Blick ins U-Ausschuss-Lokal
ORF.at/Peter Pfeiffer
Vorarlberg-Affäre

Gezerre im U-Ausschuss erwartet

Im ÖVP-U-Ausschuss ist diese Woche die Inseraten- und Steueraffäre um die ÖVP und den ÖVP-Wirtschaftsbund in Vorarlberg das Thema. Geladen sind Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner und Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP). Der ehemalige Wirtschaftsbund-Direktor, Jürgen Kessler, der an Inseraten gut verdient haben soll, kommt nicht. Die ÖVP kündigte bereits Grundsatzdebatten über Fragen an Wallner an.

Im Raum stehen der Vorwurf der Korruption im Zusammenhang mit Inseraten in der Zeitung der ÖVP-Teilorganisation, der „Vorarlberger Wirtschaft“, sowie der Verdacht auf verdeckte Parteienfinanzierung und darauf, dass Steuern nicht ordentlich abgeführt wurden, weshalb auch ein Finanzstrafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch läuft. Ausgangspunkt waren eine Recherche von Ö1 und eine Steuerprüfung beim Wirtschaftsbund, der eine Selbstanzeige folgte.

Wallner wird am Mittwoch befragt – gegen ihn wird wegen des Verdachts der Vorteilsannahme (Paragraf 305 StGB) von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt. In einer eidesstattlichen Erklärung wirft ein öffentlich nicht namentlich bekannter Unternehmer Wallner vor, für Inserate in der Wirtschaftsbund-Zeitung geworben und dafür Gegenleistungen in Aussicht gestellt zu haben. Wallner weist das als „glatte Lüge“ zurück, ebenso Forderungen nach seinem Rücktritt.

Landeshauptmann Markus Wallner
APA/Dietmar Stiplovsek
Wallner versprach volle Aufklärung – wie viel davon im Ausschuss möglich ist, wird sich zeigen

Aufregung über Handytausch

Zwischenzeitlich sorgte der Landeshauptmann mit dem Austausch seines Handys und Tablets samt Antrag auf Datenlöschung für Irritationen, auch beim grünen Koalitionspartner in Vorarlberg, da das in zeitlicher Nähe zum Bekanntwerden der Vorwürfe und der Prüfung eines Anfangsverdachts durch die WKStA geschah. Laut dem grünen Landesrat Daniel Zadra war der Tausch keine Routine, er meldete das der WKStA. Wallner gab an, keine Daten gelöscht zu haben – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Ein Misstrauensantrag gegen Wallner scheiterte im Vorarlberger Landtag, der Landeshauptmann sicherte volle Kooperation bei der Aufklärung zu – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Wie weit das im Rahmen des ÖVP-U-Ausschusses möglich ist, da Ermittlungen gegen Wallner laufen und er sich daher entschlagen könnte, wird sich zeigen. Im Ausschuss gilt Wahrheitspflicht, eine Entschlagung ist mit Hinweis auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung möglich.

Auch gegen Wirtschaftslandesrat Marco Tittler und dessen Vorgänger Karlheinz Rüdisser soll wegen Vorteilsannahme zur Beeinflussung (Paragraf 306 StGB) ermittelt werden, offiziell bestätigt wurde das von der WKStA bisher nicht. Rüdisser ist interimistisch geschäftsführender Obmann beim Wirtschaftsbund nach Kessler. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Finanz will wegen Prüfung nicht öffentliche Befragung

Befragt wird nach Wallner ein Steuerprüfer im Fachbereich Großbetriebsprüfung. Die Finanz prüft, ob der Wirtschaftsbund in den vergangenen Jahren zu geringe Steuern bezahlt hat: zum einen für die Inserate und zum anderen für Geldflüsse an die Partei – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Dem Wirtschaftsbund droht eine Steuernachzahlung in Höhe von bis zu 1,3 Mio. Euro. Er hat im Zusammenhang mit der Steuerprüfung Selbstanzeige eingebracht – als „reine Vorsichtsmaßnahme“, wie kolportiert wurde.

Gerade weil die Prüfung offenbar noch läuft, bat die Chefin des bundesweit zuständigen Finanzamts für Großbetriebsprüfungen den U-Ausschuss um eine nicht medienöffentliche Befragung ihrer Mitarbeiter – ein zweiter kommt am Donnerstag. Das berichtete Ö1. Die mediale Berichterstattung könnte die Ergebnisse der noch laufenden Prüfung gefährden, argumentierte sie.

FPÖ gesprächsbereit, SPÖ und Grüne nicht

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker zeigte sich der Bitte gegenüber aufgeschlossen, SPÖ und Grüne lehnten das ab. SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer verwies darauf, dass im U-Ausschuss in der Vergangenheit über alle Steuerakten in medienöffentlicher Sitzung gesprochen worden sei. Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli argumentierte, dass das Finanzministerium die Akten zur Causa ohne strenge Geheimhaltungsstufe geschickt habe.

NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper wiederum versteht die Aufregung nicht. Denn wie bei den bis dato geladenen Staatsanwälten auch könne man schließlich von Frage zu Frage entscheiden, ob diese in einer vertraulichen Sitzung abgehandelt werden müssen oder nicht. Zu den bisher gelieferten Akten müssten aber sehr wohl Fragen zulässig sein. Im Vorfeld der Befragung zeichnete sich ab, dass womöglich Teile davon nicht medienöffentlich sein könnten.

Lange und hitzige Debatten erwartet

Fix ist damit wohl, dass es diese Woche sehr viele Geschäftsordnungsdebatten (Stehungen) geben wird. Dass die Vorarlberg-Affäre überhaupt Thema im U-Ausschuss wird, fand ja nicht überall Anklang. Kritiker halten dagegen, dass das eigentliche Gebiet ohnedies schon genug Stoff beinhalte und kaum überblickbar sei.

Die ÖVP erklärte bereits, jede einzelne Frage an Wallner selber infrage stellen zu wollen. Eine Vorbesprechung mit Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl über die Zulässigkeit von Fragen lehnte die Partei ab. Es wird wohl genau zwischen Fragen, die den Bund und jenen, die das Land betreffen, zu unterscheiden sein. Die Opposition beruft sich darauf, dass auch viele Akten geliefert wurden, weil sie eben Untersuchungsgegenstand seien. NEOS kündigte diese Woche an, auch die ÖVP-Seniorenbund-Affäre in den Ausschuss bringen zu wollen.

Zinsloses Darlehen und hohes Monatssalär

Kessler gilt als zentrale Figur der Vorarlberger Affäre, er soll an den Inseraten gut verdient haben: 15 Prozent Provision erhielt er für jedes Inserat, das er für die „Vorarlberger Wirtschaft“ verkaufte. Das war zwar offenbar bei seinem Vorgänger Walter Natter auch so geregelt, dieser gab aber an, dass ihm im Gegenzug das Grundgehalt gekürzt wurde. Das war bei Kessler gemäß den Unterlagen, die dem ÖVP-U-Ausschuss laut Medienberichten vorliegen, nicht so. Bis zu 30.000 Euro soll Kessler laut einem Bericht der „Vorarlberger Nachrichten“ in einzelnen Monaten verdient haben.

Weiters erhielt Kessler vom Wirtschaftsbund „als Anerkennung für seinen Arbeitseinsatz“ ein zinsloses Darlehen in Höhe von 250.000 Euro. Über eine Beteiligung als Gesellschafter an der Firma Media-Team, die die Inserate verkaufte, soll Kessler an Inseraten für Publikationen der Wirtschaftskammer mitverdient haben – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Kessler zog sich Ende 2021 aus Media-Team zurück, mit Ende Juni endet sein Vertrag beim Wirtschaftsbund.

Der Verein Bodenfreiheit entdeckte laut eigenen Angaben durchaus Auffälligkeiten bei Firmen in Vorarlberg in Verbindung mit geschalteten Inseraten – bei zwei Unternehmen soll im zeitlichen Umfeld der Widmungen mehr inseriert worden sein als sonst, darunter der Fruchsafthersteller Rauch. Die Firmen bestreiten einen Zusammenhang zwischen Inseraten und Widmungen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Rauch und Brunner kommen am Donnerstag

Jürgen Rauch vom gleichnamigen Fruchtsafthersteller und auch Finanzreferent beim Wirtschaftsbund wird am Donnerstag die Möglichkeit haben, zu der Affäre im U-Ausschuss Stellung zu nehmen. Er gilt als äußerst gut vernetzt in der Partei und spendete in der Vergangenheit für die Türkisen unter dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Informationen erhoffen sich die Abgeordneten auch von Finanzminister Brunner, der selber aus Vorarlberg kommt und auch am Donnerstag befragt werden soll. Komplettiert wird der zweite Befragungstag mit dem stellvertretenden Leiter des Finanzamts für Großbetriebe.

Zuletzt hieß es, dass Vorarlberg keinen eigenen U-Ausschuss plant, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte am Wochenende im „profil“ allerdings, er erwarte schon einen U-Ausschuss zur Inseratenaffäre auch im Vorarlberger Landtag. Aus Vorarlberg hieß es zuletzt, dass die Opposition noch abwarten will. Offiziell kann nur eine Partei einen U-Ausschuss beantragen, diese müsste dann auch den Vorsitz im Ausschuss übernehmen, was mehr Arbeit für sie bedeutet. Sollte es einen U-Ausschuss geben, gilt derzeit der September als frühester Termin.