der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Isjum
AP/Leo Correa
Befreites Gebiet

Selenskyj besucht überraschend Isjum

Rund 8.000 Quadratkilometer haben die ukrainischen Truppen nach eigenen Angaben seit Anfang September in der Region Charkiw zurückerobert. Russische Soldaten haben sich in vielen Gebieten zurückgezogen und Kriegsgerät zurückgelassen. Am Mittwoch stattete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Isjum, einer Stadt in der Region Charkiw, einen Überraschungsbesuch ab.

„Unsere blau-gelbe (Flagge) weht über dem befreiten Isjum“, teilte der Staatschef in sozialen Netzwerken mit. Selenskyj kündigte dabei ein weiteres Vorrücken der ukrainischen Armee an. „Wir bewegen uns nur in eine Richtung – vorwärts und bis zum Sieg“, sagte der 44-Jährige. Fotos zeigten Selenskyj in Isjum im Gebiet Charkiw mit Soldaten der ukrainischen Armee.

Isjum war erst im Laufe der vergangenen Woche im Rahmen der ukrainischen Gegenoffensive zurückerobert worden. Der wichtige Verkehrsknotenpunkt gilt als Tor zum Industrierevier Donbas und hatte vor dem Krieg über 40.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Ukraine bemühe sich nun um die Sicherung der von den russischen Besatzungstruppen zurückeroberten Gebiete, wie Selenskyj zuletzt in einer Ansprache sagte.

der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Soldaten in Isjum
AP/Leo Correa
Selenskyj nahm mit ukrainischen Soldaten in Isjum an einer Zeremonie zum Hissen der ukrainischen Flagge teil

Ukraine: Vormarsch in Luhansk

Russische Truppen, die am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert sind, halten im Osten und Süden der Ukraine knapp 20 Prozent der Fläche des Landes besetzt. Aus Moskau hieß es am Mittwoch, die russischen Truppen hätten mit „massiven Angriffen“ auf die ukrainischen Gebietsgewinne reagiert und dem ukrainischen Militär dabei Verluste zugefügt. Der ukrainische Vertreter für die östliche Donezk-Region bestätigte russische Angriffe entlang der gesamten Front.

Nach den Gebietsgewinnen in der Region Charkiw meldete die Ukraine indes einen weiteren Vorstoß Richtung Luhansk. „Es gibt jetzt einen Angriff auf Lyman, und es könnte einen Vorstoß auf Siwersk geben“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch in einem auf YouTube veröffentlichten Video in Bezug auf die zwei Städte.

Er gehe von einem erbitterten Kampf um die Stadt Swatowo aus, da Russland seiner Ansicht nach dort Versorgungslager habe. „Und das ist es, was sie am meisten fürchten – dass wir Lyman einnehmen und dann auf Lyssytschansk und Sjewjerodonezk vorrücken. Dann wären sie von Swatowo abgeschnitten.“

Selenskyj besucht überraschend Isjum

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte überraschend die Stadt Isjum in der Region Charkiw. Isjum war erst im Laufe der vergangenen Woche im Rahmen der ukrainischen Gegenoffensive zurückerobert worden. Der wichtige Verkehrsknotenpunkt gilt als Tor zum Industrierevier Donbas und hatte vor dem Krieg über 40.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Denis Puschilin, Chef der selbst ernannten „Volksrepublik“ Donezk, sagte in einem Videobeitrag, dass Lyman weiterhin in ihrer Hand sei. „Die Situation hat sich stabilisiert. Der Feind versucht natürlich, in kleinen Gruppen vorzurücken, aber die (von Russland geführten, Anm.) alliierten Streitkräfte schlagen sie vollständig zurück.“ Berichte aus den Kampfgebieten können nicht unabhängig überprüft werden.

4.000 Quadratkilometer unter ukrainischer Kontrolle

Die Ukraine hält inzwischen mehr als 4.000 Quadratkilometer des von den russischen Streitkräften zurückeroberten Territoriums vollständig unter ihrer Kontrolle. Das Land sei auch dabei, seine Kontrolle über weitere 4.000 Quadratkilometer zu stabilisieren, sagte Selenskyj schon am Dienstag in seiner täglichen Videoansprache.

Ukrainische Beamte wiesen jedoch darauf hin, dass es wichtig ist, zwischen der Einnahme von Territorium und der Gewährleistung der völligen Sicherheit dieses Territoriums zu unterscheiden. 4.000 Quadratkilometer entsprechen in etwa der Größe des Burgenlands.

Krieg trotz möglichen NATO-Deals

Über einen Reuters-Bericht wurde am Mittwoch zudem bekannt, dass es offenbar mit Kiew eine vorläufige Vereinbarung in Bezug auf einen NATO-Beitritt der Ukraine gegeben habe, die die russischen Bedenken ausgeräumt habe. Das habe ein wichtiger Gesandter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mitgeteilt.

Putin entschied sich dennoch zur Invasion, hieß es von drei Personen, die dem Kreml nahestehen, gegenüber Reuters. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies die Angaben laut Reuters zurück. „Das hat absolut keinen Bezug zur Realität. So etwas ist nie passiert. Es handelt sich um absolut falsche Informationen.“

Putin hatte vor dem Krieg wiederholt behauptet, dass die NATO durch die Aufnahme neuer Mitglieder in Osteuropa immer näher an die Grenzen Russlands heranrücke und das Bündnis sich darauf vorbereite, auch die Ukraine unter ihren Einfluss zu bringen. Das stelle eine existenzielle Bedrohung für Russland dar und zwinge ihn zu einer Reaktion.

Das Präsidialamt in Moskau bekräftigte die Darstellung, dass sich Russland vom Streben der Ukraine in die NATO bedroht fühle. Die Hinwendung des Nachbarlands zum westlichen Militärbündnis unterstreiche die Notwendigkeit, den „militärischen Sondereinsatz“ in der Ukraine fortzusetzen, teilte das russische Präsidialamt erst am Mittwoch wieder mit.