Stromzähler
APA/dpa/Bernd Weissbrod
„Strompreisbremse“

Opposition und Länder mit Kritik

Das kolportierte Modell der Regierung für eine „Strompreisbremse“ zur Abfederung der hohen Energiekosten wird von der Arbeiterkammer (AK) begrüßt. Wichtig wäre der AK aber eine zusätzliche Unterstützung für einkommensschwache Haushalte. „Zu spät, zu wenig“, beurteilte hingegen die SPÖ die „Strompreisbremse“. Scharfe Kritik kam auch von der FPÖ: Die Maßnahme sei ein „Betrug an den Österreichern“, meinte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Laute Kritik kam auch aus einigen Bundesländern, allen voran Vorarlberg.

Laut Informationen der Bundesregierung soll jeder Haushalt für jenen Anteil am Stromverbrauch, der 80 Prozent des durchschnittlichen Vorjahresverbrauchs eines österreichischen Haushaltes entspricht, einen geringeren Strompreis zahlen. Die Grenze soll bei 2.900 kWh liegen. Für alles darüber muss der aktuelle Marktpreis bezahlt werden. Details des Modells sollen am Mittwoch präsentiert werden.

Rund die Hälfte der österreichischen Haushalte verbraucht weniger als 2.500 Kilowattstunden (kWh) im Jahr und dürfte zur Gänze von der geplanten Strompreisbremse profitieren, so ein Vertreter der E-Control auf APA-Nachfrage. Der Anteil der Haushalte, die weniger als 2.900 kWh verbrauchen, dürfte klar eine Mehrheit ausmachen. Für diese Verbrauchsmenge liegen der E-Control keine genauen Daten vor.

Vorarlberg fordert Überarbeitung

Vorarlberg verlangte vom Bund eine Überarbeitung der „Strompreisbremse“. Die von der Bundesregierung angedachte Form helfe der Vorarlberger Bevölkerung in der aktuellen Situation nicht. „Vorarlberger Kundinnen und Kunden werden praktisch nicht entlastet“, kritisierte Statthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP). Es könne nicht sein, dass die westlichen Bundesländer für ihre niedrigen Strompreise quasi bestraft würden – mehr dazu vorarlberg.ORF.at.

Auch in Kärnten stieß das Modell nicht auf viel Gegenliebe. Die AK Kärnten kritisierte, dass die Maßnahmen weder sozial treffsicher noch ausreichend seien – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Auch steirische Experten forderten in einer ersten Reaktion mehr Treffsicherheit und Gerechtigkeit für alle Haushalte – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

AK für Ausweitung

Die AK begrüßte die angekündigte „Strompreisbremse“, die bereits veröffentlichten Eckpunkte würden grundsätzlich dem von AK und ÖGB geforderten Energiepreisdeckel für Haushalte entsprechen, hieß es in einer Aussendung am Montag. Für rund 780.000 einkommensschwache Haushalte forderte die AK aber einen „Strompreisdeckel plus“, indem entweder eine Ausweitung der begünstigten Strommenge oder ein niedrigerer Strompreis vorgesehen wird.

Außerdem will die AK eine Ausweitung auf Erdgas und Fernwärme, um zu verhindern, dass im Winter Wohnungen kalt bleiben. „Für die Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen müssen aber die Gewinne jener Unternehmen abgeschöpft werden, die von der Energiekrise enorm profitieren“, bekräftigte Tobias Schweitzer, Bereichsleiter Wirtschaft der AK Wien.

SPÖ: Zu spät, zu wenig

Ganz anders reagierte die SPÖ: „Mit der lange angekündigten und nun in Aussicht gestellten zu spät greifenden ‚Strompreisbremse‘ führt die türkis-grüne Bundesregierung die Fehler der Vergangenheit beim Kampf gegen die Teuerung nahtlos fort“, kritisierte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. „Die Regierung ist weder fähig noch willens, den Menschen und unserem Land in dieser Krise wirksam und nachhaltig zu helfen.“

Die „Strompreisbremse“ werde erst im Winter greifen und sei überdies „viel zu wenig“. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter bemängelte außerdem, dass es keine Entlastung für die Steigerungen bei Gas gebe. „Was noch schlimmer wiegt“, meinten Leichtfried und Matznetter, „ist die Tatsache, dass sich die Menschen die Strompreisbremse selbst bezahlen“ – notwendig sei ein direkter Eingriff in die Preisbildung bei Energie.

FPÖ fordert Aus für Russland-Sanktionen

Zu spät und zu kompliziert kommt die Strompreisbremse auch für FPÖ-Chef Kickl daher, der einmal mehr einen Ausstieg aus den Sanktionen gegen Russland forderte, die wegen des Angriffs auf die Ukraine verhängt wurden.

„Mit den Sanktionen haben ÖVP, Grüne, SPÖ und NEOS den Keller geflutet, sie lassen immer noch Wasser hineinlaufen, und die Regierung drückt der Bevölkerung zum Ausschöpfen ein Sieb in die Hand, das sie auch noch selbst bezahlen muss. Das ist das System Strompreisbremse und erinnert durch die Kontingentierung eher an die Mangelwirtschaft zu DDR-Zeiten“, so Kickl. Die FPÖ will im Nationalrat den Ausstieg aus den Sanktionen beziehungsweise eine Volksbefragung dazu beantragen – sei man nicht erfolgreich, fasse man auch ein Volksbegehren ins Auge.

NEOS: „Teure Einmalzahlungen mit der Gießkanne“

Der Regierung falle nichts anderes ein, „als teure Einmalzahlungen mit der Gießkanne zu verteilen“, zeigte sich auch NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker per Aussendung unzufrieden. Er vermisse nachhaltige Entlastungsmaßnahmen und im Gegenzug Einsparungen. „Die hohen Preise werden uns leider noch lange begleiten, aber der Staat kann nicht jahrelang allen die Rechnungen deckeln und bezahlen – und gleichzeitig im System nichts ändern und keinen Cent weniger ausgeben.“

IHS-Chef: „Gar nicht so schlecht“

Aus Sicht von IHS-Direktor Klaus Neusser ist die geplante „Strompreisbremse“ „gar nicht so schlecht“ aufgesetzt. Grundsätzlich sei so eine Maßnahme eine Gratwanderung zwischen rascher, einfacher Auszahlung und sozialer Treffsicherheit. „Eine treffsichere Variante wäre langsam und sehr kompliziert gewesen“, so Neusser im Ö1-Mittagsjournal.

Immerhin würden alle Haushalte Strom beziehen, damit würden auch alle profitieren. Und wenn es einen Zusatzbetrag für jene gebe, die von der ORF-Gebühr (GIS) befreit sind, sei das eine „relativ unbürokratische“ Differenzierung. Aber es sei „faktisch unmöglich“, die komplexen Lebenssituationen aller Menschen in Österreich auf einen Tarif zu übertragen. An sich würde er Direktzahlungen an Bedürftige bevorzugen, das wäre einfacher und mit weniger Diskussionen verbunden, so Neusser.

Schutz der Wirtschaft „kompliziert“

Es werde zwar Haushalte geben, die weniger als 2.900 kWh Strom verbrauchen, aber der überwiegende Teil der Haushalte werde durch die Ausgestaltung der „Strompreisbremse“ Anreize haben, Strom zu sparen. Die Finanzierung sieht Neusser hingegen gelassen. Wegen der hohen Inflation verdiene der Staat bei der Mehrwertsteuer gut. Außerdem könne man davon ausgehen, dass die nötigen Mittel über künftige Einnahmen hereinkommen werden.

Kritik von NGOs

Deutlichen Verbesserungsbedarf ortete Global 2000, der Umweltschutzorganisation fehlt beim aktuellen Vorschlag die Treffsicherheit. Nach einer ersten Einschätzung der NGO würden vor allem Haushalte profitieren, in denen wenige Personen mit einem relativ hohen Energieverbrauch leben.

Als „unsozial und klimaschädlich“ beurteilte auch die NGO ATTAC die „Strompreisbremse“. Der Vorschlag berücksichtige die Haushaltsgrößen nicht, außerdem beinhalte er keine progressiven Tarife für „verschwenderischen Luxusverbrauch“. Zudem gebe es für die große Anzahl von kleinen Haushalten keine Anreize, Energie zu sparen.

Österreichs Energie, die Interessenvertretung der E-Wirtschaft, bezeichnete die bisher bekannten Eckpunkte hingegen als „unbürokratische und kundenfreundliche Lösung“. Lob gab es dafür, dass kein eigener Antrag nötig ist. Nun müssten auch bei der Umsetzung „praktikable Lösungen“ gefunden werden. Der Start mit 1. Dezember sei „durchaus ambitioniert“.