Rechnungshofbericht
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RH-Vorwürfe

„Toxische Mischung“ für ÖVP

Der Rechnungshof (RH) hat am Freitag nach langer Prüfung die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und dabei eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz angezeigt – etwa hinsichtlich der Einhaltung der Obergrenze für Wahlkampfkosten. Nun sollen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale geschickt werden. Die ÖVP gibt sich gelassen und betont die Rechtmäßigkeit der Finanzen. Doch Politikberater Thomas Hofer ortete in der ZIB2 am Freitag angesichts der Serie nicht abreißender Vorwürfe eine „toxische Mischung“ für die Kanzlerpartei.

Bundeskanzler Karl Nehammer sei von den Enthüllungen der vergangenen Monate – Stichwort Chats – weitgehend unberührt geblieben. Doch die jüngsten Vorwürfe könnten für den damaligen Generalsekretär Nehammer durchaus zum „persönlichen Problem“ werden, so Hofer. Er war damals für den Wahlkampf verantwortlich. Grundsätzlich sei für die ÖVP vor allem schwierig, dass immer wieder neue Vorwürfe – etwa das Thema Wirtschaftsbund oder die Cobra-Affäre – auftauchen und damit „nachhaltiger Schaden am ÖVP-Image“ drohe. Diese Mischung sei „toxisch“.

Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger verwies indes ebenfalls in der ZIB2 darauf, dass sich der Rechnungshof bei seiner Einschätzung zu den Wahlkampfkosten auf interne Dokumente beruft, die dem Rechnungshof laut eigenen Angaben zugespielt wurden. Es liege nahe, dass es sich um Dokumente handle, die bereits 2019 im „Falter“ thematisiert worden waren. Den damaligen Berichten zufolge hätten sich Hinweise auf eine doppelte Planung bezüglich der Angabe bzw. Nichtangabe von Wahlwerbungskosten ergeben. Dazu stelle sich nun die „juristische Frage“ der Zulässigkeit, so Sickinger.

RH zweifelt an ÖVP-Bilanz

Der Rechnungshof hat die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und Zweifel angemeldet. Konkret geht es um die Wahlkampfkosten.

Bußgeld wäre wohl höher als 2017

Sollte es die Überschreitung tatsächlich gegeben haben, drohen der ÖVP eine Meldung an den Unabhängigen Parteien-Transparenzsenat, in weiterer Folge die Verhängung eines Bußgelds. Ein solches hatte die ÖVP bereits wegen der Überschreitung der Kosten im Wahlkampf 2017 zahlen müssen, mittlerweile wurden die Gesetze verschärft, und eine Strafe könnte höher ausfallen als damals.

Hubert Sickinger zu ÖVP-Finanzen

Zum Bericht des Rechnungshofs über die Wahlkampfkosten der ÖVP ist Politikwissenschaftler Hubert Sickinger zu Gast im Studio.

Der Parteienfinanzierungsexperte stellte fest, dass die vom Rechnungshof kritisierten Konstruktionen kein Unikum der ÖVP seien, diese in der Partei aber besonders häufig auftreten würden. Das liege an der differenzierten Parteistruktur und einer Vielzahl an „Vehikeln“, so gebe die ÖVP etwa mehr Medien heraus als andere Parteien. Durch diese Strukturen gebe es „mehr Gelegenheit“.

NR-Wahlkampf günstiger als EU-Wahlkampf

In der RH-Veröffentlichung von Freitag wurde gleich eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz angezeigt, weswegen nun ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer die ÖVP-Zahlen erneut untersuchen soll. Unter anderem bezweifeln die Prüfer, dass die Volkspartei die Wahlkampfkosten korrekt abgerechnet hat. Es gebe „Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl“, so RH-Sprecher Christian Neuwirth.

Für Zweifel hätten unter anderem Angaben der ÖVP gesorgt, wonach für den Nationalratswahlkampf (5,6 Mio. Euro) deutlich weniger als für die EU-Parlamentswahl (6,9 Mio. Euro) ausgegeben worden sei. Das sei „mit der politischen Lebenswirklichkeit für den Rechnungshof schwer in Einklang zu bringen“, hieß es dazu in der Stellungnahme des RH – laut RH-Chefin Margit Kraker lasse man sich von der ÖVP „aber gerne davon überzeugen“.

Von Vorarlberg bis Seniorenbund

Aufklärungsbedarf ortet der RH aber auch rund um zwei Studien vom Finanzministerium und „Vorgängen in Vorarlberg“. Hier habe die Prüfung von Inseraten Hinweise auf verdeckte Parteispenden ergeben.

Auch in der Causa Seniorenbund ortet der RH Probleme: So wertet der Rechnungshof die mit Coronavirus-Hilfsmitteln geförderten Vereine des ÖVP-Seniorenbundes als Teil der ÖVP, womit diese keine CoV-Hilfen hätten beziehen dürfen. Ebenfalls angezeigt wurden Wahlkampfinserate in der „Niederösterreich Zeitung“ der ÖVP, die Werbung des Landwirtschaftsministeriums für den Bauernbundball sowie zwei vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Umfragen vor der EU-Wahl 2019.

ÖVP: Haben nichts zu verbergen

Die ÖVP wies die Vorwürfe zurück und gab sich „gelassen“. Man habe nichts zu verbergen, so Nehammer samt Zurückweisung der Vorwürfe. Man nehme zur Kenntnis, „dass sich der Rechnungshof durch einen dritten Wirtschaftsprüfer absichern will“. Die Volkspartei habe „alle Kosten der Wahlkämpfe 2019 lückenlos und korrekt angegeben“.

Der grüne Koalitionspartner sprach von einem „miesen Zeugnis“. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ortete einen „vernichtenden RH-Bericht zu den ÖVP-Finanzen“. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz zeigte sich „fassungslos“ und nannte die Zahlen der ÖVP ein „einziges Schummel- und Blendwerk“. Geht es nach NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos, bestätige der RH-Bericht „erneut, dass die ÖVP vollkommen unverschämt und eigennützig mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreichern hantiert“.