Pflegerin im Seniorenheim
ORF.at/Christian Öser
Maßnahmenpaket zur Pflege

Großteils Lob für ersten Schritt

Weitgehend positiv ist am Donnerstag das Echo auf das angekündigte Maßnahmenpaket zur Pflege ausgefallen. Gewerkschaften, Sozialwirtschaft, Volkshilfe, Senioren- und Gemeindebund äußerten sich lobend, die SPÖ teilweise, FPÖ und NEOS waren unzufrieden. Alle mahnten, dass das nur ein erster Schritt sein könne – die „große Reform“ zur langfristigen Sicherstellung der Finanzierung müsse rasch angegangen werden.

Vertreterinnen und Vertreter von ÖGB, GPA, vida und younion zeigten sich am „Tag der Pflege“ – unter Hinweis auf die Demonstrationen am Donnerstag – überzeugt, dass das Paket ein Erfolg jahrelangen gewerkschaftlichen Drucks ist. „Diese Reform zeigt: Gewerkschaftliches Engagement zahlt sich aus“, sagte Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA. „Unser langjähriger Druck hat Wirkung gezeigt. Heute wurde in der Tat eines der größten Reformpakete der vergangenen Jahrzehnte auf den Weg gebracht“, anerkannte Edgar Martin von younion prinzipiell.

Inhaltlich bewerteten die Gewerkschaften die Reform großteils positiv, viele ihrer Forderungen (Lohnzuschüsse, mehr Urlaub) seien aufgegriffen worden. Jetzt komme es auf die Umsetzung an – und da will Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB, „genau hinschauen, damit alles tatsächlich im Sinne der Betroffenen umgesetzt wird“. Klar sei allerdings, dass die präsentierten Pläne nicht ausreichten, merkten Sylvia Gassner und Gerald Mjka von vida an: „Es müssen weitere Schritte und Investitionen für alle Bereiche des Gesundheitssystems folgen.“ Österreichweit fanden dennoch wie geplant Demos statt, die Reaktion auf das Regierungspaket fiel dabei unterschiedlich aus – mehr dazu in wien.ORF.at.

Positiv war auch das Urteil von Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl: Die Reformpläne gingen in die richtige Richtung. „Endlich werden der Stellenwert des Pflegepersonals und die Dringlichkeit von Maßnahmen gesehen“, begrüßte sie „erste, wichtige Schritte“, nicht ohne festzuhalten: „Am Ziel sind wir damit aber noch nicht.“

WKO sieht Forderungen aufgegriffen

Zustimmung kam auch von der Wirtschaftskammer (WKO). Positiv wertete WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf, dass die Regierung „zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt, ausreichend Zeit für die Begutachtung und Detailausarbeitung durch die Sozialpartner angekündigt hat und bei den präsentierten Maßnahmen auch wichtige Forderungen der Wirtschaft aufgegriffen hat“.

„Die vorgestellten Maßnahmen sind zweifellos geeignet, einen Beitrag zur Entspannung zu leisten, auch wenn versäumte Weichenstellungen nicht von heute auf morgen kompensiert werden können“, konstatierte Walter Marschitz, Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ).

Regierung stellt Pflegepaket vor

Die Regierung hat am Donnerstag, dem internationalen „Tag der Pflege“, ein Maßnahmenpaket für den Pflegebereich vorgestellt. In den kommenden zwei Jahren werde der Bereich mit einer Milliarde Euro unterstützt, teilte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) mit.

Zustimmung von Hilfsorganisationen

Die Reaktionen der Hilfsorganisationen fielen dagegen positiv aus. Bei der angekündigten „Pflegereform scheint ein wichtiger Schritt gelungen zu sein“, so die Volkshilfe. Präsident Ewald Sacher stellte in einer Aussendung fest, „dass doch viele langjährige Forderungen der Volkshilfe und anderer Sozialorganisationen aufgegriffen wurden.“ „Zweifellos geeignet, einen Beitrag zur Entspannung zu leisten“, ist das Paket aus Sicht der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ).

„Wir haben wirklich lange auf die Pflegereform gewartet, eigentlich zu lange. Aber die heute vorgestellten Maßnahmen zur Pflegereform beinhalten tatsächlich entscheidende Schritte in die richtige Richtung. Und auch, was das Finanzvolumen anbelangt, erkennen wir, dass endlich in den richtigen Dimensionen gedacht wird“, so Othmar Karas, Präsident des Hilfswerks Österreich.

Weitgehend positiv äußerten sich am Donnerstag die evangelische Diakonie und die katholische Caritas über das von der Bundesregierung präsentierte Pflegepaket – mehr dazu in religion.ORF.at.

Gemeindebund erwartet weiteren großen Wurf

Die Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, sieht den „Start einer umfassenden Pflegeform, die auch eine nachhaltige Finanzierung und den Ausbau der mobilen Dienste mit einschließen wird’“. Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl würdigte ebenfalls den „ersten wichtigen Schritt für die Stärkung des Pflegesystems“ und erwartete einen „weiteren großen Reformwurf“ zur langfristigen Sicherung der Zukunftsfinanzierung. Seitens des Städtebundes verlangte Generalsekretär Thomas Weninger, dass Städte und Gemeinden in die Ausarbeitung der Details eingebunden werden – würden sie doch einen großen Teil der Kosten tragen.

Frauen- und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) hält die Reform sowohl aus Frauen- als auch aus Familienperspektive für begrüßenswert. 60 Prozent der Pflegebedürftigen, mehr als 80 Prozent des Betreuung- und Pflegepersonals und etwa 70 Prozent der pflegenden Angehörigen seien Frauen, erinnerte sie.

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres begrüßte die Pflegemilliarde als „ganz wichtigen Eckpfeiler“ für die Stärkung einer stabilen Gesundheitsversorgung. Nötig wäre aber mit Blick auf die Pandemie, das ganze System zu stärken. Und Vizepräsident Harald Mayer führte aus: Auch Ärzte sollten einen Bonus bekommen, schließlich seien sie eine wichtige Säule in der Pflege.

Opposition unzufrieden

Nicht wirklich zufrieden war die Opposition. Wobei von SPÖ-Politikern unterschiedliche Reaktionen kamen: Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker freute sich – unter Hinweis auf ein erwartetes „nächstes Verbesserungspaket“ –, dass „erste spürbare Schritte zu einer Pflegereform gesetzt werden“. Und er lobte, dass man „nach Jahren der Stagnation endlich wieder moderne sozialpolitische Töne aus dem Sozialministerium“ höre.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch anerkannte die Bemühungen von Minister Johannes Rauch (Grüne), aber kritisierte: Es gebe wieder nur „Ankündigungen, die erneut mehr Fragen aufwerfen, als die drängenden Probleme in der Pflege zu lösen“.

„Die Bundesregierung bleibt ihrer Inszenierungspolitik treu. Viele Überschriften, wenig Inhalt", kritisierte die FPÖ. „In wesentlichen Bereichen wie der Lehre oder der 24-Stunden-Betreuung gibt es nichts außer Überschriften. Der allergrößte finanzielle Brocken geht in Bonuszahlungen für 2022 und 2023. Diese sind richtig und wichtig – aber was ist danach? Sinken die Gehälter dann wieder? Warum sollte jemand heute die Ausbildung zur Pflegekraft beginnen, wenn das Gehalt dann nach der erfolgreichen Ausbildung erst wieder so niedrig ist wie jetzt?“, fragte Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.

Auch NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler konnte den großen Jubel über die angekündigte Reform nicht ganz nachvollziehen. „Strukturelle Probleme lassen sich nicht nur mit Geld zuschütten“, verwies sie darauf, dass die Zersplitterung der Pflegefinanzierung genauso bestehen bleibe wie die mangelnde Anerkennung von Pflegeleistungen.

Maßnahmen auf zwei Jahre befristet

All jene Maßnahmen im am Donnerstag vorgestellten Paket, die zu Mehrkosten führen, sind vorerst auf zwei Jahre befristet (bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode). Begründet wurde das von Rauch damit, dass rasch gehandelt werden sollte.

Sozialminister Rauch zum Pflegepaket

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) stellte in Wien die Eckpunkte des Maßnahmenpakets vor, mit dem die Regierung Verbesserungen im Pflegebereich erreichen will.

„Das Motto war: ‚Jetzt rasch‘ – weil mit Recht eingefordert wurde, rasch ins Tun zu kommen. Wir wollten nicht auf die Finanzausgleichsverhandlungen (mit den Bundesländern, Anm.) warten.“ Dass eine Weiterführung über die genannten zwei Jahre hinaus eine „enorme Herausforderung“ wird, räumte der Minister ein – jetzt habe man einmal einen Schritt „für die nächsten beiden Jahre“ gemacht.

Das Paket wird schrittweise umgesetzt – die ersten Maßnahmen sollen noch vor dem Sommer im Nationalrat beschlossen werden, sagte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer. Der „Durchbruch bei der Pflegereform“ sei auch ein „Erfolg für die Gleichstellungspolitik“, sagte sie. ÖVP-Klubobmann August Wöginger sagte, man habe ein gutes Paket geschnürt, mit dem der bis 2030 benötigte Bedarf von 76.000 zusätzlichen Pflegekräften abgedeckt werden könne.