Kiews Bürgermeister Witali Klitschko
Reuters/Gleb Garanich
Stromversorgung

Kiew befürchtet neue Anschläge

Die Regierung in Kiew rechnet mit weiteren Anschlägen Russlands auf die Infrastruktur der Ukraine, insbesondere die Stromversorgung. In Kiew kommt es deshalb am Montag zu großräumigen Stromabschaltungen. Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereitet das Land auch eine „Antwort“ vor.

Es sei erkennbar, dass der „terroristische Staat“, wie Selenskyj Russland in seiner täglichen Videobotschaft nannte, Kräfte und Mittel für neue Massenangriffe auf die Infrastruktur der Ukraine bündle. Knapp 4,5 Millionen Ukrainer litten bereits unter Stromausfällen. „Wir bereiten uns darauf vor zu antworten“, sagte Selenskyj.

Der russische Präsident Wladimir Putin lässt immer wieder gezielt Infrastruktur in der Ukraine bombardieren, auch in der Hauptstadt Kiew. Ganze Stadtteile haben stundenweise kein Licht. Für den Montag wurden erneut großflächige Stromabschaltungen in Kiew abgekündigt. Es werde schlimmer als ursprünglich befürchtet, schrieb der Generaldirektor des staatlichen Versorgers Ukrenerho, Sergy Kowalenko, auf Facebook. Das sei auf „höhere Gewalt“ zurückzuführen.

Klitschko rät Bürgern bei Blackout zu Flucht

Der Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko warnte am Wochenende vor einem Zusammenbruch der Versorgung in der ukrainischen Hauptstadt. Für den Fall eines Totalausfalls von Strom-, Wärme- und Wasserversorgung sollten die Bürgerinnen und Bürger Vorräte anlegen und auch überlegen, zeitweise außerhalb der Stadt unterzukommen, sagte Klitschko im ukrainischen Fernsehen. Die Stadt wolle zudem 1.000 Wärmestuben einrichten.

Kiew dementiert Pläne für Evakuierung

Die Stadtverwaltung trat aber einem Bericht der „New York Times“ entgegen, die Überlegungen reichten bis zu einer Räumung der Stadt bei einem Blackout. „Das System des Zivilschutzes muss auf verschiedene Szenarien vorbereitet sein; aber das heißt nicht, dass wir eine Evakuierung vorbereiten“, teilte Roman Tkatschuk, verantwortlich für die Sicherheit der Stadt, am Sonntag mit.

Laut humanitärem Völkerrecht müssen eigentlich „alle möglichen Maßnahmen“ unternommen werden, um das Leben von Zivilisten sowie grundlegende Infrastruktur wie Kraftwerke oder Wasserversorgung zu schützen.

Weiter Angriffe in der Ukraine

Der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan soll mit dem Kreml Gespräche zur Deeskalation der Lage in der Ukraine geführt haben. Unterdessen werden die Kämpfe in der Ukraine fortgesetzt. Russland verfolgt weiterhin sein Ziel, die Infrastruktur des Landes zu zerstören. In Donezk wurde die Zentrale der Eisenbahnverwaltung angegriffen, und in Saporischschja wurden viele Infrastrukturanlagen zerstört.

Selenskyj kritisiert Iran

Selenskyj kritisierte Teherans Waffenlieferungen an Russland als Beitrag zur Verlängerung des Kriegsgeschehens. „Der Iran unterstützt das terroristische Regime Russlands und hilft, den Krieg zu verlängern und daher auch die Bedrohungen für die Welt zu verlängern, die durch den russischen Angriffskrieg entstanden sind“, so Selenskyj am Sonntagabend.

Ohne die Einmischung Teherans wäre auch eine Lösung für die weltweite Nahrungsmittelkrise oder die Energiekrise greifbarer, argumentierte er weiter. „Wer auch immer Russland hilft, diesen Krieg zu verlängern, muss auch die Verantwortung für die Konsequenzen dieses Krieges übernehmen.“ Teheran hatte erst am Samstag eingestanden, Drohnen an Russland geliefert zu haben – sprach aber nur von einigen wenigen Exemplaren. Selenskyj bezichtigte Teheran daraufhin der Lüge.

Im Laufe des Tags seien von russischer Seite erneut iranische Angriffsdrohnen eingesetzt worden. „Es gab Abschüsse, aber leider auch Treffer“, so Selenskyj.

Kämpfe bei Cherson dauern an

Schwere Kämpfe erschütterten am Sonntag die Region um die südukrainische Stadt Cherson. Nach Darstellung des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte wurde in der Ortschaft Kachowka ein Gebäude zerstört, in dem sich rund 200 russische Soldaten aufhielten. Die Folgen dieses Angriffs würden von russischer Seite „sorgfältig verschleiert“, hieß es. Bei Radensk sei eine Kolonne gepanzerter russischer Fahrzeuge zerstört worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Entlang des Flusses Dnipro begannen die russischen Besatzer nach Darstellung des ukrainischen Militärs, die Boote der dortigen Zivilbevölkerung zu zerstören. Zudem beschlagnahme das russische Militär Motoren und Geräte aus den Booten. Damit verstoße das russische Militär eklatant gegen Gesetze und die Regeln der Kriegsführung mit Blick auf die Zivilbevölkerung, hieß es.

Die russischen Besatzungstruppen versuchen schon seit Tagen, die Zivilbevölkerung von Cherson zum Verlassen der Region zu bewegen. Die ukrainischen Streitkräfte wollen das Gebiet, das seit März unter russischer Kontrolle steht, möglichst bald zurückerobern.