Frau in Wahllokal in Rom
AP/LaPresse/Cecilia Fabiano
Italien

Niedrige Wahlbeteiligung zeichnet sich ab

In Italien zeichnet sich bei der Parlamentswahl eine historisch niedrige Wahlbeteiligung ab. Wie das Innenministerium in Rom am Sonntagabend mitteilte, lag die Wahlbeteiligung um 19.00 Uhr bei rund 51 Prozent. Die Wahllokale sind seit 7.00 Uhr geöffnet und schließen um 23.00 Uhr. Nachwahlbefragungen werden nach Wahlschluss veröffentlicht, ein Ergebnis wird erst am Montag erwartet.

Im Gegensatz zu der um 12.00 Uhr veröffentlichten Wahlbeteiligung liegt der Wert von 19.00 Uhr nun deutlich unter rund 58 Prozent, die bei der letzten Wahl im Jahr 2018 bis 19.00 Uhr ihre Stimme abgegeben haben. Zur Mittagzeit lag der Wert diesmal bei 19,2 Prozent (2018: 19,4). Mit 73 Prozent war die Wahlbeteiligung vor vier Jahren die niedrigste in der Nachkriegszeit. Außer Frage steht nun wohl: Bei der ersten in einem Herbst stattfindenden Parlamentswahl gibt es hier einen neuen Negativrekord.

Dennoch kam es am Sonntag vor manchen Wahllokalen zu Schlangen, was teilweise für Empörung sorgte. Das lag auch daran, dass von den zwei ausgefüllten Stimmzetteln – je einer für das Abgeordnetenhaus und einer für den Senat – ein Streifen sorgfältig abgerissen werden musste, bevor sie in die Wahlurne kamen. Dieses zusätzliche Prozedere zur Bekämpfung von Wahlbetrug verzögerte den Vorgang.

Rechtsruck erwartet

Einige der Spitzenkandidaten gaben am Vormittag bereits ihre Stimmen ab, etwa Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega in Mailand, der Sozialdemokrat Enrico Letta in Rom und Zentrumspolitiker Matteo Renzi in Florenz.

Umfragen sagen einen Sieg des rechten Lagers voraus, an dessen Spitze Giorgia Meloni von der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FDI) steht. Diese bildet ein Bündnis mit der rechtspopulistischen Lega von Ex-Innenminister Salvini und der rechtskonservativen Forza Italia (FI) des langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.

Meloni hatte sich am Vormittag zur Stimmabgabe in einer Schule im Süden Roms angekündigt, erschien dann aber nicht wie geplant. Laut einer Sprecherin wolle sie nun erst kurz vor Schließung der Lokale wählen. Die nationalistische und EU-kritische Politikerin könnte als erste Frau Ministerpräsidentin in Italien werden.

„Schreiben wir gemeinsam Geschichte“, hatte Meloni in der Früh getwittert. Auch ihre Verbündeten etwa der Lega setzten am Sonntag wie schon tags zuvor in den sozialen Netzwerken etliche Wahlbotschaften ab. Sie ignorierten damit eine Vorgabe, auf derartige Äußerungen am Vortag und am Tag der Wahl zu verzichten.

Berlusconi bei Stimmabgabe siegessicher

Auch Berlusconi zeigte sich siegessicher. Seine Forza Italia werde mehr als zehn Prozent der Stimmen erobern, sagte er. „Ich werde mit der Forza Italia einen wesentlichen Beitrag leisten. Ich werde der Regisseur der neuen Regierung sein“, so der 85-jährige TV-Magnat, der viermal italienischer Ministerpräsident war.

Silvio Berlusconi bei der Stimmabgabe in Mailand
Reuters/Flavio Lo Scalzo
Der frühere Ministerpräsident Berlusconi (85) gab seine Stimme in Mailand ab

Salvini rechnet mit starkem Ergebnis

Lega-Chef Salvini rief bei der Stimmenabgabe in einem Wahllokal seiner Heimatstadt Mailand die Wählerschaft auf, zu den Urnen zu gehen. „Je mehr Menschen zur Wahl gehen, desto mehr Kraft werden das neue Parlament und die neue Regierung haben, um auf die Notfälle zu reagieren, an denen es nicht mangeln wird. Je mehr Menschen wählen, desto stärker wird Italien sein“, sagte Salvini. Er zeigte sich überzeugt, dass seine Lega unter den drei stärksten Parteien abschneiden wird.

Italien: Wie kam es zur Wahl?

Italien ist immer für Überraschungen gut – das wurde einmal mehr mit dem Aus der Regierung von Mario Draghi unter Beweis gestellt. Draghi hatte eine breite Unterstützung in der Bevölkerung, und er hatte noch am Beginn des Sommers eine stabile, breite Mehrheit im Parlament. Der ehemalige Chef der EZB war von Staatspräsident Mattarella als Nichtpolitiker an die Spitze der Regierung geholt worden, um Italien durch die Krise zu steuern. Doch im Juli wendete sich innerhalb nur weniger Tage das Blatt.

Die bisher regierenden Sozialdemokraten (Partito Democratico/PD) gingen keine Wahlallianz mit der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung ein. Damit werden ihnen geringere Erfolgschancen eingeräumt. Immer wieder warnte PD-Chef Enrico Letta vor der Gefahr eines Rechtsrucks in Italien. „Unter der Regierung von Mario Draghi war Italien das Herzstück Europas und ein europäischer Motor. Mit Giorgia Meloni würde Italien zur Bremse werden“, sagte Letta in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung „Abc“.

Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella gab in seiner Heimatstadt Palermo seine Stimme ab. Er wählte auch für das sizilianische Regionalparlament. 4,5 Millionen Sizilianer sind am Sonntag zu Regionalwahlen aufgerufen.

Zahl der Parlamentssitze nach Reform reduziert

Die Italiener wählen mit einem „Rosatellum“ genannten Wahlsystem, das dieselben Regeln sowohl für die Abgeordnetenkammer als auch für den Senat vorsieht. Es ist eine Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Die Zahl der Parlamentssitze schrumpft dieses Mal infolge einer Verfassungsreform von 945 auf 600. Der Wahlkampf war auch vor diesem Hintergrund härter als zuvor.