SPÖ-Chefin Rendi-Wagner im ZiB2-Interview
ORF
ÖVP-Affäre

Opposition beantragt NR-Sondersitzung

Die Aussagen des ehemaligen Generalsekretärs im Finanzministerium und ÖBAG-Chefs Thomas Schmid gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) werden zu einer Sondersitzung des Nationalrats führen. Wie angekündigt brachten SPÖ und FPÖ diesbezüglich einen gemeinsamen Antrag ein. Die SPÖ wird dabei auch einen Neuwahlantrag einbringen, wie es in einer gemeinsamen Aussendung der beiden Parteien hieß. Auch NEOS hatte zuvor bereits Neuwahlen gefordert.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht die Regierung am Ende. Es müsse so rasch wie möglich neu gewählt werden, so Rendi-Wagner in der ZIB2. Das Vertrauen der Bevölkerung werde immer kleiner, und die Regierung wirke „mehr als überfordert“. Das sei nicht wirklich überraschend, so Rendi-Wagner, weil sich die ÖVP in einem ständigen Abwehrkampf befinde: „Das lähmt natürlich auch die Regierungsarbeit und Handlungsfähigkeit.“

Rendi-Wagner appellierte zudem an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zurückzutreten. Er tue dem Parlament und dem zweithöchsten Amt der Republik keinen guten Dienst und solle Konsequenzen ziehen. Sobotka beschädige das Ansehen des Amtes.

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner zur Korruptionsdebatte

Das Geständnis von Thomas Schmid hat ein Beben in der Innenpolitik ausgelöst. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach davon, dass eine Generalsanierung des Vertrauens notwendig sei. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verteidigte sich gegen Vorwürfe und kündigte rechtliche Schritte gegen Schmid an. NEOS verlangt Neuwahlen, die FPÖ eine Sondersitzung des Nationalrats. Die Obfrau der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, war dazu in der ZIB2 zu Gast.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried erklärte in der Aussendung am Freitag, eine „Generalsanierung des Vertrauens“, die Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seiner Rede am Donnerstag gefordert hat, sei nur mit Neuwahlen möglich. „Die ÖVP steckt tief im Korruptionssumpf, und das lähmt die gesamte türkis-grüne Regierung. Wir haben eine handlungsunfähige Regierung, die überfordert ist in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten – zum Schaden der Bevölkerung.“

Kickl: „Können nicht zur Tagesordnung übergehen“

FPÖ-Chef Herbert Kickl verlangte schon zuvor in einer Aussendung eine Sondersitzung. „Korruption, Freunderlwirtschaft, Postenschacher – es ist Zeit, dass die Ära Kurz aufgearbeitet wird und endlich in jeder Hinsicht beendet werden kann“, sagte er: „Dafür müssen aber alle ‚Leichen‘ aus dem türkis-schwarzen Keller gehoben werden. Die strafrechtliche Relevanz aufzuarbeiten ist Sache der Justiz. Aber als Parlamentarier können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“

ÖVP-Kanzler Nehammer, „der auch Teil der Ära Kurz“ sei, habe sich in der Sondersitzung dem Parlament und damit der Öffentlichkeit zu erklären, so Kickl. „Was ist sein Beitrag zur lückenlosen Aufklärung, wie gedenkt er den Schaden, den die ÖVP angerichtet hat, wiedergutzumachen – Stichwort ‚tätige Reue‘ – und wie wird für die Zukunft dieses schwarz-türkise korruptive System ein für alle Mal abgestellt? Die Österreicher haben ein Recht darauf, das zu erfahren.“

Meinl-Reisinger: „Neuwahl der einzige Weg“

Eine Neuwahl wäre der einzige Weg, meinte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Donnerstag. Die ÖVP habe sich eine Wahl „ertrickst, erlogen und erkauft“. Den Grünen warf sie vor, ein „Doppelspiel“ zu spielen – sie ließen zwar ein bisschen die Muskeln spielen, blieben aber mit der ÖVP in einer Koalition, kritisierte Meinl-Reisinger.

Mit dem Geständnis des früheren Generalsekretärs im Finanzministerium sei klar, dass die Erkenntnisse aus dem U-Ausschuss „klar bestätigt“ werden, so Meinl-Reisinger in einer Pressekonferenz. Welche Aussagen glaubwürdig seien, hätten unabhängige Gerichte zu entscheiden, meinte die NEOS-Chefin in Richtung Ex-ÖVP-Chef Kurz, der mit seinem Anwalt ja die Glaubwürdigkeit Schmids infrage stellt.

Meinl-Reisinger sieht eine „Vertrauenskrise“. Den Bürgern werde der Eindruck vermittelt, „dass zählt, wen du kennst ,und nicht, was du kannst“, sagte Meinl-Reisinger. „So etwas erschüttert das Vertrauen in die Politik.“ ÖVP-nahe Unternehmer und Spender hätten offenbar eine persönliche Betreuung im Finanzministerium bekommen, die dazu gedient habe, letztlich Steuern zu hinterziehen. „So etwas ist Gift für eine Gesellschaft.“

Auch politische Konsequenzen müsse es geben, und da gebe es nur „einen einzigen Schritt: Neuwahlen“. Die ÖVP habe sich eine Wahl „ertrickst, erlogen und erkauft“, meinte sie im Hinblick auf die Umfragen- und Inseratenaffäre. Nationalratspräsident Sobotka – „der war schon davor untragbar“ – will NEOS ohnehin loswerden. Sobotka wird von Schmid ebenfalls belastet, „das geht nicht zusammen mit der Würde des Parlaments“, so Meinl-Reisinger.

Fotoaktion vor der Lichtenfelsgasse

Am Donnerstagvormittag versammelten sich auch Vertreterinnen und Vertreter roter Jugendorganisationen für eine Fotoaktion vor der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse. Mitgebracht hatten sie ein Transparent mit der Aufschrift: „ÖVP – Österreichische Verbrecher Partei?“ In einer Aussendung wurde betont, dass „dringend“ Mehrheiten abseits der ÖVP nötig seien: „Nach über 30 Jahren wird es Zeit, sie endlich auf die Oppositionsbank – und wenn die Vorwürfe stimmen, ins Gefängnis – zu katapultieren! Wir brauchen Neuwahlen zum ehestmöglichen Zeitpunkt.“