Afghanische Studentinnen in Kabul
APA/AFP/Wakil Kohsar
Arbeitsverbot für Frauen

NGOs setzen Arbeit in Afghanistan aus

Mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Afghanistan haben nach der Ankündigung eines Arbeitsverbots für Mitarbeiterinnen ihre Arbeit vorübergehend eingestellt. Das teilten die Hilfsorganisationen Care, Save the Children und die Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC) am Sonntag gemeinsam mit. „Wir können Kinder, Frauen und Männer in dringender Not nicht ohne unsere weiblichen Angestellten erreichen“, hieß es darin.

Das afghanische Wirtschaftsministerium hatte am Samstag in einem Schreiben gefordert, Mitarbeiterinnen aller nationalen und internationalen NGOs bis auf Weiteres von ihrer Arbeit zu suspendieren. Grund dafür sei, dass die Frauen die Vorschriften der militant-islamistischen Taliban-Führung in Bezug auf das Tragen eines Hidschabs, also eines Kopftuchs, nicht einhielten. Komme eine Organisation dieser Anordnung nicht nach, werde ihre Lizenz entzogen, hieß es in dem Schreiben.

Die Ankündigung der militanten Islamisten löste weltweit Sorge aus. Unter anderen der UNO-Generalsekretär, die EU-Kommission und die Außenminister der USA und Deutschlands verurteilten den Schritt.

Afghanistan: Kaum mehr Rechte für Frauen

In Afghanistan schränken die Taliban die Rechte von Frauen weiter ein. Nun dürfen Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen nicht mehr in die Arbeit gehen. Mädchen und Frauen sind vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Immer weniger Frauen protestieren für ihre Rechte.

Tausende Arbeitsplätze betroffen

Die Hilfsorganisationen Care, Save the Children und die Norwegische Flüchtlingshilfe betonten, ohne Frauen hätten Millionen Afghaninnen und Afghanen seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 keine Hilfe erhalten können. „Während wir über diese Ankündigung Klarheit gewinnen, setzen wir unsere Programme aus und fordern, dass Frauen und Männer gleichermaßen weiter lebensrettende Unterstützung in Afghanistan leisten können.“ Von der Forderung seien Tausende Arbeitsplätze inmitten einer enormen Wirtschaftskrise betroffen.

Eine andere NGO, das International Rescue Committee, hatte zuvor alleine bereits von mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen in dem Land gesprochen. „Unsere Mitarbeiterinnen sind entscheidend für die Auslieferung von humanitärer Hilfe in Afghanistan“, twitterte sie.

Eine Gruppe von jungen Frauen auf einer Straße in Kabul
APA/AFP/Wakil Kohsar
Die Situation der Frauen in Afghanistan hat sich durch die Machtübernahme dramatisch verschlechtert

UNO-Generalsekretär Guterres „zutiefst beunruhigt“

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sei „zutiefst beunruhigt“ über die angebliche Anordnung der Taliban, teilte sein Sprecher Stephane Dujarric am Samstag (Ortszeit) in New York mit. „Diese Entscheidung wird die Arbeit zahlreicher Organisationen untergraben, die im ganzen Land den Schwächsten helfen, vor allem Frauen und Mädchen.“ Die Vereinten Nationen und ihre Partner, einschließlich nationaler und internationaler NGOs, unterstützten derzeit mehr als 28 Millionen Afghaninnen und Afghanen, die für ihr Überleben von humanitärer Hilfe abhingen.

Die Vereinten Nationen (UNO) forderten am Montag bei einem Treffen mit dem im Taliban-Regime für die Wirtschaftsagenden zuständigen Mohammad Hanif die Aufhebung des verhängten Arbeitsverbotes für Frauen bei NGOs. „Millionen Afghanen brauchen humanitäre Hilfe, und die Beseitigung von Barrieren ist lebenswichtig“, wie der Leiter des UNO-Unterstützungseinsatzes in Afghanistan (UNAMA), Ramis Alakbarow, nach dem Treffen sagte.

„Zutiefst besorgt“

Auch US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich am Samstagabend (Ortszeit) auf Twitter „zutiefst besorgt“. Dieses Verbot für Frauen werde die Versorgung mit humanitärer Hilfe in Afghanistan durcheinanderbringen. „Frauen spielen bei humanitären Hilfsaktionen weltweit eine zentrale Rolle“, so Blinken. Eine solche Entscheidung könnte verheerende Folgen für die Menschen in Afghanistan haben.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wies die Forderung am Sonntag zurück. „Wir werden nicht akzeptieren, dass die Taliban die humanitäre Hilfe zum Spielball ihrer Frauenverachtung machen“, twitterte die Grünen-Politikerin. „Sie rauben der Hälfte der Bevölkerung ein weiteres Grundrecht, brechen humanitäre Prinzipien und gefährden die lebenswichtige Versorgung der Menschen.“ Geschlechtsbezogene Verfolgung könne auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein. „Wir setzen uns für eine deutliche Reaktion der internationalen Gemeinschaft ein.“

EU: „Klarer Bruch humanitärer Grundsätze“

EU-Kommissionssprecherin Nabila Massrali bezeichnete den Schritt als einen „klaren Bruch humanitärer Grundsätze“. Die EU bewerte derzeit den Einfluss, den das Verbot auf seine Hilfe für Afghanistan haben werde, schrieb sie in der Nacht zum Sonntag auf Twitter.

Seit ihrer Machtübernahme im August 2021 haben die militanten Islamisten Frauenrechte in Afghanistan erheblich eingeschränkt. Viele Frauen durften nicht mehr zu ihren Arbeitsplätzen zurückkehren. Mädchen und Frauen sind mittlerweile vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Am Dienstag haben die Taliban Frauen von allen Hochschulen verbannt. Frauen, die für ihre Rechte protestierten, wurden in der Vergangenheit immer wieder, teils auch über mehrere Wochen, festgehalten.