Der russische Präsident Wladimir Putin
AP/Sputnik/Kreml
Putin in TV-Ansprache

Interessen Russlands „nicht verhandelbar“

Nach seinem Eskalationskurs im Ukraine-Konflikt hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Interessen seines Landes als „nicht verhandelbar“ bezeichnet. Gleichzeitig sei er aber zur Suche nach „diplomatischen Lösungen“ bereit, wie er in einer Videoansprache am Mittwoch sagte. „Unser Land ist immer offen für einen direkten und ehrlichen Dialog, für die Suche nach diplomatischen Lösungen für die komplexesten Probleme“, so Putin.

„Die Interessen Russlands, die Sicherheit unserer Bürger sind für uns nicht verhandelbar“, fügte er jedoch hinzu. Seine Ansprache hielt er anlässlich des Tages des Verteidigers des Vaterlandes, eines Feiertags in Russland. „Heute bleibt die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes die wichtigste staatliche Aufgabe“, sagte Putin.

Er lobte die Gefechtsbereitschaft der russischen Armee und kündigte an, Russland werde weiter an hochmodernen Waffensystemen arbeiten. Diese seien „wirklich die Waffen der Zukunft, die das Kampfpotenzial unserer Streitkräfte deutlich erhöhen“. Die Rufe Moskaus nach Garantien dafür, dass die Sicherheit eines Landes nicht auf Kosten eines anderen geht, seien bisher unbeantwortet geblieben, kritisierte er.

Putin hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatistengebiete in der Ostukraine anerkannt und die Entsendung von russischen Soldaten angekündigt. Als Reaktion darauf erließen die USA und die EU umfassende Finanzsanktionen gegen Russland und die Separatisten. Wegen der jüngsten Entscheidungen Putins in der Ukraine-Krise hatte am Dienstag US-Außenminister Antony Blinken ein für Donnerstag in Genf geplantes Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow abgesagt.

Treffen zwischen Biden und Putin vom Tisch

Auch ein angedachtes Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Putin sei vom Tisch, hieß es am Dienstag. Die Initiative für diesen Gipfel ging vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron aus, der am Sonntag zweimal mit Putin und einmal mit Biden telefoniert hatte. Biden hatte nach Angaben des Weißen Hauses einem Treffen zugestimmt, auch der Kreml hatte sich offen dafür gezeigt. Angesichts der jüngsten Entwicklungen sei die Zusammenkunft derzeit „sicher nicht geplant“, sagte Bidens Sprecherin Jen Psaki am Dienstagabend (Ortszeit) in Washington.

Biden kündigte Sanktionen an

Biden hatte zuvor im Weißen Haus neue Sanktionen gegen Russland angekündigt. Die Strafmaßnahmen werden sich gegen zwei große Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer des russischen Präsidenten und deren Familien richten. Biden betonte, die USA seien zu noch härteren Schritten bereit, falls Russland sein Vorgehen gegen die Ukraine weiter vorantreiben sollte.

Die Sanktionen, die US-Banken künftig den Handel mit russischen Staatsanleihen verbieten sollen, würden Moskaus Zugang zu den westlichen Kapitalmärkten abschneiden, sagte Biden. Die US-Regierung hatte amerikanischen Finanzinstitutionen im vergangenen Jahr bereits den Handel mit Staatsanleihen auf dem Primärmarkt verboten, nicht aber auf dem wichtigen Sekundärmarkt.

„Beginn einer Invasion“

Biden rechnet nach der jüngsten Eskalation nach eigenen Worten weiter mit einem großangelegten Angriff Russlands auf das Nachbarland. „Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiter zu gehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten“, sagte Biden.

Biden befürchtet weitere Eskalation

Der US-Präsident geht davon aus, dass Russland weitere Schritte plant.

Er bezeichnete Moskaus Anerkennung der „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk und die geplante Entsendung russischer Truppen in die ostukrainischen Gebiete als „Beginn einer Invasion“ in die Ukraine. Putin liefere „eine Begründung für die gewaltsame Einnahme weiterer Gebiete“. Biden hielt aber eine diplomatische Lösung weiter für möglich.

EU-Staaten einigten sich

Zuvor hatten schon die Außenminister der EU-Staaten Sanktionen auf den Weg gebracht: Sie stimmten bei einem Sondertreffen in Paris einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission und des Auswärtigen Dienstes zu, wie der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian bestätigte.

Die Europäische Union habe sich darauf geeinigt, 27 Personen und Körperschaften, die die territoriale Einheit der Ukraine bedrohen, mit Sanktionen zu belegen, erklärte Borrell. Auch Banken, die Einsätze in den Separatistengebieten finanzierten, seien von den Maßnahmen betroffen. Ziel sei es auch, den Zugang des russischen Staates zum EU-Finanzmarkt zu beschränken.

V.l.: EU-Außenbeauftragter Josep Borrell, der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, der italienische Außenminister Luigi Di Maio
AP/Michel Euler
Keine 24 Stunden nach Russlands Eskalation einigten sich die EU-Außenministerinnen und -Außenminister auf ein Sanktionspaket

Enge Abstimmung

Zudem fänden sich auf der Liste jene 350 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die russische Anerkennung der selbst ernannten „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk in der Ostukraine stimmten. Von Personen, Organisationen und Unternehmen, die auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden, werden sämtliche in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Zudem dürfen gelistete Personen nicht mehr in die EU einreisen, und mit den Betroffenen dürfen auch keine Geschäfte mehr gemacht werden. Putin selbst steht – noch – nicht auf der Liste. Die Sanktionen treten bereits am Mittwoch in Kraft.

Nach „stundenlangen Debatten“ hätten sich nicht nur die EU-Mitgliedsstaaten untereinander auf Maßnahmen geeinigt – diese seien auch eng mit den USA, Großbritannien und Kanada abgestimmt worden, sagte Borrell. Kanada entschloss sich zu einer Reihe von Sanktionen. Kanadierinnen und Kanadier dürften künftig ebenfalls keine russischen Staatsanleihen mehr kaufen oder mit zwei staatlichen russischen Banken Geschäfte machen. Auch werde man Mitglieder des russischen Parlaments bestrafen, die für die Anerkennung der separatistischen Regionen Luhansk und Donezk gestimmt hatten.

„Zusätzliche Munition“

Was das Vorgehen Russlands betreffe, gebe es zwar noch eine Reihe offener Fragen, etwa, was nun mit dem Rest der Ukraine geschehe, klar sei aber, dass man je nach dem Verhalten Russlands das Level der Sanktionen erheblich anheben werde. Borrell sprach dabei von einer „zusätzlichen Munition“, die man im Werkzeugkasten behalten wolle.

Ähnlich äußerte sich Le Drian: „Wir wollten nicht von Beginn an alle unsere Karten auf den Tisch legen, sondern Maßnahmen in der Reserve behalten.“ Heute sei es jedoch gelungen, die richtige Balance zu finden – nicht zuletzt auch deshalb, weil es wohl unter den Mitgliedsstaaten verschiedene Auffassungen von „angemessenen“ Maßnahmen gegeben haben dürfte.

Von der Leyen kündigt schnelle Umsetzung an

Von der Leyen begrüßte die Einigung der 27 Mitgliedsstaaten auf ein neues Sanktionspaket und kündigte an, das geplante Sanktionspaket zügig fertigzustellen. Nach der politischen Einigung der EU-Außenminister auf die Strafmaßnahmen ist nun noch ein juristisch bindender Beschluss erforderlich.

EU beschließt Sanktionen gegen Russland

Sanktionen gegen Russland sollen Putin unter Druck setzen.

Nehammer steht hinter EU-Sanktionen

Österreich steht im Ukraine-Konflikt voll hinter den EU-Sanktionen gegen Russland. Dies bekräftigte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Dienstagabend im Bundeskanzleramt. „Österreich ist und bleibt ein militärisch neutrales Land. Wir haben aber eine klare Haltung und Meinung, wenn es um die Einhaltung von Völkerrecht geht und agieren hier im europäischen Einklang“, sagte Nehammer. Der Bundeskanzler hofft nach wie vor auf eine diplomatische Beilegung der Krise. „Wir müssen weiter voll und ganz auf Diplomatie setzen, um einen Krieg mitten in Europa zu verhindern.“

Das von der Regierung installierte Krisenkabinett befindet sich laut Nehammer „in laufender Abstimmung“, um rasch auf die aktuellste Bedrohungslage reagieren zu können. Ein wesentlicher Punkt sei dabei die Versorgungssicherheit. Vor allem die Rolle der Gasversorgung ist für Österreich essenziell. In puncto Flüchtlingsbewegungen erwartet man in der Regierung unterdessen keine gravierenden Auswirkungen. Österreich sei demnach kein primäres Zielland für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

Japan und Australien schließen sich Sanktionen an

Auch Japan und Australien kündigten Sanktionen gegen Russland an. Japans Premierminister Fumio Kishida will ein Einreiseverbot für bestimmte Personen mit Verbindungen zu den „zwei sogenannten Republiken“ der prorussischen Separatisten. Ihre Vermögenswerte in Japan sollen eingefroren und japanischen Unternehmen der Handel mit der Region untersagt werden. Außerdem will die Regierung den Handel mit russischen Staatsanleihen verbieten. Die Sanktionen seien „in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft“ beschlossen worden, sagte Kishida.

Unterdessen kündigte Australiens Premierminister Scott Morrison Sanktionen gegen acht der wichtigsten Sicherheitsberater Putins an. Diese erhalten Einreiseverbote. Zudem will die Regierung gegen Banken vorgehen, die mit dem russischen Militär in Verbindung stehen. Morrison kündigte außerdem an, dass er die Bearbeitung von Visa für rund 430 Ukrainerinnen und Ukrainer, die nach Australien einreisen wollen, beschleunigen werde.