Steckdose
ORF.at/Dominique Hammer
Schnellschätzung

Was die Inflation weiter antreibt

Im Mai hat die Statistik Austria laut Schnellschätzung eine Inflation von 8,0 Prozent berechnet – nach einem stetigen Anstieg seit Herbst 2021. Die Details werden erst Mitte Juni auf dem Tisch liegen. Dass die Teuerung im Mai stärker ausfiel als erwartet, hänge an den Effekten des Ölembargos gegen Russland, aber auch an Strom- und Gastariferhöhungen. Laut dem WIFO-Experten Josef Baumgartner schlägt sich das auf die Preise von Nahrungsmitteln und Konsumgütern nieder – ein Trend, der anhalten werde.

Das WIFO hatte für Mai lediglich mit einer Jahresteuerungsrate von 7,25 bis 7,75 Prozent gerechnet, im Mittel um die 7,5 Prozent, so Baumgartner im Ö1-Mittagsjournal. Der höhere Wert sei wohl den Effekten des Ölembargos, aber auch den Strom- und Gastariferhöhungen des Verbund-Konzerns per Anfang des Monats geschuldet.

Er erwarte nach dem langen Ringen um das EU-Ölembargo einen weiteren leichten Ölpreisanstieg mit einem anschließenden Durchschlagen auf die Endverbraucher etwa bei Diesel, so Baumgartner. Dazu kämen Lieferverzögerungen durch die blockierten Häfen in Schanghai, was die Kosten für Transporte erhöhe und weiter zu Lieferschwierigkeiten in vielen Bereichen führe.

Grafik zeigt Daten zur geschätzten Inflation in Österreich im Mai 2022
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Statistik Austria

Weiterer Anstieg im Lebensmittelbereich erwartet

Auch im Bereich Nahrungsmittel und Konsumgüter würden nun die hohen Erzeugerpreise und die hohen Transportkosten sukzessive an die Verbraucher weitergegeben. Auch im Nahrungsmittelbereich sehe man bereits erste Auswirkungen des Ukraine-Krieges, auch wenn die Preiserhöhungen noch nicht ganz bei den verarbeiteten Produkten angekommen seien. Bei Lebensmitteln erwarte er im weiteren Jahresverlauf noch Zuwächse, da in diesem Bereich „die Effekte des Ukraine-Krieges großteils noch nicht eingepreist sind“, so Baumgartner.

Zusätzlich sei für Gas und Strom auf Grundlage der aktuellen Preisentwicklungen im europäischen Großhandel ab Herbst bzw. Anfang nächsten Jahres mit einer weiteren Verteuerung zu rechnen. „Vor allem für Haushalte mit niedrigen Einkommen werden die Belastungen zunehmend schwieriger zu verkraften sein und weitere rasche Unterstützungen notwendig machen.“

Geringverdiener spüren Teuerungen stärker

Die Kostenexplosion ist laut Baumgartner vor allem von einkommensschwächeren Haushalten schwer zu bewältigen. „Die relative Belastung für diese Gruppen durch die Teuerung ist höher, weil sie im Vergleich zu Besserverdienern einen wesentlich größeren Teil ihres Einkommens für notwendige Güter ausgeben, auf die sie nicht verzichten können.“ Hinzu komme, dass viele Haushalte de facto aufgrund der geringen Einkommen keine Ersparnisse bilden und damit die Puffer fehlen, um die Mehrausgaben zu bewältigen.

Baumgartner geht davon aus, dass es in Österreich eher noch bis zum Sommer hohe Inflationsraten geben wird, die sich erst im Herbst abschwächen. Ob dabei der Höhepunkt schon im Mai oder vielleicht erst im Juni oder Juli erreicht sein wird, lasse sich momentan schwer sagen. Bis vor Kurzem habe man das schon für Mai oder Juni erwartet. „Ab dem dritten und vierten Quartal sollten die Teuerungsraten aber wieder etwas zurückgehen“, so Baumgartner.

Opposition fordert Sofortmaßnahmen

Die SPÖ erneuerte am Dienstag ihre Forderung nach Sofortmaßnahmen, darunter das Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, einen Preisdeckel für Mieten, einen Preisdeckel bei Energie für einkommensschwache Haushalte, die Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 70 Prozent Nettoersatzrate, die vorzeitige Pensionsanpassung und die vorzeitige Anpassung des Pflegegelds und anderer Sozialleistungen.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch schrieb in einer Aussendung, dass er nicht verstehe, „warum die Regierung seit fast einem Jahr zuschaut, wie immer mehr Menschen sich das Leben nicht mehr leisten können und in existenzielle Notlagen kommen“.

Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte in einer Aussendung Steuersenkungen von der Regierung. „Der Finanzminister, der von steigenden Nettopreisen durch die Mehrwertsteuer groß abkassiert, muss diese Mehreinnahmen den Menschen durch Steuersenkungen wieder zurückgeben.“ Er fordere die Senkung der Steuern auf Energie, Treibstoffe und Grundnahrungsmittel. Sollte das EU-rechtlich nicht zulässig sein, müsse der Staat mit Preisdeckeln arbeiten. „Schwarz-Grün ist nur noch mit sich selbst beschäftigt und kümmert sich nicht einmal ansatzweise um die Existenzängste der Bevölkerung. Das ist beschämend“, so Kickl.

„Die Regierung muss endlich aufwachen und das tun, wofür sie bezahlt wird, nämlich arbeiten“, sagte NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. „Die Rekordinflation lässt sich nicht mit ein, zwei Gutscheinchen wegstreicheln, die Rekordinflation verlangt nach echten und entschlossenen Maßnahmen.“ Dafür würden laut Loacker eine umgehende Senkung der Lohnnebenkosten und das sofortige und rückwirkende Ende der kalten Progression sorgen.

Handelsverband: „Zeit zum Handeln gekommen“

Der Handelsverband forderte ein Eingreifen der Regierung, konkret die Abschaffung der kalten Progression, die Mehrwertsteuersenkung auf Energie und eine Senkung der Lohnnebenkosten. „Die Teuerung trifft – neben den bisher hauptbetroffenen Geringverdienern – immer mehr auch den Mittelstand. Ebenso sind die heimischen KMU, aber auch die beschäftigungsintensiven Unternehmen immer stärker betroffen“, so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. „Die Zeit zum Handeln für die Bundesregierung ist daher spätestens jetzt gekommen.“

Gleich für eine generelle Streichung der Mehrwertsteuer „auf lebensnotwendige Waren“ sprach sich GPA-Chefin Barbara Teiber aus. Das führe zu einer Entlastung der Bevölkerung und sei ein volkswirtschaftliches Instrument zur Dämpfung der Inflation. Die leitende ÖGB-Sekretärin Ingrid Reischl verlangte Steuerrefundierungen an die Menschen in Milliardenhöhe im Sinne des Sozialpartner-Maßnahmenpakets von Ende März.