Michael Kloibmüller
ORF.at/Roland Winkler
ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

Kloibmüller wird zu seinen Chats befragt

Jahrelang ist Michael Kloibmüller als Kabinettchef im Innenministerium tätig gewesen. Er diente unter gleich mehreren Ministerinnen und Ministern, etwa Ernst Strasser, Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka – allesamt von der ÖVP. Trotz dieser zentralen Funktion war Kloibmüller nur Politinsidern ein Begriff. Doch das sollte sich nach seiner Ägide ändern, so beschäftigt sich der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss zentral mit den Inhalten seiner Chats – dazu Auskunft geben muss Kloibmüller am Dienstag selbst.

Und tatsächlich verhält es sich bei Kloibmüller wie im Falle des ehemaligen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid: ein Handy als Fundus für Ermittlerinnen und Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und jene, die sich mit der politischen Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder beschäftigen. Die Chats werfen ein Schlaglicht auf Vorgänge im Innenministerium – Stichwort: Postenbesetzungen.

Die Opposition sieht in Kloibmüller den „Dreh- und Angelpunkt um Sobotka“. Und gegen den Nationalratspräsidenten wird auf Grundlage der Chats auch ermittelt, konkret wegen Amtsmissbrauchs, es geht um eine Postenbesetzung bei der Polizei aus dem Jahr 2017 – es gilt die Unschuldsvermutung. Andrea Jelinek soll damals von der ÖVP als Wiener Vizelandespolizeidirektorin verhindert worden sein, weil sie als SPÖ-nahe gesehen worden sei.

Wolfgang Sobotka (ÖVP)
ORF.at/Lukas Krummholz
Mit Sobotka stand Kloibmüller in regem Chataustausch

„Den Sozen zeigen wo der Hammer hängt“

Aus den ursächlichen Chats geht hervor, dass sich die ÖVP um eine Gegenkandidatin oder einen Gegenkandidaten gekümmert haben soll und auch der damalige Innenminister Sobotka damit befasst war. Wie in den Chats zu lesen ist, wollte Kloibmüller in personellen Fragen „den Sozen zeigen wo der Hammer hängt“ – den Job bekam schlussendlich der ÖVP-nahe Franz Eigner.

Eine Intervention – von anderer Seite – dürfte es auch für Eva Marek gegeben haben. Es geht dabei ursprünglich um den 2014 ausgeschriebenen Posten für die Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Um den Posten beworben hatten sich Marie-Luise Nittel, Chefin der Staatsanwaltschaft Wien, sowie Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStA. Chats zeigen, dass der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) beide „verhindern“ wollte, weshalb er Marek zu einer Bewerbung aufforderte.

„Peinliche Vorführung“

Ihr sei angeblich versprochen worden, dafür später die Leitung der Generalprokuratur übernehmen zu können. Dazu kam es aber nicht, worüber sich Marek in Nachrichten an Brandstetter und an Mikl-Leitner beschwerte („Schmach“, „peinliche Vorführung“).

Marek leitete die Nachricht an Kloibmüller weiter. Daraufhin soll sich das Innenministerium eingeschaltet haben, Mareks Ehemann war hier als Sektionschef tätig. Schließlich landete sie als Vizepräsidentin beim Obersten Gerichtshof. Zuletzt befand Marek die Chats bei ihrer Befragung im ÖVP-U-Ausschuss als „zynisch“ und bedauerte die Tonalität.

„Merk dir die Arschlöcher“

Auch soll die Bestellung von Georg Angerer zum Chef des Salzburger Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) im Jahr 2016 dank Hilfe seitens der ÖVP erfolgt sein. Angerer – zuvor Stadtrat und Klubobmann der ÖVP in Hallein – hatte laut Berichten schon lange vor der Ausschreibung bei Kloibmüller um Unterstützung gebeten – und sich nach seiner Bestellung auch bei ihm bedankt. Er beschwerte sich aber auch bei diesem, sein politisches Amt aufgeben zu müssen – offenbar auf Druck SPÖ-naher Gewerkschafter. Kloibmüller dazu: „Merk dir die Arschlöcher und wir knöpfen sie uns einzeln vor.“

„Verlass mich auf euch“

Doch nicht alle Chats deuten auf mutmaßliche Postenkorruption hin – manche geben Einblicke ins politische Denken. Für einen Chat entschuldigte sich Landeshauptfrau Mikl-Leitner gleich nach Publikwerden. So hatte sie im Februar 2016 an Kloibmüller geschrieben: „Rote bleiben Gsindl! Schönen Schitag!“ Auch fanden Chats mit niederschwelligeren personellen Begehrlichkeiten den Weg an die Öffentlichkeit. „Mein Neffe bewirbt sich für Ferialpraktikum (…) Verlass mich auf euch“, schrieb etwa Mikl-Leitner an Kloibmüller.

„Eine Liste (…), die Interventionen heißt“

Den Chats ist außerdem zu entnehmen, dass Sobotka in seiner Zeit als Innenminister im September 2016 sogar eine eigene Liste für Interventionen anlegen lassen wollte: Besorgt wandte sich damals eine Kabinettsmitarbeiterin an Kloibmüller und fragte: „Ist es gescheit, wenn bei uns am KBM-Server unter ‚HBM Sobotka‘ eine Liste liegt, die Interventionen heißt und noch dazu alle Interventionen mit Stand anführt…? Ich weiß, er will das – nur…“. Für Kloibmüller in der Tat keine geglückte Idee: „Na ist es net da muss i reden“, schrieb er.

Angesichts solcher Konversationen – und derer gibt es noch mehr – sieht die Opposition Kloibmüller, der seine ihm nachgesagte Scharnierfunktion im Innenministerium in der Rolle als Kabinettsmitarbeiter, Kabinettschef und zuletzt als Chef der Präsidialsektion letztlich nach insgesamt 17 Jahren im Ressort und nach der Übernahme durch die FPÖ 2018 beendete, als einen zentralen Akteur eines „schwarzen Netzwerks“.

Praktisch alles verjährt

Doch strafrechtliche Relevanz haben die Chats – mit Ausnahme jener zur Causa Sobotka – nicht. Besser gesagt nicht mehr, weil sie aus 2016 stammen und damit aufgrund der Fünfjahresfrist weitestgehend verjährt sind. Die Opposition wirft der Staatsanwaltschaft Wien und konkret in Person des zuletzt im U-Ausschuss befragten Staatsanwalt Bernd Schneider vor, die Chats vorsätzlich nicht zum Akt genommen zu haben, um das Verfahren dadurch zu verschleppen. Einzelne Chats waren da sogar schon medial publik.

Handy im Wasser

Dabei war der Weg der Chats an die breite Öffentlichkeit ein weiter und beruhte auf einem bemerkenswerten Ereignis: Bei einem Bootsausflug 2016 bei einer Gartenmesse in Tulln waren zwei Boote gekentert. Unter anderen fiel Kloibmüller ins Wasser – und mit ihm dessen Handy. Um Daten zu retten, übergab Kloibmüller sein Handy an einen IT-Experten des damaligen Nachrichtendienstes BVT (Vorgänger des heutigen DSN).

Die Rettung der Handydaten mutierte dann aber offenbar zum Datendiebstahl, wozu auch ein Ermittlungsverfahren läuft: Mehrere abtrünnige Geheimdienstmitarbeiter saugten die Daten am Handy ab und bekamen auf diese Weise die brisanten Chats in ihre Hände. Großer Zeitsprung ins Jahr 2022: Im April wurden die Chats vom langjährigen Grünen-Mandatar Peter Pilz dem Ausschuss und der WKStA übergeben. Vermutet wird, dass Pilz die Daten via Stick von einem BVT-Mann erhalten haben soll.

Start mit Lang

Vor Kloibmüller ist am Dienstag aber erst einmal Franz Lang, einst Direktor des Bundeskriminalamts (BK), als Auskunftsperson geladen. Er soll zur „Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit“ befragt werden, wie tags darauf sein Nachfolger, der ehemalige Leiter der „SoKo Tape“ Andreas Holzer. Ihm wird – grob gesagt – vorgeworfen, die Arbeit der WKStA zum „Ibiza“-Video torpediert zu haben. Der aktuelle SoKo-Leiter Dieter Csefan ist dann die letzte Auskunftsperson für diese Woche.