Viele Menschen würden die Lage nicht ernst genug nehmen, es werde „wahrscheinlich bald starke Maßnahmen benötigen“. Er warnte davor, dass eine weitere Auslastung Behandlungen von Unfallopfern behindern könne.

Derzeit behandle das Salzkammergut Klinikum an seinen drei Standorten insgesamt 16 Intensivpatienten, schilderte Königswieser. Es seien etwa viermal so viele Ungeimpfte auf Intensivstationen wie Geimpfte. Bei Letzteren handle es sich vor allem um Patienten mit schweren Erkrankungen. Er verwies unter anderem auf den tragischen Fall eines 15 Monate alten Mädchens, das mittlerweile vom Salzkammergut-Klinikum ins Linzer Kepler-Uniklinikum verlegt worden ist. Das Kind liegt mit Covid-19 auf der Intensivstation. Es sei noch „kritisch krank, aber nicht mehr an der Herz-Lungen-Maschine“. Er rief zur Impfung auf und betonte, dass man so auch gefährdete Menschen wie Kranke und Kinder schütze.

„Kurzer, harter Lockdown“

Gleichlautend die Meinung des Mikrobiologen Michael Wagner von der Uni Wien. Ohne „kurzen, harten Lockdown, um die Zahlen massiv nach unten zu bringen“, werde es vermutlich nicht gehen, sagte er zur APA. Die Schulen könnte man nur mit einem „wirklich stringenten Schutzkonzept offen halten“. Virologe Andreas Bergthaler sprach sich in „Wien heute“ für weitreichende Maßnahmen und eine deutliche Kontaktreduktion aus. Österreich sei mittlerweile unter den drei Ländern mit den höchsten Inzidenzen weltweit – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ex-Hoteliersprecherin fordert allgemeinen Lockdown

Die ehemalige Hoteliersprecherin der Wirtschaftskammer, Petra Nocker-Schwarzenbacher, forderte einen sofortigen allgemeinen Lockdown, um noch Schlimmeres für das Gesundheitssystem und die Wirtschaft zu verhindern.

Selbst aus Salzburgs Politik kam der Ruf nach einem harten Lockdown. Für diese Maßnahme brauche es aber noch Überzeugung in der Salzburger Landesregierung, sagte Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn (Grüne).

Ähnliche Forderungen kamen aber auch aus der Wirtschaft, speziell aus dem Tourismus und der Gastronomie. Der ehemalige NEOS-Wirtschaftssprecher und Salzburger Gastronom Sepp Schellhorn sagte im Mittagsjournal, als Unternehmer wäre ihm ein starker Lockdown lieber, „damit wir Weihnachten halbwegs wieder aufsperren können“. Bis dahin brauche es einigermaßen sichere Verhältnisse. Für den Vizepräsident der Hoteliervereinigung, Walter Veit, ist ein Lockdown hingegen „der schlimmste Weg“.

Krebshilfe fordert Lockdown für alle: „Gefahr in Verzug“

Indes verlangt die Österreichische Krebshilfe wegen „Gefahr in Verzug“ sofortige Maßnahmen. Darunter ist auch die Forderung nach einem „Lockdown für geimpfte und ungeimpfte Menschen in ganz Österreich – zumindest in den Bundesländern Oberösterreich und Salzburg“, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung. Das sei nötig, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im intensivmedizinischen Bereich (Herz- und Krebsoperationen, Unfälle etc.) zu gewährleisten.

„Noch nie zuvor gab es in Österreich die Situation, dass Krebspatientinnen und -patienten fürchten mussten, nicht entsprechend medizinisch versorgt zu werden“, sagte Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda. „Wir erwarten von den politisch Verantwortlichen, dass sie zum Wohl der Bevölkerung endlich handeln und Parteiinteressen hintanstellen“, forderte der Mediziner.

Präsidentschaftskanzlei: Entscheidungen „faktenbasiert“ treffen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ sich unterdessen am Dienstag und Mittwoch von Experten und Expertinnen über die aktuelle CoV-Entwicklung informieren. Am Dienstag wurde dabei eine Impfoffensive für Geimpfte und Ungeimpfte, transparente Kommunikation über die Wirksamkeit der Impfung, dreimal pro Woche PCR-Tests an allen Schulen und eine umfassende FFP2-Maskenpflicht empfohlen, bestätigte die Präsidentschaftskanzlei einen Bericht der Tageszeitung „heute“.

In einem Videogespräch am Mittwoch mit Herwig Ostermann (GÖG), Peter Klimek (MedUni Wien), Arne Bathke (Uni Salzburg) und Niki Popper (TU Wien) ging es um die Herausforderung, faktenbasierte Voraussagen zu treffen angesichts oft unvollständiger Datenlage, hieß es aus der Präsidentschaftskanzlei.

Besprochen wurden auch die aktuelle Situation und die „gegenwärtig möglichen Handlungsoptionen“. Hervorgehoben wurde von den Experten die Notwendigkeit einer mittel- bis langfristigen Perspektive für die österreichische Bevölkerung. Einig sei man sich gewesen, dass politische Entscheidungen „faktenbasiert“ erfolgen sollen.