US-Präsident Joe Biden
Reuters/Evelyn Hockstein
Vor EU-Gipfel

Biden mahnt zu Geschlossenheit

Nach dem NATO-Gipfel und dem G-7-Treffen hat in Brüssel am Donnerstagabend nun der EU-Gipfel begonnen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach an diesem Tag von Brüssel als dem „Zentrum der freien Welt“, US-Präsident Joe Biden mahnte zu Geschlossenheit des Westens gegenüber Russland. Sanktionen gegen Russland sollen verschärft und die Unterstützung für die Ukraine verstärkt werden.

Biden appellierte vor Beginn des EU-Gipfels an die Geschlossenheit der Staaten, strebe Putin doch ein Auseinanderbrechen der NATO an. „Ich meine es todernst: Ich glaube, das war von Anfang an seine Absicht.“ „Er stünde lieber 30 unabhängigen Ländern gegenüber als 30 vereinten Ländern.“

Daher sei nichts von größerer Bedeutung, als die Einheit der Verbündeten in der NATO, der Europäischen Union und der G-7 aufrechtzuerhalten. „Es ist das Wichtigste, was wir tun können, um diesen Mann zu stoppen, von dem wir in unserem Land glauben, dass er bereits Kriegsverbrechen begangen hat.“

Putin gehe es darum zu zeigen, dass Demokratien im 21. Jahrhundert aufgrund der schnellen Veränderungen in der Welt nicht funktionieren würden. Und dass Autokratien regieren werden, so Biden. Dem müsse man entgegenhalten, so der Appell. Mit Biden als Gast war es das erste Mal in der Geschichte, dass ein US-Präsident an einem EU-Gipfel teilnimmt.

EU-Gipfel in Brüssel
AP/Olivier Matthys
Nach dem Treffen der NATO-Bündnispartner und G-7-Länder kamen am Abend die 27 EU-Staats- und -Regierungsspitzen zu Beratungen über den Ukraine-Krieg zusammen

„Koordinierte und einheitliche Reaktion“

In einer gemeinsamen Erklärung der USA und des Europäischen Rats hieß es, die Spitzenpolitiker hätten über die „koordinierte und einheitliche Reaktion der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten auf die unprovozierte und ungerechtfertigte militärische Aggression Russlands“ beraten. Auch sei über die Bereitschaft, weitere Sanktionen gegen Russland und Belarus zu verhängen, gesprochen worden und über Versuche, bestehende Sanktionen zu umgehen.

Konkret steht geschrieben: „Wir sind geeint in unserer Verurteilung des ungerechtfertigten und grundlosen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine.“ Man stehe solidarisch an der Seite des ukrainischen Volkes und fordere Russland auf, „den brutalen Angriff auf seinen Nachbarn zu beenden“.

Ex-Diplomat Lehne zu Reaktionen des Westens

Stefan Lehne vom US-Thinktank Carnegie Europe und Ex-Außenministeriumsdirektor kommentiert mögliche Handlungsalternativen des Westens gegenüber dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.

Von der Leyen: „Zusammenhalt stärker als je zuvor“

Von der Leyen betonte vor dem Gipfel, der Zusammenhalt zwischen den westlichen Mächten sei „stärker als je zuvor“. Sie kündigte an, dass die USA und die EU am Freitag „ein neues Kapitel in unserer Energiepartnerschaft präsentieren“ werden. Es gehe um zusätzliche Lieferungen von Flüssiggas (LNG) aus den USA für die EU, um russisches Flüssiggas zu ersetzen.

Schaidreiter (ORF) zu Reaktionen des Westens

Raffaela Schaidreiter kommentiert erste Ergebnisse der Bündnistreffen-Abfolge von NATO, EU und G7 am Donnerstag in Brüssel.

Uneinigkeit bei Energiesanktionen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski verlangte in seiner Videoansprache laut einem EU-Beamten erneut stärkere Sanktionen im Energiebereich, um den Druck auf Moskau zu erhöhen. Er hatte bereits mehrfach einen Einfuhrstopp für russisches Gas und Öl sowie Kohle gefordert. Sein Land kämpfe auch für die Freiheit der EU, betonte Selenski demnach in seiner gut zehnminütigen Rede.

Doch was ein russisches Energieembargo betrifft, sind sich die EU-Mitgliedsstaaten allerdings noch uneinig. Während es Deutschland und Österreich kategorisch ausschließen und auf die Versorgungssicherheit verweisen, drängen vor allem die baltischen Länder darauf. Denn solange die EU Energie aus Russland kaufe, würde man den Krieg mitfinanzieren, so das Argument der Sanktionsbefürworter.

Im jüngsten Entwurf der Abschlusserklärung für den EU-Gipfel, der ORF.at vorliegt, heißt es dazu recht allgemein: Man sei bereit, rasch weitere Sanktionen zu beschließen. Jeder Versuch, die bereits beschlossenen Sanktionen zu umgehen oder Russland anderweitig zu helfen, müsse gestoppt werden. Zudem will die EU laut Entwurf weiterhin koordinierte politische, finanzielle, materielle und humanitäre Unterstützung für die Ukraine zu leisten.

US-Präsident Joe Biden
Reuters/Evelyn Hockstein
„Signal der Geschlossenheit“: Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass ein US-Präsident bei einem EU-Gipfel teilnimmt

EU-Gipfelentwurf: Russland begeht Kriegsverbrechen

Auch dürfte die Europäische Union der US-Regierung in der Einschätzung folgen, dass Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen begeht. So steht in dem Entwurf geschrieben: „Russland führt Angriffe auf die Zivilbevölkerung durch und zielt auf zivile Objekte, darunter Krankenhäuser, medizinische Einrichtungen, Schulen und Schutzräume. Diese Kriegsverbrechen müssen sofort aufhören.“ In einem vorherigen Entwurf war noch von „Verbrechen“ die Rede. Am Mittwoch hatte die US-Regierung russischen Truppen in der Ukraine erstmals offiziell Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Die 27 EU-Staaten fordern Russland dazu auf, den Angriff auf die Ukraine unverzüglich zu beenden, alle Kräfte und das gesamte Gerät abzuziehen und die territoriale Integrität, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen anzuerkennen. Zivilisten, die im Kriegsgebiet eingeschlossen seien, müssten es sicher verlassen können, alle Geiseln unverzüglich freigelassen und ungehinderter humanitärer Zugang gewährt werden. Russland müsse seinen Verpflichtungen aus dem internationalen Recht nachkommen.

Karl Nehammer und Charles Michel
AP/Olivier Matthys
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist beim EU-Gipfel anwesend, hier mit Ratspräsident Charles Michel

„Großer Fehler, keine Beitrittshoffnungen zu machen“

„Politico“ berichtete unterdessen, dass die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola weiterhin auf eine EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine pocht. „Natürlich ist dies ein Prozess“, sagte Metsola, „aber heute müssen wir sicherstellen, dass die Botschaft (der Beitrittsperspektive, Anm.) beibehalten wird und erhalten bleibt.“ Sie ging in ihren Schlussfolgerungen noch weiter und sagte, dass es ein großer Fehler wäre, „wenn dies nicht das Ergebnis des heutigen Abends wäre“.

Ukraine-Gipfel in Brüssel

Brüssel ist am Donnerstag Schauplatz eines Gipfelreigens zum Ukraine-Krieg. Nach der NATO haben auch die G-7-Staaten und die EU ihr weiteres Vorgehen gegen Russland besprochen.

Klare Worte bei NATO und G-7-Gipfel

Während der erste Gipfeltag ganz im Zeichen von Verteidigungs- und Sicherheitspolitik steht, wird es am Freitag vor allem um die erhöhten Energiepreise geben. Der Gipfelmarathon begann Donnerstagfrüh mit jenem der NATO, darauf folgte das Treffen der G-7. Die NATO warnte Russland vor weitreichenden Konsequenzen, sollte das Land in der Ukraine chemische oder biologische Waffen einsetzen.

Das geht aus der Erklärung nach dem NATO-Sondergipfel in Brüssel vom Donnerstag hervor. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, durch einen Einsatz von Chemie- oder Biowaffen könnte auch die Bevölkerung in NATO-Staaten in Mitleidenschaft gezogen werden.

Auch die G-7-Länder schlugen Russland gegenüber scharfe Töne an. Biden forderte zudem den Ausschluss Russlands aus der G-20-Gruppe. Die Entscheidung hänge aber vom aktuellen G-20-Präsidentenland Indonesien und den übrigen Mitgliedern ab.