Regenwolken über einem dürren Acker
ORF.at/Günther Rosenberger
Klimakrise und Dürre

Warum ein wenig Regen nicht mehr reicht

Die letzten Wochen und Monate haben gezeigt, wie die Klimakrise Hitzewellen, Dürre und Wasserknappheit verschärft. Auch in Österreich hat sich das Landschaftsbild mancherorts von der grünen Wiese zur kargen Steppe gewandelt. Doch ein paar Tage Abkühlung und Regen reichen bei Weitem nicht, damit sich die Natur regenerieren kann. Aber auch zu viel Niederschlag darf es nicht sein.

Nicht nur für die Menschen bedeuten Dürreperioden und Hitzewellen eine enorme Belastung. Temperaturen über 30 Grad täglich ohne Aussicht auf Abkühlung setzen auch der Natur zu – mit sichtbaren Folgen. Vielerorts sind auch in Österreich Wiesen und Wälder sichtbar zu trocken – wenn auch mit regionalen Unterschieden.

Langersehnter Regen könnte den Pflanzen helfen, sich vom Trockenstress zu erholen. Doch es kommt auf die Dosis an. Wie lange es genau regnen müsste, sei schwierig zu sagen, erklärt Klaus Haslinger, Klimaforscher bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), gegenüber ORF.at. Es sei etwa zwischen Wald und Wiese zu unterscheiden.

Österreichischer Trockenheitsindex der letzten 30 Tage im Vergleich zum langjährigen Mittel 1961–2010 (Stand 7.8.2022)

Der standardisierte Indexwert der klimatischen Wasserbilanz der ZAMG zeigt die regionalen Unterschiede deutlich. Neben Niederschlagsmengen fließt auch die potenzielle Verdunstung in die Berechnungen mit ein. Im Vergleich zu 1961 bis 2010 zeigt sich aber ein durchaus deutliches Bild: In den vergangenen 30 Tagen waren weite Teile Österreichs auffällig trocken.

Regendefizit von 24 Prozent

Vergleicht man das bisherige Jahr mit dem Schnitt aus 1961 bis 1990, wird klar, dass Österreich ein Regendefizit hat: Rund 24 Prozent Niederschlag fehlen bisher. Dieses Defizit gelte es grundsätzlich auszugleichen: „Es bräuchte ein paar Tage Landregen – also geringe Intensität, aber stetig –, damit das Wasser auch versickern kann“, so Haslinger.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Denn wichtig für eine Regeneration der Natur ist, dass der Regen tatsächlich im Boden versickert. Ist dieser allerdings schon zu trocken und der Regen zu stark, fließt das Wasser wieder ab – weshalb es dann etwa auch zu Hochwasser kommen kann.

So bilanzierte die ZAMG auch einen „in vielerlei Hinsicht extremen Juli“. Zwar gab es rund 30 Prozent weniger Niederschlag als im durchschnittlichen Juli. Gleichzeitig hatten einige Regionen aber mit viel Regen in kurzer Zeit zu kämpfen, die zu Murenabgängen und kleinräumigen Überschwemmungen geführt haben.

Gesteigerte Verdunstung durch Hitze

Langfristig gesehen unterliegt vor allem die Niederschlagsentwicklung starken regionalen und saisonalen Schwankungen. Im Tiefland etwa lässt sich langfristig kein starker Rückgang der jährlichen Niederschlagssumme in den Sommermonaten erkennen. Freilich: Regnet es im Sommer wenig bis kaum und im Herbst dann sehr viel, sieht die Bilanz ähnlich aus wie bei stetig gerigem Niederschlag, der sich über das Jahr verteilt.

Ein wichtiger Einflussfaktor für Trockenheit und Regeneration der Vegetation ist aber auch die steigende Temperatur. Denn Regen, der bei Hitze verdunstet, kann genauso wenig in den Boden sickern. Und auch längere Vegetationsperioden lassen Pflanzen früher austreiben, wodurch dem Boden länger Feuchtigkeit entzogen wird. Entwicklungen, mit denen auch die Landwirtschaft zu kämpfen hat.

Bodenversiegelung befeuert Dürreprobleme

Die österreichische Hagelversicherung erwartet für heuer Dürreschäden von mehr als 100 Millionen Euro. Während es in den 80er Jahren noch alle zehn Jahre ein Dürrejahr gab, trete Trockenheit mittlerweile alle paar Jahre auf, so Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Hagelversicherung, bei einem Pressegespräch am Freitag.

Für die Landwirtschaft stelle nicht nur das zunehmende Niederschlagsdefizit und die gesteigerte Verdunstung durch Hitze ein großes Problem dar, sondern auch die Bodenversiegelung. In den letzten 25 Jahren seien rund 150.000 Hektar Agrarfläche versiegelt worden. Das entspricht etwa der gesamten Agrarfläche des Burgendlands.

Durch zunehmende Versiegelung gehen zudem Wasserspeicher verloren, und Hochwasserschäden nehmen zu. Durch die Nutzungsweise von Flächen sei der Mensch Mitverursacher, betont auch Helmut Habersack, Leiter des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung an der Universität für Bodenkultur (BOKU), am Freitag. Der Mangel beziehungsweise Überschuss von Wasser entstehe nicht nur durch die Klimakrise, sondern auch durch das Eingreifen der Menschen auf der Erdoberfläche.

Meteorologe zu Auswirkungen der Dürre

Der ORF-Meteorologe Sigi Fink spricht über die aktuelle europaweite Dürre und deren Auswirkung auf Waldbrände.

Wasser als heikles Gut

Dieses Eingreifen hat auch Einfluss auf das Grundwasser. Zwar zählt Österreich zu den wasserreichsten Regionen der Welt. Doch sickert weniger Wasser in den Boden, minimiert das auch den Grundwasserpegel. Die Donau sei derzeit rund einen Meter tiefer als früher, weshalb auch der Grundwasserspiegel sinke, so Habersack. Pflanzen kommen dadurch nicht mehr so gut an das Wasser – und vertrocknen.

Hinzu kommt auch der gesteigerte Wasserbedarf – insbesondere während Hitzeperioden. Denn die Landwirtschaft benötigt mehr Wasser etwa für die Bewässerung, aber auch Haushalte verbrauchen bei Hitze mehr Wasser, zum Beispiel im Garten und für Pools.

Die zahlreichen Quellen, Gebirgsbäche, Flüsse und Seen sowie der Grundwasservorrat bilden die Grundlage für die Trinkwasserversorgung, die Bewässerung in der Landwirtschaft und die Deckung des Wasserbedarfs in Industrie, Gewerbe und Tourismus. Doch Teile davon trocknen aus. Etwa der Wasserpegel des Neusiedler Sees ist im Juli unter den bisher tiefsten Wasserstand gesunken, und auch aus dem viel zu seichten Zicksee mussten im vergangenen Monat Fische gerettet werden.

Ganz Europa leidet unter Trockenheit

Auch in vielen Teilen Europas ist das Landschaftsbild zunehmend von kargen Steppen, verbrannten Wäldern sowie ausgetrockneten Flüssen und Seen geprägt. 64 Prozent der EU-Fläche sind laut Europäischer Dürrebeobachtungsstelle (EDO) von den Folgen der Dürre auf die Landwirtschaft bedroht. Für 47 Prozent der Fläche gilt die Kategorie „Warnung“, für 17 „Alarm“.

Enorme Trockenheit in Teilen Westeuropas

In etlichen Ländern Westeuropas herrscht durch die anhaltend hohen Temperaturen und den ausbleibenden Regen enorme Trockenheit. Die Wasserstände zahlreicher Flüsse, Seen und Stauseen sind vielerorts alarmierend niedrig. Laut einem neuen Bericht des gemeinsamen Forschungszentrums der Europäischen Kommission könnte sich die schwere Dürre in Europa im August sogar noch verschlimmern, da der besonders heiße und trockene Sommer anhält.

Im Juli-Bericht der EDO ist diese Entwicklung mit dem „weitgehenden und anhaltenden Mangel an Niederschlägen in Verbindung mit frühen Hitzewellen im Mai und Juni zurückzuführen“. Das „starke Niederschlagsdefizit“ habe außerdem die Abflüsse der Flüsse in ganz Europa stark beeinträchtigt.

Und auch auf die Stromproduktion hat die Dürre Auswirkungen. Sowohl für die Stromerzeugung aus Wasserkraft als auch für die Kühlsysteme anderer Kraftwerke fehlt zunehmend Wasser. Zuletzt hat etwa die norwegische Regierung angekündigt, den Export aufgrund der eingebrochenen Stromproduktion aus Wasserkraft einzuschränken – was zum nächsten Problem für Europas gebeuteltes Stromnetz werden könnte, da Norwegen zu einem der wichtigsten Stromexporteure des Kontinents zählt.