Menschen bei Einkaufen auf der Mariahilferstraße
ORF.at/Dominique Hammer
WIFO-Expertin zu Paket

Gute Ansätze, aber „ein bisschen Gießkanne“

Mit einem weiteren milliardenschweren Paket will die Regierung der Teuerung begegnen. Margit Schratzenstaller, eine Expertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), sieht in den Maßnahmen eine Reihe von positiven Ansätzen. In manchen Punkten moniert sie aber ein bisschen das Prinzip „Gießkanne“. Und eine Entscheidung habe überhaupt eine falsche Signalwirkung, so die Ökonomin.

Mit dem neuen Entlastungspaket gegen die Teuerung will die Regierung allein in diesem Jahr sechs Milliarden Euro in die Hand nehmen. Die Frage, die sich angesichts der Ankündigungen – von einmalig erhöhtem Klimabonus bis Aufstockung des Kindermehrbetrags – stellt: Wie treffsicher sind die Pläne?

Es gebe in dem neuen Paket schon eine Reihe von gezielten Maßnahmen für einkommensschwache Haushalte, sagt Schratzenstaller im Gespräch mit ORF.at. So komme etwa der „Teuerungsabsetzbetrag“, der auch auf die Negativsteuer wirke, vor allem kleineren Einkommen zu. Auch die Einmalzahlung über 300 Euro für Transferleistungsempfänger sei klar eine Maßnahme für einkommensschwache Haushalte.

WIFO Budgetexpertin Margit Schratzenstaller
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WIFO-Ökonomin Schratzenstaller sieht richtige Schritte, aber auch Versäumnisse

„Sie dürfen das Paket auch nicht nur für sich alleine stehend sehen“, so die Ökonomin. Die nunmehrige Zahlung sei eine Aufstockung der Beträge, die bereits in den vergangenen beiden Hilfspaketen festgesetzt wurden. „Im ersten Paket betrug der Teuerungsausgleich 150 Euro. Im zweiten wurde er um 150 Euro erhöht. Und jetzt kommen noch einmal 300 dazu. Das macht in Summe 600 Euro“, sagt Schratzenstaller.

Familienbonus und Klimabonus für Gutverdiener

Zugleich sieht die WIFO-Expertin aber auch Punkte, „die sind weniger treffsicher“ – etwa die Aufstockung des Familienbonus. Als Steuerabsetzbetrag entlaste er vor allem mittlere und hohe Einkommen. Auch der mit einem Teuerungsbonus noch einmal deutlich erhöhte Klimabonus – einmalig gibt es heuer für alle Erwachsenen 500 Euro – ist für Schratzenstaller „ein bisschen Gießkanne“.

Wie wirkt das „Geld-zurück-Paket“?

Das „Geld-zurück-Paket“ soll vor allem jene Menschen entlasten, die besonders stark von der Teuerung betroffen sind. Die ORF-Wirtschaftsredaktion hat sich anhand von zwei Bespielen angesehen, ob die Maßnahmen dort greifen.

Zwar würden sehr hohe Einkommen davon weniger profitieren, da der Bonus ab 90.000 Euro Jahreseinkommen versteuert werden müsse. Aber natürlich entlaste er auch mittlere und höhere Einkommen. Da hätte man sich schon überlegen können, die Steuergrenze etwas niedriger anzusetzen, so die Ökonomin.

Verschiebung von CO2-Steuer „falsche Signalwirkung“

Als tatsächliches Versäumnis betrachtet Schratzenstaller die Verschiebung der CO2-Steuer. Auch wenn es dabei nicht um große Summen gehe, sei das eine „falsche ökologische Signalwirkung“, sagt die Ökonomin. Seien es doch gerade auch die fossilen Energien, welche die Inflation antrieben.

Als positiv erachtet die Ökonomin, dass nicht zusätzlich über die Steuerschraube an den Preisen – gerade von fossilen Brennstoffen – gedreht wurde. Eine Mehrwertsteuersenkung etwa sei teuer und begrenzt effektiv. Überdies sei die soziale Treffsicherheit fraglich. Insofern sei es sinnvoll, dass die Regierung in diesem Paket auf „einkommensstützende Maßnahmen“ gesetzt habe.

Zu wenig ökologische Impulse

Dass die Entlastungsschritte die Inflation stark anheizen, hält die Ökonomin für unwahrscheinlich; eine Ansicht, die am Dienstag auch der WIFO-Inflationsexperte Josef Baumgartner und der WU-Professor Armon Renzai teilten. In Österreich sehe man sich derzeit vor allem mit einer importierten Inflation konfrontiert. Diese sei auf globale Entwicklungen und Preissteigerungen, etwa im Energiesektor, zurückzuführen. Leichte Steigerungen bei der Nachfrage würden hier „das Kraut auch nicht mehr fett machen“, so der Ökonom Renzai.

Margit Schratzenstaller (WIFO)

Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), über die Maßnahmen gegen die Teuerung.

Angesichts der hohen Preise für (fossile) Energien sieht Schratzenstaller denn auch eine vertane Chance in dem jüngsten Paket. Sie hätte sich – auch im Hinblick auf längerfristige Maßnahmen – stärkere Akzente bei grünen Investitionen und dem Ausstieg aus Fossilen gewünscht, sagt die Ökonomin. Schließlich würden damit auch die Ursachen der Teuerung bekämpft. Auch einen Ausblick auf die großen Reformbaustellen wie Föderalismus oder das Fördersystem geht der Ökonomin ab. Sie sieht die Gefahr, dass durch die zusätzliche Belastung des Budgets Strukturreformen schwieriger werden.

Kompromiss „in die richtige Richtung“

Als Teil der längerfristigen Maßnahmen will die Regierung bereits ab kommenden Jahr auf eine zusätzliche Mehreinnahme verzichten. Mit Anfang 2023 soll die kalte Progression per Anpassung der Steuerstufen abgeschafft werden. Diese sollen automatisch um zwei Drittel des Werts der Vorjahrsinflation angehoben werden. Das restliche Drittel, das der Staat durch die kalte Progression an Mehreinnahmen lukriert, soll ebenfalls ausgeschüttet werden – allerdings vom Gesetzgeber gesteuert.

Als einen „Kompromiss, der in die richtige Richtung geht“, bezeichnet Schratzenstaller diese Lösung. Es komme zu einem laufenden Abbau, während der Staat zugleich die Gestaltungsmöglichkeiten nicht ganz aus der Hand gebe. Positiv hebt die WIFO-Ökonomin auch hervor, dass der Umfang der kalten Progression alljährlich durch einen Bericht von WIFO und IHS erhoben werden soll. Ein solcher Bericht liefere die „nötige Basis“, sagt Schratzenstaller. Er würde nicht nur den Umfang der kalten Progression wiedergeben, sondern auch genauere Einblicke etwa in die einzelnen Einkommensgruppen bieten.

Positiv hebt Schratzenstaller auch die angekündigte Valorisierung der Sozialleistungen hervor – eine von zivilgesellschaftlichen Organisationen schon lange geforderte Maßnahme. Sie verstehe die Ankündigung auch so, dass die Sozialleistungen nicht einmalig, sondern regelmäßig an die Inflation angepasst werden, so Schratzenstaller.

WIFO rechnet nach

Insgesamt 28 Milliarden Euro sollen laut Regierung alle kurz- und längerfristigen Maßnahmen bis 2026 ausmachen. Einen Großteil davon, nämlich 24 Milliarden, will die Regierung über Mehreinnahmen wieder hineinbekommen. So sollen rund 14 Milliarden durch höhere Steuereinnahmen aufgrund der Inflation und weitere zehn Milliarden durch einen gestiegenen Konsum zusätzlich im Staatshaushalt landen.

Ob diese Zahlen halten, traut sich Schratzenstaller noch nicht zu beurteilen. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr kündigte im Ö1-Mittagsjournal bereits an, dass das Wirtschaftsforschungsinstitut „sicher ganz genau rechnen“ werde.