Schultafel
ORF.at/Carina Kainz
Geld, Risiko und Co.

Die vielen Facetten der Finanzbildung

Die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise haben bei vielen Menschen den Blick auf die eigenen Finanzen geschärft. Denn was früher finanziell noch möglich war, geht sich heute vielleicht nicht mehr aus. Das individuelle Haushalten rückt daher wieder stärker in den Mittelpunkt des Alltags – und dabei offenbaren sich zum Teil große Wissenslücken. Diese zu stopfen ist eine Herausforderung.

Seit geraumer Zeit widmet sich die Politik der Frage, wie man die Bevölkerung besser und nachhaltiger auf finanzielle Krisen vorbereiten kann. Das betrifft sowohl das große Ganze, wenn etwa der globale Markt ins Strudeln kommt, als auch das Balancieren von Einnahmen und Ausgaben im eigenen Haushalt. Wie geht man etwa mit Krediten sicher um? Wie vermeidet man eine Überschuldung? Was bedeutet es für mich persönlich, wenn am anderen Ende der Welt die Produktion stillsteht – wie etwa während der Coronavirus-Pandemie?

„Es gibt Untersuchungen, anhand derer man sieht, dass Österreichs Bevölkerung bei einigen wirtschaftlichen Themen gravierende Verständnisschwierigkeiten hat“, sagt Bettina Fuhrmann im Gespräch mit ORF.at. Die Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Finanzkompetenz hierzulande. Große Teile der Gesellschaft würden beispielsweise Zinsen, Zinseszinsen und Risiko nicht verstehen – aber auch beim Thema Inflation gebe es deutliche Wissenslücken.

Finanzbildung in Schulen: Nachholbedarf

Österreichs Regierung will diesem Mangel mit der nationalen Strategie zur Finanzbildung entgegentreten. Bis Ende 2026 sollen verschiedene Maßnahmen, die unter anderem von externen Organisationen wie der Nationalbank und der Schuldnerberatung ausgehen, das Wissen über Finanzen und Wirtschaft heben. In einem Katalog werden bis dato 90 Initiativen gelistet, die etwa Workshops und Elternabende zum Thema Geld beinhalten, aber auch zahlreiche Unterrichtsmaterialien, die von YouTube-Videos bis zu Comics („Micky Maus Spezial!“) reichen.

Freilich zielt die Strategie auf die gesamte Bevölkerung ab, adressiert allerdings insbesondere Schüler und Schülerinnen. Entsprechend werden die Lehrpläne der Primarstufe und Sekundarstufe I adaptiert, wie es aus dem Bildungsministerium auf ORF.at-Nachfrage heißt. Ab dem kommenden Schuljahr soll die Wirtschafts- und Finanzbildung fächerübergreifend verbindlich festgeschrieben werden. „Damit das gelingen kann, wird die große Aufgabe der neuen Lehrpläne sein, präzise zu beschreiben, welche Inhalte und welche Kompetenzen im Unterricht gefördert werden sollen“, sagt Expertin Fuhrmann.

Die Finanzexpertin Bettina Fuhrmann
ORF.at/Roland Winkler
Schon jetzt konnte man im Unterricht über Geld sprechen – oft sei das allerdings beliebig erfolgt

Denn schon bisher gebe es in den Lehrplänen Anknüpfungspunkte, an denen man beispielsweise über Geldthemen sprechen könnte. In der Volksschule sei das etwa der Sachunterricht. Allerdings sei nicht klar definiert, welche Inhalte wann in welchem Umfang umgesetzt werden sollen. Hinzu kommt, dass wirtschaftliche Themen und Finanzbildung in der Lehrerausbildung kaum vorkommen. Es sei klar, dass Lehrer und Lehrerinnen lieber etwas unterrichten, wofür sie profund ausgebildet worden sind, als etwas, wo sie sich nicht so firm fühlen.

Konsum kritisch hinterfragen

Die Forderungen nach einer besseren Finanzbildung sind freilich nicht neu. Insbesondere in den Jahren nach der Weltfinanzkrise 2007 hatten sich sowohl Parteien als auch Organisationen – von NGOs bis Banken und Versicherungen – dafür starkgemacht. In den vergangenen drei Jahren wurden die Rufe nochmals lauter. Begründet wird ein Mehr an Finanzbildung in der Regel mit Hinweis auf die gestiegenen Zahlen der Privatkonkurse. Heuer haben diese um 15 Prozent zugenommen, wie zuletzt der Kreditschutzverband KSV1870 bekanntgab.

Ein weiterer Aspekt ist das grenzenlose Konsumverhalten im Internet: Mittlerweile kann fast alles online bestellt und mit einem Klick bezahlt werden. Ein überbordendes Konsumverhalten gilt als ein Mitgrund für Überschuldung. Bereits in jungen Jahren würden viele Menschen zum Teil so hohe Schulden anhäufen, dass sie noch später Schwierigkeiten hätten, diese zurückzuzahlen, heißt es im aktuellsten Schuldenreport der Schuldnerberatung. Durch eine frühzeitige Finanzbildung könnte eine Überschuldung vermieden werden.

Dem stimmt Fuhrmann zu. Denn Finanzbildung bedeute nicht nur, dass man Einnahmen und Ausgaben managen kann. Man müsse auch in der Lage sein, den eigenen Konsum kritisch zu hinterfragen. Das gelte grundsätzlich für alle Bevölkerungsschichten, weil auch alle Personen auf ihre Art und Weise wirtschaften müssen. Der breite Fokus täuscht allerdings nicht darüber hinweg, dass im Zentrum der Debatte meist Personen, die über ein niedriges Einkommen verfügen, stehen.

Die Finanzexpertin Bettina Fuhrmann
ORF.at/Roland Winkler
„Natürlich konsumiere ich auch, aber ich überlege gut und schätze Risiken ein“, sagt die Forscherin im ORF.at-Gespräch

Der Grund ist recht simpel: Einer Person mit hohem Einkommen könne zwar auch das grundlegende Finanzverständnis fehlen, so Fuhrmann. Für gewöhnlich falle diese Person aber nicht unter denjenigen, die durch eine suboptimale Entscheidung wirtschaftlich in eine furchtbare Schieflage gerät, argumentiert die Forscherin. „Es sind Personen mit geringem Einkommen, die es recht schnell erwischt, wenn sie ökonomisch wenig sinnvoll entscheiden und handeln.“

Schule als Vorbereitung

Ein vertiefender Finanz- und Wirtschaftsunterricht könnte nach Ansicht von Fuhrmann hier präventiv eingreifen. Auch externe Experten und Expertinnen könnten dabei helfen, die Jugendlichen und Kinder besser auf künftige Herausforderungen vorzubereiten. Nicht selten waren es in vielen Schulen Bankangestellte, die versuchten, den Schülern und Schülerinnen die Wirtschafts- und Finanzwelt zu erklären. Externe seien grundsätzlich etwas Positives, aber: „Man muss sehr genau schauen, wen man einlädt und was die Person vermittelt“, sagt die Forscherin.

In der Vergangenheit sei manchmal ein Problem gewesen, wenn zum Beispiel Bankangestellte in Schulen gehen, um im Namen ihres Arbeitgebers Produktinformationen bereitzustellen, so Fuhrmann. „Mittlerweile habe ich aber den Eindruck, dass sich die Banken, Unternehmen im Allgemeinen, ihrer Verantwortung bewusst sind. Der Großteil der Programme und Angebote ist inhaltlich sehr seriös. Was nicht bedeutet, dass man nicht mehr genauer hinschauen muss.“

Wer über Geld spricht, ist im Vorteil

Die Schule könne zwar nicht alle Lücken stopfen, betont Fuhrmann weiter, aber gerade bei Kindern und Jugendlichen, die zu Hause mit Wirtschafts- und Geldthemen nicht in Kontakt kommen, sei der Unterricht vermutlich die erste Anlaufstelle, um über Geldthemen ausführlicher zu sprechen. Die WU-Professorin verweist diesbezüglich auf eine Untersuchung, in der mehr als 1.200 Jugendliche in ganz Österreich über Finanzen befragt wurden.

Anhand der Ergebnisse habe das Forschungsteam „sehr deutlich gesehen, dass jene, die mit ihren Eltern über Geld sprechen können, weniger anfällig für unüberlegte Käufe sind“, so Fuhrmann. Zudem würden sie mehr zum rationalen Konsum neigen. Auf der anderen Seiten stünden Jugendliche, die anfälliger für Werbeaussagen seien und sich von ihren Peers beeinflussen ließen. Sie konsumieren, um zum Beispiel etwas zu kompensieren. Dazu würden tendenziell vor allem männliche Jugendliche an Mittelschulen gehören. „Es sind auch eher Kinder und Jugendliche betroffen, die kein regelmäßiges fixes Taschengeld bekommen.“

Taschengeld habe auch eine „erzieherische Funktion“, sagt Fuhrmann, „insbesondere, wenn die vereinbarte Höhe des Taschengeldes auch die tatsächliche Grenze darstellt“. Das bedeutet, die vereinbarte Höhe – zum Beispiel wöchentlich fünf Euro – soll auch die tatsächliche Grenze darstellen. „Wenn ich als Jugendliche weiß, dass die Eltern immer nachschießen, werde ich einem Impulskauf eher nachgeben und über meine Verhältnisse leben.“ Nur mit fixen Geldbeträgen lerne man, mit dem Geld, das man auch tatsächlich besitzt, hauszuhalten.