Shell Raffinerie in der Nähe von Köln
Reuters/Wolfgang Rattay
Übergewinnsteuer

Europas Umgang mit den Energieprofiten

Die Preise für Strom und Gas sind seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine stark gestiegen. Was für Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend zum Problem wird, hat vielen Energiekonzernen Milliardeneinnahmen beschert. Das nährt die Debatte über das stärkere Abschöpfen der Energieprofite, Stichwort Übergewinnsteuer. Ein europaweit einheitliches Vorgehen gibt es dabei nicht, jedes Land geht seinen eigenen Weg.

Firmen wie BP, Exxonmobil, Chevron und Shell hatten kürzlich für das zweite Quartal hohe Gewinne vermeldet. Auch die Bilanzen von OMV und Verbund weisen für diesen Zeitraum Rekordgewinne aus. In den europäischen Staaten laufen indes die Vorbereitungen für mögliche Energieengpässe in Herbst und Winter.

Und in einer wachsenden Zahl an Haushalten zittert man der nächsten Energiekostenabrechnung entgegen. Erst am Mittwoch kündigten der niederösterreichische Energieversorger EVN und die Wien Energie eine erneute deutliche Anhebung der Tarife an – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

„Unmoralisch“: UNO-Chef kritisiert Energieriesen

Gerade die Rohstoffgiganten sehen sich ob der stark gestiegenen Gewinne mit scharfer Kritik konfrontiert. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warf den Konzernen vor, „exzessive“ Profite aus der Energiekrise wegen des Ukraine-Krieges zu ziehen. Das sei „unmoralisch“, so Guterres. Öl- und Gasfirmen bereicherten sich in der Krise „auf dem Rücken der ärmsten Menschen und Gemeinden und massiv zulasten des Klimas“, fügte der UNO-Generalsekretär hinzu. Guterres bezifferte die Gewinne der größten Energiefirmen im ersten Quartal des Jahres auf zusammen genommen 100 Milliarden Dollar (gut 98 Milliarden Euro).

Energie: UNO-Chef für Übergewinnsteuer

Große Gas- und Ölkonzerne verzeichnen aufgrund der steigenden Energiepreise große Gewinne. Deshalb wird die Debatte geführt, ob man deren Gewinne versteuern soll. Der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ist dafür.

Guterres äußerte sich anlässlich der Vorstellung eines UNO-Reports zu den Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. „Ich fordere alle Regierungen auf, diese exzessiven Profite zu besteuern und die Einnahmen zur Unterstützung der verwundbarsten Menschen zu nutzen, um diese schwierigen Zeiten zu überstehen.“ Der Sektor der fossilen Energie und dessen Unterstützer benötigten eine „klare Botschaft“, dass deren „Gier“ die Ärmsten bestrafe und den Planeten zerstöre.

EU-Parlament fordert Übergewinnsteuer

Eine europaweite Lösung für den Umgang mit übermäßigen Energieprofiten und der Einführung zusätzlicher Steuern gibt es nicht. Das EU-Parlament verabschiedete im Mai eine Resolution, in der die prinzipielle Einführung einer Übergewinnsteuer gefordert wurde.

Die EU-Kommission hält die Einführung von Übergewinnsteuern in den Mitgliedsstaaten prinzipiell für möglich. In einem im März veröffentlichten Dokument wurde betont, derartige Abgaben müssten „verhältnismäßig“ und „zeitlich begrenzt“ sein und dürften nicht zu „unverhältnismäßigen Marktverzerrungen“ führen.

Spanien bittet Energiekonzerne und Banken zur Kasse

Einige Länder sind bereits vorgeprescht. Spaniens linke Regierung will die Energiekonzerne und Banken in diesem und kommendem Jahr mit einer Übergewinnsteuer belegen. Beiden Sektoren soll dabei untersagt werden, die zusätzlichen Steuern auf ihre Kundschaft abzuwälzen.

Die Regierung des sozialistischen Premiers Pedro Sanchez erhofft sich Zusatzeinnahmen von sieben Mrd. Euro. Mit dem Geld sollen Maßnahmen gegen die Inflation finanziert werden. Beschlossen werden soll das Paket im Herbst. Verschiedene Banken- und Energiekonzernverbände kündigten rechtliche Schritte an. In Spanien wie auch in Portugal wurden Strom- und Gaspreis bereits entkoppelt und Preisdeckel eingeführt.

Der spanische Premierminister Pedro Sanchez
AP/Europa Press/Alejandro Martínez Vélez
Spaniens Premier Sanchez: Die Regierung erhofft sich Mehreinnahmen von sieben Mrd. Euro

Italien führte im März eine Übergewinnsteuer ein. Eine erste, bis Ende Juni fällige Zahlung wurde von einigen Energieunternehmen offenbar verweigert. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters entgingen dem Staat dadurch fast neun Mrd. Euro. Unternehmen, die die Zahlungsfrist verpasst haben, können die Abgabe in den kommenden Wochen oder Monaten nachzahlen. Allerdings werden dann Strafgebühren und Zinsen fällig, berichtete Reuters unter Berufung auf das Finanzministerium in Rom.

Die griechische Regierung unter dem konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis kündigte das Abschöpfen übermäßiger Gewinne der Energiekonzerne an, entsprechende Absichten gibt es auch in Ungarn und Rumänien. Das britische Unterhaus beschloss eine Übergewinnsteuer für Unternehmen, die in der Nordsee Öl und Gas fördern. In Kraft getreten ist sie erst im Juli, auf die Milliardengewinne im zweiten Quartal ist sie damit nicht anwendbar.

Brunner gegen „Strafsteuern“

In Österreich ist eine Übergewinnsteuer für gut verdienende Energiefirmen derzeit kein Thema. „Eine Windfall-Profit-Tax hätte auch Erneuerbare-Anbieter betroffen, die wären bestraft worden – und wir reden ständig über den ökologischen Wandel“, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Er sei jedoch „froh“, dass es vom Verbund und der Staatsholding ÖBAG eine Sonderdividende gebe und die Kundinnen und Kunden einen Bonus erhielten.

Zur „Wiener Zeitung“ sagte Brunner zur Übergewinnsteuer: „Grundsätzlich plädiere ich für den Fall von Übergewinnen, dass die Länder vergleichbare Maßnahmen nach dem Vorbild des Verbund setzen. Strafsteuern kann ich nichts abgewinnen.“ Begonnen hatte die Debatte im Mai, als Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) das Thema aufs Tapet brachte. Die SPÖ drängt weiterhin auf eine Sondersteuer auf übermäßig hohe Unternehmensgewinne von Energiefirmen. Die Mehreinnahmen der Energieerzeuger und -lieferanten schätzt die Sozialdemokratie auf vier bis sechs Mrd. Euro.

Diskussion in Deutschland

In Deutschland sorgt das Thema unterdessen für Zwist in der Ampelkoalition. In der SPD und bei den Grünen kann man sich eine solche Abgabe vorstellen. Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist die Einführung aktuell kein Thema, wie ein Regierungssprecher sagte. Vehementer Gegner der Abgabe ist Finanzminister Christian Lindner (FDP). Unternehmen bezahlten in Deutschland bereits sehr hohe Steuern, schrieb Lindner auf Twitter. Von einer einzelnen Branche jetzt noch mehr zu verlangen, „erscheint mir willkürlich und ruiniert das Vertrauen in unser Steuersystem“, erklärte er.

Ähnlich argumentierte der Präsident des deutschen Wirtschaftsinstitutes ifo, Clemens Fuest. „Wer in der Krise hohe Gewinne macht, zahlt schon heute entsprechend hohe Steuern. Darüber hinaus eine Zusatzsteuer einzuführen, halte ich nicht für sinnvoll“, sagte Fuest der Zeitung „Rheinische Post“. Der Ökonom führte die Krisengewinne teilweise auch auf vorausschauendes Wirtschaften zurück.