Menschen in einem Einkaufszentrum in Peking
AP/Imaginechina/Yang Kejia
Nach Lockerungen

Warnung vor starker CoV-Welle in China

Nach den Lockerungen der strikten Null-Covid-Maßnahmen in China könnte auf das Land eine starke Infektionswelle zukommen. Viele Menschen in China kamen bisher noch nicht in Kontakt mit dem Virus. Im Umkreis der chinesischen Führung werden „angemessene Maßnahmen“ gefordert, um die Welle verhältnismäßig niedrig zu halten.

Wenn chinesische Staatsmedien etwas größer veröffentlichen, darf man davon ausgehen, dass es dem Willen der chinesischen Führung entspricht. Das gilt wohl auch für Berichte über die Äußerungen des früheren Vizedirektors des nationalen Gesundheitsamtes, Feng Zijian. Bei einem Onlineforum der Pekinger Tsinghua-Universität warnte er vor einer großen Infektionswelle, die auf das Land zukomme.

Es müssten „angemessene Maßnahmen“ ergriffen werden, um den Höhepunkt dieser Welle niedrig zu halten und die Belastung des Gesundheitswesens zu verringern, sagte Feng. In einer ersten Welle dürfte die Infektionsrate nach Modellrechnungen rund 60 Prozent erreichen. Doch „egal, wie die Maßnahmen angepasst werden, die meisten von uns werden sich einmal infizieren“, sagte der Experte. Er gehe davon aus, dass sich am Ende 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung mit dem Erreger anstecken werden.

CoV-Teststation in Shanghai
APA/AFP/Hector Retamal
China verfolgte bisher eine strenge Null-Covid-Politik

Der Höhepunkt der Welle werde jedenfalls „enormen Druck“ auf das medizinische System ausüben, warnte Feng. Es müssten Vorbereitungen getroffen werden. Auch sei wichtig, die Impfungen zu beschleunigen – besonders für ältere Menschen mit chronischen Krankheiten. Wer nicht komplett geimpft sei, solle das schnell nachholen. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg gehört Feng zu den acht Experten, die Vizepremierministerin Sun Chunlan beraten hatten, bevor sie von einem „neuen Stadium“ im Vorgehen gegen das Virus sprach und Änderungen in Aussicht stellte.

Umschwenken nach Protestwelle

Nach einer Protestwelle Ende November gegen die drakonischen Null-Covid-Maßnahmen hatte die Regierung am Mittwoch eine Kehrtwende hingelegt und weitreichende Erleichterungen bei Lockdowns, Quarantäneregeln, Testpflicht und Reisen in China angekündigt. So soll es etwa für Infizierte ohne Symptome bzw. mit leichten Krankheitsverläufen grundsätzlich möglich sein, zu Hause in Isolation zu gehen.

Auch Kontaktpersonen droht nicht mehr wie bisher das Quarantänelager. Sie sollen sich ebenfalls zu Hause isolieren können. Lockdowns sollen zumindest nicht mehr „willkürlich“ über ganze Straßenzüge verhängt werden. Die Pflicht zu häufigen PCR-Tests und die ständige Kontrolle über die CoV-App zum Einscannen sollen auch gelockert werden. So sollen auch Reisen innerhalb Chinas künftig ohne Nachweis eines negativen Testergebnisses möglich sein.

Arbeiter in Schutzkleidung räumen Absperrgitter weg
AP/FeatureChina
Öffentliche Verkehrsmittel durften bisher nur mit einem negativen Testergebnis benutzt werden

China dürfte damit nun wie der große Rest der Welt versuchen, mit dem Virus zu leben. Die Null-Covid-Strategie hatte zu großem Unmut im Volk und enormen Belastungen für die zweitgrößte Volkswirtschaft geführt, während die strikten Maßnahmen gegen die neuen, leicht übertragbaren Omikron-Varianten des Virus immer weniger wirksam waren.

Gesundheitssystem schon jetzt belastet

Dass eine Lockerung der Maßnahmen nun erst einmal Druck auf das Gesundheitssystem erzeugen könnte, liegt dabei allerdings ebenso nahe. Nach dem jüngsten Ausbruch in Peking erleben Krankenhäuser der Hauptstadt heute schon einen starken Zulauf von Infizierten und Personalmangel. „Die Notaufnahme ist voll mit Patienten“, schilderte eine Schwester dem Magazin „Yicai“. „Viele Patienten, die in die Notaufnahme kommen, erweisen sich nach einem PCR-Test als positiv.“ Das Personal müsse sich darauf vorbereiten, sich selbst zu infizieren.

Ein Anästhesist in einem anderen Krankenhaus berichtete, die Definition von Kontaktperson werde dort schon nicht mehr so eng gefasst, um – wegen der dann erforderlichen Isolation – Personalmangel zu vermeiden. In Ärztekreisen zirkuliere ein Aufsatz, wonach die nächsten ein, zwei Monate „der dunkelste Moment“ für das medizinische Personal werden, schrieb das Magazin. „Positive Patienten drängen sich in der Fieberklinik, und es gibt viele Komplikationen“, berichtete ein Intensivmediziner eines Hospitals.

Internationale Gesundheitsexperten äußerten wiederholt ihr Unverständnis darüber, dass moderne ausländische mRNA-Impfstoffe in China immer noch nicht zugelassen sind. Es wurde auch gewarnt, dass noch keine natürliche Immunität im Milliardenvolk vorhanden sei, da es bisher nur relativ wenige Infektionen in China gegeben habe. Bei vielen Chinesen seien die letzten Impfungen bzw. der Booster auch schon längere Zeit her, was ein Problem werden könnte.