Der deutsche Kanzler Olaf Scholz und US-Außenminister Antony Blinken
AP/Alex Brandon
Ukraine-Krise

Blinken und Scholz warnen Putin

Das Fenster für die Diplomatie in der Ukraine-Krise ist noch offen. Ein im Raum stehendes direktes Treffen von Ukraine und Russland im Rahmen des Normandie-Formats wäre ein wichtiges Zeichen dafür. Doch unterdessen wird weiter an den Drohkulissen gebaut: Während Russland diese mit Truppenmassierungen verstärkt, ist der Westen auf Drohen und Mahnen beschränkt.

Am Sonntag übernahmen das US-Außenminister Antony Blinken und der deutsche Kanzler Olaf Scholz, die sich erst vor wenigen Tagen in Berlin getroffen haben. Bei ihren Äußerungen am Sonntag waren die unterschiedlichen Interessenlagen innerhalb des westlichen Bündnisses, ja selbst innerhalb der NATO, deutlich zu erkennen.

Die USA erneuerten am Sonntag ihre Sanktionsdrohung an Russland im Ukraine-Konflikt. Falls ein einzelner weiterer russischer Akteur sich in aggressiver Weise in die Ukraine bewege, werde das eine signifikante Antwort auslösen, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag dem Sender CNN.

Falls Sanktionen hingegen bereits jetzt gegen Russland verhängt würden, würde der Westen die Fähigkeit verlieren, Russland vor einer möglichen Aggression gegen die Ukraine abzuschrecken. Dem Sender NBC sagte Blinken, er habe keinen Zweifel, dass Deutschland die Sorgen der USA in Bezug auf Russland teile.

„Teil des russischen Werkzeugkastens“

Blinken reagierte auf die schwerwiegende Warnung Großbritanniens vor Einflussnahme des Kremls in der Ukraine mit Sorge. „Ich kann mich nicht zu bestimmten Geheimdienstinformationen äußern“, sagte Blinken dem Sender CNN. „Aber wissen Sie, wir warnen schon seit Wochen vor dieser Art von Taktik.“ Derartiges Vorgehen sei Teil des russischen „Werkzeugkastens“. Russland versuche, die Ukraine zu destabilisieren, um die Regierung in Kiew zu stürzen, warnte Blinken.

Scholz plädiert für „Augenmaß“

Deutlich zurückhaltender äußerte sich Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er plädiert bei den angedrohten Sanktionen im Falle einer russischen Aggression gegen die Ukraine für Augenmaß. „Die Klugheit gebietet es, sich Maßnahmen auszusuchen, die den größten Effekt haben auf den, der die gemeinsam festgelegten Prinzipien verletzt. Gleichzeitig müssen wir bedenken, welche Folgen das für uns selber hat“, sagte Scholz der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe).

Angst vor der NATO

Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen zeigen einmal mehr, dass der Standort den Standpunkt ganz maßgeblich bestimmt. In Europa und den USA finden viele, dass der russische Aufmarsch nahe der Ukraine der Grund für die Krise ist. In Russland selbst hingegen sieht man das anders: Nicht nur im Kreml, sondern auch auf der Straße glauben viele, dass die NATO die Wurzel des Übels ist.

„Die Illusion, dass es irgendeine Maßnahme gibt, die keine Konsequenzen für uns hat, sollte niemand hegen“, so Scholz. Kritik, die Positionierung der deutschen Regierung und seiner SPD gegenüber Russland sei nicht deutlich genug, wies Scholz zurück. „Ich habe klare Worte formuliert – sie gelten“, sagte er der Zeitung. „Und es gilt, was die deutsche Regierung, was wir Europäer mit der amerikanischen Regierung vereinbart haben, nämlich dass es hohe Kosten haben würde für Russland, wenn es eine militärische Aggression gegen die Ukraine gibt.“

Forderungen Russlands, einen Beitritt der Ukraine zur NATO auszuschließen, lehnte der Kanzler ab. „Diese Garantie kann es nicht geben“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Beitritt weiterer Länder aus dem Osten Europas in die NATO stehe aber aktuell überhaupt nicht auf der Tagesordnung.

Paris fordert direkte Gespräche

Frankreichs Europastaatssekretär Clement Beaune hat im Ukraine-Konflikt einmal mehr direkte Gespräche zwischen EU und Russland gefordert. Notwendig sei ein „organisierter, regelmäßiger Dialog“ zwischen Brüssel und Moskau, sagte Beaune am Sonntag. Russlands Präsident Wladimir Putin setze auf Gespräche mit den USA, weil das an den Kalten Krieg erinnere und Russlands Stellung als „Supermacht“ untermauere. Auch ziele Putin darauf ab, die Europäer zu „spalten“.

„Was wir tun müssen, ist, als Vertreter des Westens geeint zu bleiben und als Europäer Präsenz zu zeigen“, sagte Beaune. „Tut die Europäische Union genug? Bisher wahrscheinlich nicht.“

Für „neue Sicherheitsordnung in Europa“

Der Staatssekretär bekräftigte die Forderung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach einer „neuen gemeinsamen Sicherheitsordnung“ in Europa. Anlässlich des Beginns der französischen EU-Ratspräsidentschaft hatte Macron im EU-Parlament für ein selbstbewussteres Auftreten der EU auf internationaler Ebene geworben – dazu zählte er insbesondere den Dialog mit Russland.

Wegen eines russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine befürchtet der Westen, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland vorbereitet. Die Regierung in Moskau bestreitet Angriffspläne und fordert unter anderem den Verzicht auf eine weitere Osterweiterung der NATO.