Thomas Schmid, Ex-Chef der OEBAG
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Schmid und Wolf

Neue belastende Chats in Steuercausa

In der Causa um einen mutmaßlichen Steuernachlass für MAN-Investor Siegfried Wolf mit Hilfe des damaligen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, sind neue belastende Chatnachrichten publik geworden. Dabei geht es um ein angebliches Treffen Wolfs mit der für seinen Steuerakt zuständigen Finanzbeamtin, aber auch um eine interne Nachricht Schmids im Finanzministerium. In dieser heißt es: „Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP-Kabinett!! Du bist die Hure für die (Original: dich) Reichen!“

Seit Montag ist bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen des Verdachts der Bestechung bzw. Bestechlichkeit gegen Schmid, Wolf und eine Finanzbeamtin ermittelt. Es steht der Verdacht im Raum, Schmid könnte als ehemaliger Generalsekretär im Finanzministerium Wolf einen großzügigen Nachlass von Steuerschulden ermöglicht haben. Eine Finanzbeamtin soll den Steuerschuldnachlass trotz anderslautender Empfehlung abgenickt haben. Dafür sei ihr ein besserer Posten in Aussicht gestellt worden.

Auslöser war, dass das Finanzministerium von Wolf eine Steuernachzahlung für die Jahre 2006 bis 2011 von 7,093 Millionen Euro plus Anspruchszinsen von 686.736,44 Euro gefordert hatte. Diese war aufgrund einer Reform des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz angefallen. Wie „profil“ berichtete, dürfte die Summe ursprünglich sogar bei elf Millionen Euro gelegen sein. Wolf habe dann laut der WKStA im Finanzministerium – damals unter Hansjörg Schelling (ÖVP) – lobbyiert, um die Nachzahlung zu senken.

Wolf habe sich dabei unter anderen an Schmid gewandt, dieser habe wiederum einen Mitarbeiter im Kabinett des Finanzministeriums in die Causa involviert. Dabei soll Schmid an den Mitarbeiter geschrieben haben: „Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP-Kabinett!! Du bist die Hure für die (Original: dich) Reichen!“ Die Antwort des Mitarbeiters: „Danke, dass wir das so offen besprechen können!“

„Einigung mit Sigi geschafft“

Am Tag der Schlussbesprechung zwischen den Finanzprüfern und Wolfs Steuerberatern habe Schmid an Schelling geschrieben: „Haben heute Einigung mit Sigi geschafft. 75:25. Er zahlt zwischen 7 und 8 Millionen. Muss noch genau berechnet werden. Er rief mich mehrmals an und wollte auf 6 runter. Ich finde, bei diesem Deal hat sich unsere Finanzverwaltung bewegt, und beide Seiten sollten zufrieden sein. Er hat heute 60er, teurer Geburtstag :) :).“

Investor Siegfried Wolf
APA/FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR
Investor Wolf war zuletzt wegen der Übernahme von MAN wieder öffentlich präsent

Doch dann habe Wolf versucht, auch die Anspruchszinsen über 690.000 Euro abzuwenden und sich erneut an Schmid gewandt, so die Medienberichte. Denn die Fachabteilung im Finanzministerium soll eine Steuernachsicht abgelehnt haben. Hier sei nun die Finanzbeamtin bei seinem Finanzamt in Wiener Neustadt ins Spiel gekommen.

Treffen bei Raststätte

Wiedergegeben wird hierzu ein Chat, in dem Wolf für den 4. Juni 2018 ein Treffen mit der Beamtin arrangiert haben soll. Am Abend des 4. Juni 2018 schrieb Wolf an die Finanzbeamtin: „Liebe … – ich hoffe es geht dir gut? Ich wuerde gerne wenn du in den naechsten Tagen Zeit hast und du ev im Fontana bist (Freitag?) mit dir einen Kaffee trinken.“ Die Beamtin antwortete am nächsten Tag gleich in der Früh: „Einen schönen guten Morgen, lieber Sigi, ich bin bis Freitag in Prüfungskommissionen. Die nachfolgenden Tage geht es besser. LG …“

Wolf schrieb retour: " … ev Samstag? Spaeter Vormittag? Ich komme von der Steiermark. Fontana oder in Wr Neustadt? Sigi". Die Antwort der Finanzamtsmitarbeiterin: „Können wir ad Termin telefonieren? Ich sitze bis 16 Uhr in Kommission.“ Wolf darauf: „Ok“. Am 9. Juni 2018 sei das Treffen dann fixiert worden. Wolf schrieb: „Liebe … – guten Morgen – 11.30 Raststätte Guntramsdorf? Passt dir das? Sigi“ Die Antwort der Beamtin: „Passt gut.“

Die WKStA hegt den Verdacht, dass Wolf bei jenem mutmaßlichen Treffen an der Autobahnraststation der Beamtin „Hilfe“ bei der Karriere versprochen habe, sofern sie für die positive Erledigung seines Steuerakts sorge. Die Beamtin habe das Angebot angenommen und zwar mit Blick auf eine Bewerbung für eine neue, von ihr angestrebte Stelle in einem anderen Finanzamt. Am selben Tag sollen sich Wolf und Schmid persönlich auf einer Veranstaltung namens „50 Jahre GAZPROM und OMV“ in der Hofburg besprochen haben. Ob es dabei um die Causa ging, sei derzeit unbekannt.

Steuerakt erledigt, Posten besetzt

Anschließend soll eine weitere Korrespondenz zwischen Wolf und Schmid stattgefunden haben: „Thomas, guten Morgen!! Ich habe mit der Dame geredet. Sie will Baden.“ Dabei sei es um den Chefposten des dortigen Finanzamtes gegangen. Nach dem Bewerberhearing dann wieder die Nachfrage des Multimillionärs: „Lieber Thomas – war das Hearing unserer Dame für Baden ok? Sigi“ Schmid antwortete daraufhin nur: „Klar.“

Noch im Juli und nach dem Hearing soll dann ein der Finanzbeamtin untergeordneter Beamter einen Bescheid erstellt haben, durch den die rund 630.000 Euro nachgesehen wurden. Die Bescheidbegründung wurde ihr laut WKStA allerdings vorgelegt. Die Frau bekam ihren Wunschposten.

Bescheid aufgehoben

Der Fall rückte im Mai 2019 bei einer Routineprüfung im Finanzamt Wiener Neustadt in den Fokus. Als Wolf davon erfuhr, habe er erneut bei Schmid zu intervenieren versucht. Der war damals allerdings bereits ÖBAG-Chef und wollte sich offenbar heraushalten: „Anzugeben, der GS (Generalsekretär, Anm.) wurde informiert – ganz schlecht! Ich bin ja nicht der direkte Vorgesetzte – das beflügelt meistens dazu, es dem Betroffenen noch schwerer zu machen! Rate Davon ab!“

Die Finanz hob den seinerzeitigen Bescheid auf. Der Fall liegt bis heute vor dem Bundesfinanzgericht. Die Beteiligten streiten die Vorwürfe ab, es gilt für alle die Unschuldsvermutung. Schelling wies gegenüber dem „Falter“ die Darstellung zurück. Es habe damals zwei Rechtsmeinungen zu dem Fall gegeben, er habe Schmid gebeten, den Fall zu klären. Der Bescheid sei nach seinem Ausscheiden erlassen worden.

Opposition sieht System

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ortete einen „Tiefpunkt der türkisen Truppe“ und einen Beleg für „die Käuflichkeit der ÖVP.“ Für Deutsch ist klar: „Nehammer muss zu den neu aufgetauchten Chats unmissverständlich Stellung beziehen, für volle Transparenz und Konsequenzen sorgen. Der Kanzler kann und darf nicht länger schweigen.“

„Die heute bekanntgewordenen Chat-Protokolle um den vermeintlichen Steuerskandal rund um den ÖVP-nahen Industriellen und Oligarchenfreund Sigi Wolf zeigen einmal mehr das Sittenbild, das in der ‚neuen‘ und in der ‚alten‘ ÖVP offenbar zum guten Umgangston gehört hat. Wer rund um den Ex-Kanzler Sebastian Kurz sein soziales und berufliches Netz gespannt hatte, der fiel zumeist auf die finanzielle Butterseite“, so FPÖ-Fraktionsvorsitzender Christian Hafenecker.

NEOS sah in den neuen Enthüllungen die Bestätigung dafür, dass der neue U-Ausschuss dringend notwendig sei: „Der Untersuchungsausschuss wird sich ganz genau ansehen, wie das System Kurz rund um den Ex-Kanzler und Thomas Schmid und ihre türkise Familie entstehen konnte. Dass dieses System nur für sich und seine Freunde und Gönner und nicht für die Menschen und das Land gearbeitet hat, wird von Tag zu Tag klarer“, meinte etwa NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper.