zerstörte Gebäude
AP/Andriy Andriyenko
Textentwurf

G-20 soll Russlands Krieg verurteilen

Auf der indonesischen Insel Bali hat am Dienstag der G-20-Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer begonnen. Die Chefverhandlerinnen und -verhandler der Staaten einigten sich Berichten zufolge bereits auf den Entwurf einer Abschlusserklärung, in der Russlands Angriffskrieg in der Ukraine großteils verurteilt werden soll. Ob Moskau dem Text zustimmt, ist aber noch unklar.

„Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine auf das Schärfste und betonten, dass er unermessliches menschliches Leid verursache und bestehende Schwachstellen in der Weltwirtschaft verschärfe“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters aus dem Textentwurf. Zudem werden laut Reuters ein „vollständiger und bedingungsloser Rückzug aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine“ und der ausdrückliche Verzicht auf einen Atomwaffeneinsatz gefordert.

Weiter heißt es: „Es gab andere Ansichten und unterschiedliche Einschätzungen der Situation und der Sanktionen. Wir erkennen an, dass die G-20 nicht das Forum ist, um Sicherheitsfragen zu lösen, aber wir erkennen an, dass Sicherheitsfragen erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben können.“

Michel: Druck auf Russland machen

EU-Ratspräsident Charles Michel sagte am Dienstag, man habe sich auf ein Kommunique geeinigt. „Wir sollten versuchen, das G-20-Treffen zu nutzen, um alle Partner zu überzeugen, mehr Druck auf Russland auszuüben“, sagte Michel. Ob der Erklärungstext in dieser Form beschlossen werden kann, ist nach Angaben von EU-Diplomaten wegen des Widerstandes Russlands aber noch unsicher. Die Abschlusserklärung soll zum Gipfelende am Mittwoch veröffentlicht werden.

G-20-Gipfel hat begonnen

Auf dem G-20-Gipfel in Bali soll der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine in der Abschlusserklärung der Staaten scharf verurteilt werden.

Sollte der Textentwurf durchgehen, würde der Krieg klar benannt werden – die russische Staatsführung spricht stets von einer „militärischen Spezialoperation“. Die scharfe Verteilung des Krieges und der Aufruf an Russland, seine Truppen zurückzuziehen, stammen laut diplomatischen Kreisen aus einer Resolution der UNO und sind in der Abschlusserklärung zitiert. Die Zustimmung zur Passage über den Atomwaffenverzicht soll durch Russlands Chefverhandlerin erfolgt sein, hieß es.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte am Montag in einem Video seines Ministeriums gesagt, man werde die Abschlusserklärung annehmen. Sollte Moskau das tun, wäre das laut politischen Beobachterinnen und Beobachtern ein Zeichen dafür, dass Russland beim Thema Ukraine in der G-20-Gruppe nicht mehr auf die Unterstützung Chinas zählen kann.

Xi: Konfrontation durch Kooperation ersetzen

Sowohl der Präsident des G-20-Gastgeberlandes Indonesien, Joko Widodo, als auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping riefen zu Gipfelbeginn zu Einigkeit auf. Xi sagte, Konfrontation solle durch Kooperation ersetzt werden. Alle Länder sollten Antwort auf die Frage geben: „Was stimmt nicht in der Welt, was sollen wir dagegen tun?“ Die CoV-Pandemie dauere an. Die Weltwirtschaft werde anfälliger. Das geopolitische Umfeld bleibe angespannt. Die Krisen von Ernährung und Energie verstärkten einander.

der chinesische Präsidnet Xi Jinping bei einer Rede während des G20-Gipfel
AP/Dita Alangkara
Chinas Staatschef Xi: Die G-20 soll die Afrikanische Union aufnehmen

„All das stellt erhebliche Herausforderungen für unsere Entwicklung dar“, sagte Xi. „Niemand sollte eine Außenhandelspolitik zulasten anderer betreiben, kleine Gärten mit hohen Zäunen bauen oder geschlossene oder exklusive Zirkel schaffen“, wandte er sich auch gegen Blockbildung, die China gemeinhin dem Rivalen USA unterstellt. Er sprach sich dafür aus, die Afrikanische Union in die G-20 aufzunehmen.

Widodo: G-20 „Katalysator“ für Wirtschaftsaufschwung

Wenn der Krieg nicht beendet werde, sei es für die Welt schwierig voranzukommen, sagte Widodo, ohne direkt den russischen Einmarsch in der Ukraine zu benennen. Er warb dafür, dass sich die Länder trotz der tiefen politischen Spaltungen, die der Krieg in der Ukraine verursacht habe, auf Maßnahmen zur Unterstützung der weltweiten wirtschaftlichen Erholung konzentrieren. „Die G-20 muss der Katalysator für einen umfassenden wirtschaftlichen Aufschwung sein.“

Indonesien hatte sich zuvor trotz Drängens mehrerer Staaten geweigert, die Einladung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zurückzuziehen, und es abgelehnt, auf dem Gipfel das Vorgehen Russlands zu verurteilen. Putin ließ sich auf Bali von Außenminister Lawrow vertreten. Lawrow wies am Montag einen Bericht zurück, wonach er auf Bali mit einem Herzleiden ins Krankenhaus gebracht worden sei.

Keine Einigung in Energie- und Ernährungskrise

Keine großen Erfolge konnte der Westen in Fragen der Energiesicherheit erzielen, die vor allem in Europa durch die drastisch gesunkenen Lieferungen von Öl und Gas aus Russland gefährdet ist. In dem Entwurf für die Abschlusserklärung betonen die G-20-Mitglieder lediglich, dass dringend etwas getan werden müsse, um mehr Stabilität auf dem Energiemarkt zu erreichen. Die Energiewende solle sauber und nachhaltig gestaltet werden.

Die Zentralbanken sollen sich stark für finanzielle Stabilität und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen einsetzen. Die Inflation in vielen Mitgliedsstaaten werde genau beobachtet – und die Geldpolitik weiterhin angemessen angepasst, heißt es in dem Entwurf.

Getreidefrachter Ikaria Angel bei Chornomorsk
Reuters/
Der russische Angriffskrieg beeinträchtigt die Lieferung von dringend benötigten Nahrungsmitteln aus der Ukraine

„Tief besorgt“ zeigt man sich über die globale Ernährungskrise. Im Entwurf für die Abschlusserklärung wird darauf hingewiesen, dass „gegenwärtige Konflikte und Spannungen“ die Herausforderungen für die Nahrungsmittelversorgung verschärft hätten. Die G-20 sagte Maßnahmen gegen die Energie- und Ernährungskrise zu.

Kambodschas Ministerpräsident CoV-positiv

Das Treffen im Urlaubsort Nusa Dua war mit etwa einer halben Stunde Verspätung gestartet, weil US-Präsident Joe Biden auf sich warten ließ. Der Grund ist unklar. Das Weiße Haus ließ allerdings mitteilen, dass der US-Präsident negativ auf das Coronavirus getestet worden sei. Zuvor war bekanntgeworden, dass der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen positiv getestet wurde. Biden hatte am Wochenende am Gipfel der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN teilgenommen und dort auch Hun Sen getroffen.

Treffen zwischen Biden und Xi

Ein positives Zeichen am Vorabend des Gipfels war ein mehrstündiges bilaterales Treffen zwischen Biden und Xi, bei dem sich die beiden Staatsoberhäupter trotz vieler Differenzen zu einem häufigeren Austausch verpflichteten. Auch sprachen sie sich nach US-Angaben gegen russische Drohungen aus, in der Ukraine Atomwaffen einzusetzen.