Ukrainische Soldaten an einer Grenze
AP/Andriy Dubchak
Ukraine-Konflikt

US-Anordnung sorgt für Nervosität

Angesichts der anhaltenden Spannungen mit Russland haben die USA Angehörige von Botschaftspersonal in Kiew zum Verlassen der Ukraine aufgefordert. Die Ankündigung sorgt für Nervosität. Die ukrainische Regierung sprach am Montag von „übertriebener Vorsicht“ Washingtons. Die EU will ihr diplomatisches Personal derzeit nicht abziehen.

„Wir halten einen solchen Schritt der amerikanischen Seite für verfrüht“, teilte das ukrainische Außenministerium mit. Die Sicherheitslage habe sich „nicht grundlegend verändert“. Zuletzt war es im Ukraine-Konflikt zu neuen schweren Spannungen gekommen. Die Bedrohung durch Russland sei bereits seit 2014 konstant, teilte das Außenministerium mit. Russische Truppen nahe der Staatsgrenze seien bereits im April 2021 aufmarschiert.

Brüssel sieht anders als die USA momentan keinen Grund, diplomatisches Personal zur Ausreise aus der Ukraine aufzufordern. „Ich glaube nicht, dass wir dramatisieren müssen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Rande des Treffens der EU-Außenministerinnen und -Außenminister.

US-Botschaft in Kiew
Reuters/Gleb Garanich
Die USA reduzieren die Präsenz in ihrer Botschaft in Kiew

Solange noch Verhandlungen mit Russland liefen, glaube er nicht, dass man die Ukraine verlassen müsse. Allerdings räumte Borrell ein, dass sich die Situationseinschätzung ändern könne. US-Außenminister Antony Blinken, der per Videokonferenz zum EU-Treffen zugeschaltet werden soll, werde die US-Ankündigung erklären, sagte der Spanier.

London zieht Personal ab

Großbritannien kündigte indes an, Beschäftigte seiner Botschaft in Kiew abzuziehen. Als Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch Russland würden einige Beschäftigte und Angehörige aus der Botschaft zurückgerufen, teilte das Außenministerium mit.

Biden erwägt Entsendung von US-Truppen

US-Präsident Joe Biden erwägt indes der „New York Times“ zufolge die Entsendung von US-Truppen in die osteuropäischen NATO-Staaten. Eine von mehreren diskutierten Varianten sehe bis zu 5.000 Armeeangehörige vor, hieß es in dem Bericht. Die Zahl könne verzehnfacht werden, sollte sich die Lage verschlechtern. Eine Truppenverlegung in die Ukraine selbst werde bisher nicht erwogen.

Auf die Frage, ob die USA im Falle einer Invasion US-Soldaten in die Ukraine schicken würden, reagierte US-Außenminister Blinken am Sonntag ausweichend. Die NATO selbst werde weiterhin in erheblichem Maße gestärkt werden, falls Russland erneut Aggressionen verübe, sagte er. Die USA unterstützen die Ukraine mit militärischem Material. Aktuell sind dem Pentagon zufolge weniger als 200 Militärs der Nationalgarde von Florida in der Ukraine im Einsatz.

Nach den umstrittenen Äußerungen des inzwischen zurückgetretenen deutschen Marineinspekteurs Kay-Achim Schönbach sah sich Blinken außerdem genötigt, Deutschland zu verteidigen. Er wurde in mehreren Interviews auf das Thema angesprochen. „Ich kann Ihnen sagen, dass die Deutschen unsere Besorgnis teilen und entschlossen sind, schnell, wirksam und geschlossen zu reagieren“, sagte Blinken auf die Frage, ob Berlin zu zurückhaltend in der Krise sei. Der deutsche Vizeadmiral hatte bei einem Auftritt in Indien Verständnis für Russlands Staatschef Wladimir Putin geäußert.

Schallenberg: „Drohkulisse leider sehr real“

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) warnte indes vor einer weiteren Eskalation. „Die Drohkulisse ist leider sehr real und in einer Art und Weise sehr erschreckend“, sagte Schallenberg zu Ö1. Pläne, Botschaftspersonal aus Kiew abzuziehen, gebe es, momentan sei es aber wichtig, „unsere Augen und Ohren genau jetzt in dieser Phase so stark präsent zu haben wie möglich“. Falls sich die Gefahrensituation ändern sollte, werde man „natürlich die entsprechenden Schritte in Gange“ setzen, so Schallenberg.

Derzeit liegen in Brüssel neue Wirtschaftssanktionen auf dem Tisch. Schallenberg zeigte sich überzeugt, dass es auch Strafmaßnahmen gegen Russland geben könnte, ohne dass die Energiesicherheit Europas gefährdet wäre. Eine „gewisse Abhängigkeit“ sei aber da, räumte der Außenminister ein. „Fakt ist einfach, dass 40 Prozent des Gases aus Russland kommt.“

„Alles am Tisch“ bei Sanktionen

„Was Finanzsanktionen und Warenverkehr betrifft, liegt alles am Tisch“, sagte der Außenminister zu möglichen Sanktionen. Er warnte davor, sich grundsätzlich bei Strafmaßnahmen auf einzelne Stichworte wie die Gaspipeline „Nord Stream 2“ oder das Finanzsystem SWIFT festzulegen. Er sei der Meinung, dass etwas, das noch nicht im Betrieb und genehmigt sei, ein „nicht nennenswerter Teil einer Drohkulisse“ gegen Moskau sei.

Man werde sich „je nach Abstufung“ der Aggression seitens Russlands entsprechende Maßnahmen überlegen, betonte Schallenberg. „Es ist aber sicher nicht so, dass wir nur reagieren, wenn Panzer die Grenze überschreiten, das muss auch Moskau klar sein.“