Außenansicht des Justizpalastes in Wien
ORF.at/Patrick Bauer
Chataffäre

Erste Konsequenzen für OGH-Vizepräsidentin

Nach der Veröffentlichung von Chatnachrichten über angeblichen Postenschacher in der Justiz zieht der Oberste Gerichtshof (OGH) nun Konsequenzen. OGH-Vizepräsidentin Eva Marek wird ab sofort keine Leitungs- oder sonstigen Aufgaben der Justizverwaltung ausüben, gab der OGH am Dienstag in einer Aussendung bekannt. Ihren Posten als Vizepräsidentin und Richterin am OGH behält sie, präzisierte ein OGH-Sprecher am Dienstag gegenüber der APA.

OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek hatte bereits am Samstag „Konsequenzen“ für Marek angekündigt. In einer Pressemitteilung des OGH vom Dienstag heißt es nun, der OGH habe „keine Kenntnis“ über die näheren Umstände, die zur Veröffentlichung (der Chats, Anm.) führten, und könne daher deren Rechtmäßigkeit nicht beurteilen. „Davon unabhängig sind die Chats jedoch geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu gefährden.“ Dieses Vertrauen sei „unabdingbare Voraussetzung“ für das Funktionieren des Rechtsstaats.

„Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Elisabeth Lovrek hat daher im Einvernehmen mit Mag. Marek angeordnet, dass diese im Obersten Gerichtshof ab sofort keine Leitungs- oder sonstigen Aufgaben der Justizverwaltung ausüben wird“, so der OGH. Die Agenden Mareks übernimmt OGH-Vizepräsident Matthias Neumayr.

Damaliger Justizminister Wolfgang Brandstetter und die Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien Eva Marek, 2014
APA/Hans Klaus Techt
Marek (r.) und der damalige Justizminister Brandstetter im Jahr 2014

Ein OGH-Sprecher betonte am Vormittag gegenüber der APA, dass Marek trotz der Abgabe gewisser Aufgabengebiete weiterhin Vizepräsidentin und auch Richterin am OGH bleibt. Richter (und auch sie als Vizepräsidentin) sind grundsätzlich unabsetzbar – es sei denn, es gibt ein gerichtliches Erkenntnis, das eine Absetzung anordnet. Von gewissen Agenden, die ihr von Präsidentin Lovrek bisher zugeordnet waren, ist Marek nun aber entbunden. Laut OGH gehe es dabei u. a. um Verwaltungsaufgaben, etwa um Dienstaufsichten über Beamte im Haus.

Bericht: Marek wollte Leitung der Generalprokuratur

Das Onlineportal ZackZack, betrieben von Peter Pilz, hatte am Mittwoch Chats veröffentlicht, die nahelegen, dass die Besetzung der Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien 2014 parteipolitisch motiviert gewesen sein könnte.

ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter habe sich damals nicht für die von der Personalkommission erstgereihte Kandidatin entschieden, weil diese – so das Portal – seiner Partei nicht genehm war, sondern für Marek, die sich erst in letzter Minute beworben hatte. Brandstetter rechtfertigte seine Entscheidung damit, dass die eigentliche Favoritin Ilse Maria Vrabl-Sanda als Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) „unverzichtbar“ sei.

Marek soll sich im Gegenzug für ihre Bewerbung erwartet haben, zwei Jahre später mit der Leitung der Generalprokuratur belohnt zu werden. Weil sie dort allerdings nicht zum Zug kam, soll sie später erbost an Brandstetter geschrieben haben: „Danke Dir für die peinliche Vorführung in der Perskomm. DANKE für das Einhalten unserer Gespräche und dass ich Dir aus einer ausweglosen Situation helfen dürfte. SPRICH (Maria-Luise) Nittel und Vrabl verhindert werden mussten.“ Nach ihrer Station bei der Oberstaatsanwaltschaft wurde Marek dann mit 1. Februar 2018 OGH-Vizepräsidentin.

OGH-Richterin bleibt nach Vorwürfen im Amt

Nach an die Öffentlichkeit durchgestochenen privaten Chatnachrichten, die Postenschacher in hohen Justizkreisen nahelegen, zieht der Oberste Gerichtshof nun Konsequenzen: OGH-Vizepräsidentin Eva Marek, die in die Causa verwickelt ist, soll ab sofort keine Leitungsfunktionen mehr ausüben dürfen, bleibt allerdings als OGH-Richterin im Amt.

Gestohlenes Handy im Fokus

Mareks Nachricht soll auch auf dem Handy des langjährigen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, gelandet sein, den Marek laut ZackZack um Hilfe bat. Kloibmüller soll ZackZack zufolge auch seinen Chef, den heutigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), aktiviert haben – letztlich erfolglos. Kloibmüller sagte in der Vorwoche auf Anfrage der APA, er könne inhaltlich nichts zu den Chats sagen, weil er deren Authentizität nicht prüfen könne. Er betonte aber, dass seine Handydaten „gestohlen“ worden seien.

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. In der Wohnung eines BVT-IT-Technikers sollen Ermittler mehrere Handys gefunden haben, die teils hochrangigen Innenministeriums- und Kabinettsmitarbeitern gehört haben sollen. Kloibmüllers Handys soll bei einem Kabinettsausflug nass geworden und dann dem Spezialisten zur Reparatur übergeben worden sein. Der Mann soll behauptet haben, nichts mehr retten zu können und das Telefon zu vernichten, stattdessen aber die Daten ausgelesen, weitergegeben und verkauft haben, berichtete die „Presse“ Anfang Dezember.

OGH wünscht sich bei Besetzungen Senatsvorschlag

In seiner Pressemitteilung von Dienstag legt der OGH auch Wert auf die Feststellung, „dass seine Richterinnen und Richter zwar vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Justizministerin ernannt werden, dass die Transparenz des Ernennungsvorgangs aber im Regelfall durch Dreiervorschläge des Personalsenats des Obersten Gerichtshofs gewährleistet ist“. Die ernennenden Organe seien zwar nicht an die Vorschläge des Senats gebunden, sie sind ihnen aber bei der Besetzung von Planstellen des OGH in den letzten Jahrzehnten „ausnahmslos gefolgt“.

Auch verwies der OGH auf seine schon am Samstag neuerlich gestellte Forderung, auch für die Planstellen der OGH-Präsidenten und -Vizepräsidenten einen Senatsvorschlag vorzusehen – bisher erfolge deren Bestellung „allein durch politische Organe“. „Der Oberste Gerichtshof ist überzeugt, dass die Umsetzung dieses Vorschlags wegen der dadurch gewährleisteten Transparenz nicht nur im Interesse aller Beteiligten läge, sondern auch ein Gewinn für den Rechtsstaat wäre“, heißt es in der Presseaussendung.

Grüne unterstützen Reformwünsche

Die grüne Justizsprecherin Agnes Prammer begrüßte die Konsequenzen für Marek sowie die Forderung der OGH-Präsidentin, bei der Besetzung von Planstellen der OGH-Präsidenten und -Vizepräsidenten Vorschläge eines Personalgremiums einzuholen. Organe der Justiz müssten „über jeden Verdacht der politischen Einflussnahme erhaben sein“, so Prammer in einer Aussendung.

Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz zu erhalten, sei es wichtig, dass nicht nur ihr Wirken, sondern auch alle Besetzungsvorgänge in voller Transparenz ablaufen, so Prammer weiter. „Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb es bei Richter*innen-Ernennungen üblicherweise Besetzungsvorschläge von Personalsenaten gibt, bei den höchsten Funktionen des Obersten Gerichtshofs allerdings nicht. Hier gibt es in der Tat Nachbesserungsbedarf.“

FPÖ erwartet „schwarze Rücktrittswelle“

Scharfe Kritik übte am Dienstag die FPÖ. „Der Rückzug von OGH-Vizepräsidentin Eva Marek nach ihrer bekanntgewordenen Involvierung in schwarze Postenschacher-Netzwerke war unausweichlich“, merkte der FPÖ-Fraktionsführer im bevorstehenden ÖVP-U-Auschuss, Christian Hafenecker, in einer Aussendung an.

Und: „Nachdem wir bereits teilweise Einsicht in weitere Chats nehmen konnten, die den seit Jahrzehnten währenden schwarzen Würgegriff um zentrale Institutionen dieser Republik in unglaublicher Weise abzeichnen, wird es zu einem noch nie da gewesenen Sesselrücken kommen!“ Für FPÖ-Chef Herbert Kickl passe die Causa um Marek „perfekt in dieses Bild der ÖVP-Korruption“.

Weitere Chats zu schwarzen Postenbesetzungen

Am Dienstag wurden von ZackZack indes weitere Chats zu diversen Postenbesetzungen veröffentlicht. Demnach soll sich Kloibmüller als Kabinettschef im ÖVP-geführten Innenressort viele Jahre – konkret bis zu Kickls Übernahme des Ressorts 2017 – um solche gekümmert haben. Dass unter Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) begonnen wurde, die „Polizei schwarz einzufärben“, deckte Peter Pilz schon 2008 auf. Auch Kloibmüllers Name tauchte in der Causa damals auf.

„Der von pröll (ehemaliger niederösterreichischer Landeshauptmann Erwin Pröll, Anm.) angesprochene kandidat ist nicht unserer!!!! (…) man sollte LH von weiterem Engagement abraten“, schrieb Kloibmüller in einer bereits bekannten Nachricht an Strasser etwa einst. Auch nach Strassers Abgang blieb Kloibmüller im Innenministerium und setzte sich damit weiterhin für Besetzungen im Sinne der Partei ein.

So ärgerte sich Kloibmüller 2016 etwa, als sein Parteikollege Franz Ruf in seiner damaligen Position als Salzburger Landespolizeichef einen Polizisten zum Leiter des hiesigen Strafamts machte, der nicht aus der ÖVP kam. Kloibmüller wurde 2016 zudem von dem erbosten ÖVP-Politiker Georg Angerer kontaktiert, der zum Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) aufstieg, dafür sein politisches Amt aber ruhend stellen musste. "Lb. Michi, in 2 Std. bin ich politisch karenziert; es schmerzt!“, so Angerer. Kloibmüllers Antwort: „Kopf hoch. Merk dir die arschlocher u wir knöpfen sie uns einzeln vor“.

Einen Austausch über eine nicht näher beschriebene Postenbesetzung in der Steiermark gibt es 2016 überdies mit dem damaligen ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon, der inzwischen Volksanwalt ist. In den Chats versprach Kloibmüller Amon Hilfe durch das Ministerium, sollten sich rote und blaue Gewerkschaften gegen den von der ÖVP gewünschten Kandidaten stellen. Amon gab gegenüber ZackZack an, sich an die Vorkommnisse nicht mehr erinnern zu können.