Russischer Präsident Wladimir Putin und türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan
APA/AFP/Turkish Presidential Press Service/Murat Kula
Treffen in Sotschi

Putin und Erdogan auf Annäherungskurs

Kreml-Chef Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sind am Freitag in der russischen Schwarzmeer-Hafenstadt Sotschi zusammengekommen. Auf der Agenda des Treffens standen neben dem Krieg in der Ukraine unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit in Wirtschafts- und Energiefragen sowie die Situation in Syrien.

Das Gespräch dauerte vier Stunden, wie es aus dem türkischen Präsidialpalast hieß und von Putins Sprecher Dmitri Peskow bestätigt wurde. Nach Angaben des Kreml einigten sich die beiden Staatschefs auf eine verstärkte Zusammenarbeit in Wirtschafts- und Energiefragen. Eine Pressekonferenz war zunächst nicht geplant.

„Ich glaube, dass (das heutige Treffen) eine ganz neue Seite in den türkisch-russischen Beziehungen aufschlagen wird“, sagte Erdogan im Vorfeld. Er fügte hinzu, dass es auch um den Konflikt in Syrien gehe. Die Türkei hält bereits Gebiete in Nordsyrien besetzt und begründet eine erneute Offensive mit „terroristischer Bedrohung“ von Seiten der syrischen Kurdenmiliz YPG, die Ankara als Terrororganisation ansieht.

Russischer Präsident Wladimir Putin und türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan
APA/AFP/Turkish Presidential Press Service/Murat Kula
Erdogan bei Putin in Sotschi

Schon beim vergangenen Treffen von Erdogan und Putin Mitte Juli hatte der russische Präsident klar gemacht, dass er die türkischen Pläne ablehnt. „Die Türkei hat aus Sicherheitsgründen berechtigte Interessen, die wir natürlich berücksichtigen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor dem Treffen am Freitag. Es sei aber „sehr wichtig, keine Maßnahmen zuzulassen, die zu einer Destabilisierung der Situation in Syrien führen oder die territoriale und politische Integrität Syriens gefährden könnten“.

Militärische Zusammenarbeit möglich

Erdogan hatte bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gesagt, er schließe Waffengeschäfte mit Russland nicht aus. Russland interessiert sich beispielsweise für die vom ukrainischen Militär erfolgreich eingesetzte türkische Kampfdrohne Bayraktar TB2. Putin habe vorgeschlagen, gemeinsam mit der Türkei an den Drohnen des Unternehmens Baykar zu arbeiten, sagte Erdogan nach Angaben des Senders CNN Türk.

Erdogans Schwiegersohn Selcuk Bayraktar ist technischer Direktor (CTO) des Unternehmens. Dessen Bruder Haluk, CEO von Baykar, ist ein prononcierter Unterstützer der Ukraine und hatte in einem CNN-Interview im Juli dem Verkauf von Bayraktar-Drohnen an Russland eine Absage erteilt.

Krisai (ORF) über Putin-Erdogan-Treffen

ORF-Korrespondent Paul Krisai berichtet über das Treffen zwischen dem türkischen Präsidenten Erdogan und dem russischen Präsidenten Putin.

Türkei sieht sich in Vermittlerrolle

Putin hatte Erdogan im Vorfeld für die Vermittlung zum Abschluss des Getreideabkommens in einem Statement in Sotschi gedankt. Die Türkei pflegt sowohl zur Ukraine als auch zu Russland enge Beziehungen und sieht sich als Vermittler zwischen beiden Parteien. Erdogan und Putin hatten sich zuletzt Mitte Juli in Teheran getroffen – unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei einigten sich beide Kriegsparteien zuletzt, die Ausfuhr von Getreide aus drei blockierten, ukrainischen Häfen wieder aufzunehmen.

Am vergangenen Montag lief dann ein erstes mit Mais beladenes Schiff aus dem Hafen von Odessa aus. Weitere Schiffe sollen folgen. Wegen des Krieges waren in den vergangenen Monaten alle Getreideexporte der Ukraine aus ihren Schwarzmeer-Häfen blockiert.

Putin lobt Erdogan und Turkstream

Der Getreidedeal gilt als „großer diplomatischer Sieg“ für Erdogan, schreibt etwa die deutsche Nachrichtenseite Welt. Und auch Moskau profitiert von dem Deal, da dadurch der Ärger der östlichen Verbündeten über die gestiegenen Lebensmittelpreise zurückgeht.

Erdogan habe nicht nur die Wiederaufnahme der ukrainischen Getreidelieferungen aus den Schwarzmeer-Häfen befördert, sagte Putin in Sotschi. „Sondern gleichzeitig wurde eine Paketlösung über die störungsfreie Lieferung russischer Lebens- und Düngemittel auf die Weltmärkte verabschiedet.“ Daneben lobte der russische Präsident das Erdgaspipeline-Projekt Turkstream. Europa solle der Türkei dankbar für die ununterbrochenen Lieferungen von russischem Gas sein, sagte Putin.

Erdogan bei Putin in Sotschi eingetroffen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist zu seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi eingetroffen. Neben dem Krieg in der Ukraine soll es laut Fachleuten um eine neue Offensive in Syrien gehen, aber auch um militärtechnische Zusammenarbeit. Die Türkei pflegt sowohl zur Ukraine als auch zu Russland enge Beziehungen und sieht sich als Vermittler zwischen beiden Parteien. Zuletzt einigten sich unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei beide Kriegsparteien, die Ausfuhr von Getreide aus drei blockierten ukrainischen Häfen wieder aufzunehmen.

Wirtschaftliche Interessen im Hintergrund

Hinter den Bemühungen des türkischen Präsidenten, weiterhin diplomatische Beziehungen zu Russland zu pflegen, stecken freilich auch wirtschaftliche Interessen. Russisches Erdgas machte im vergangenen Jahr 45 Prozent der Gaseinkäufe der importabhängigen Türkei aus, die aufgrund der Dürre und der damit verbundenen Steigerung der gasbetriebenen Stromerzeugung ein Rekordniveau erreichten.

Der russische Nuklearkonzern Rosatom baut außerdem ein Kernkraftwerk in Akkuyu in der Südtürkei, das laut Putin nächstes Jahr in Betrieb gehen soll. Das Kraftwerk soll bis zu 10 Prozent des türkischen Energiebedarfes decken und wird noch mehrere Jahrzehnte lang von Rosatom betrieben und verwaltet werden.

Baustelle des türkischen Kernkraftwerks Akkuyu 2018
APA/AFP/Dogan News Agency/Ibrahim Mese
In der Südtürkei entsteht das erste Kernkraftwerk Akkuyu, das vom russischen Konzern Rosatom gebaut wird

Hinzu kommt, dass nächstes Jahr die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei anstehen, und sich die türkische Wirtschaft gerade mit knapp 80 Prozent einer beispiellosen Inflation ausgesetzt sieht. Tourismus gilt als eine der wichtigsten stabilen Einnahmequellen – und 2019 kamen mit sieben Millionen Russinnen und Russen am meisten Touristinnen und Touristen aus Russland, wie die Agentur Reuters meldete.