Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
Reuters/Radovan Stoklasa
Deutsche Verteidigungsministerin

Lambrecht verlängert Fehlerliste mit Video

Mit einer Videobotschaft zum Jahreswechsel vor der Kulisse explodierender Böller und Raketen hat die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) für Aufsehen gesorgt. Inhaltlich unangemessen und stilistisch verunglückt, lautete die Kritik in sozialen Netzwerken. Aus der deutschen Opposition wird ein Wechsel an der Spitze des Ressorts gefordert, ist es doch beileibe nicht der erste Fehltritt der Politikerin.

In dem am Wochenende über Instagram verbreiteten Video bilanziert Lambrecht das Jahr 2022, ihre Worte gehen aber mehrfach im Pfeifen von Raketen und explodierenden Böllern unter. Das Jahr habe uns alle vor unglaubliche Herausforderungen gestellt, sagt Lambrecht. Und: „Mitten in Europa tobt ein Krieg. Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen.“

Die deutsche Regierung wollte das Video am Montag nicht kommentieren. „Ich sehe jetzt keinen Anlass, das hier zu bewerten“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, es handle sich um ein privat aufgenommenes Video, für das keine Ressourcen des Ministeriums verwendet worden seien. Auf die Frage, ob die Filmaufnahme angesichts des Krieges in der Ukraine eine angemessene Form sei, das neue Jahr zu begrüßen, sagte er: „Die Worte der Ministerin im Video stehen für sich. Es ist nicht an mir, das zu kommentieren.“

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), äußerte sich distanziert: „Das betreffende Neujahrsvideo ist eine Sache der Ministerin und ihres Kommunikationsstabes. Ich selbst finde das Setting etwas unglücklich. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“

„Was für eine Peinlichkeit“

Weniger gnädig fiel die Reaktion der Opposition aus. Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler legte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nahe, Lambrecht zu entlassen. Der Fraktionsvize der Union, Johann Wadephul, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Das Video zeigt nochmal deutlich, dass sie die Falsche in diesem zentralen Amt ist – und das in diesen Kriegszeiten in Europa.“

Der CDU-Politiker Armin Laschet – der als Kanzlerkandidat selbst mit einem Lacher im Flutgebiet schwer in die Kritik geraten war – wies auf Twitter darauf hin, dass Lambrechts Instagram-Auftritt auch im Ausland für Verwunderung sorge: „Ist dem Bundeskanzler eigentlich die Wirkung Deutschlands in Europa und der Welt völlig egal?“ Der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn schrieb: „Dieses Video spricht für sich. Was für eine Peinlichkeit, was für eine Fehlbesetzung.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer hatte bereits am Sonntag getwittert, noch schlimmer als Lambrechts Ansprache sei „die Performance der Ministerin in 2022“. Für 2023 sehe er „viel Luft nach oben“.

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit Eberhard Zorn (Generalinspekteur der Bundeswehr) und Ingo Gerhartz (Generalinspekteur der deutschen Luftwaffe)
APA/AFP/John Macdougall
Zweifel an der Qualifikation Lambrechts für ihr Amt bestanden von Anfang an – sie werden nicht weniger

Panne mit Panzer Puma

Lambrecht steht seit einiger Zeit mehr als andere Ministerinnen und Minister im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz in der Kritik. Zuletzt sorgte ein Pannendesaster bei Übungen mit dem Schützenpanzer Puma für Aufruhr. Vor zwei Wochen war bekanntgeworden, dass bei einer Schießübung der Bundeswehr für die Beteiligung an der NATO-Eingreiftruppe VJTF alle 18 der genutzten Panzer ausgefallen waren. Das von zahlreichen technischen Problemen geplagte Kettenfahrzeug war erst 2021 für gefechtstauglich erklärt worden.

Lambrecht legte daraufhin die geplante Nachbeschaffung des Gefechtsfahrzeugs auf Eis und beschloss, die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr mit Jahresbeginn nicht mit dem modernen Puma, sondern mit dem seit Jahrzehnten genutzten Schützenpanzer Marder für die NATO-Eingreiftruppe auszurüsten. Zwar gab ein Sprecher des Puma-Herstellers Rheinmetall am Montag bekannt, dass „von 18 Fahrzeugen 17 wieder fahren. (…) Die Befundung der Fahrzeuge wurde Ende vergangener Woche abgeschlossen, fast alle Schäden waren Bagatellen.“

Die Union im Bundestag klagte dennoch über eine zu schleppende Aufklärung der jüngsten Ausfälle des Schützenpanzers. „Wenn man sich über aktuelle Mängel bei der Bundeswehr wundert, kann man festhalten: Der Fisch stinkt vom Kopf“, sagte CSU-Verteidigungsexperte Hahn der „Welt“ (Montag-Ausgabe). Nach der Opposition forderten auch die Grünen schnellere Aufklärung und mehr Transparenz gegenüber dem Bundestag. „Einen Plan zu haben, ist gut. Trotzdem würden wir gerne sehr bald wissen, was das Problem war – und nicht aus Truppe und Presse Versatzstücke zusammensuchen müssen“, sagte Sara Nanni, Obfrau der Grünen-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss.

Deutscher Schützenpanzer vom Typ Puma
IMAGO/Sven Eckelkamp
Der Nachkauf weiterer Panzer vom Typ Puma wurde in Deutschland vorerst ausgesetzt

Fragezeichen hinter F-35-Deal

Auch der Mitte Dezember durchgepeitschte Ankauf von 35 hochmodernen US-Kampfflugzeugen des Typs F-35 für einen Betrag von fast zehn Milliarden Euro lässt viele Fragen offen. Fachleute des Verteidigungsministeriums hatten zuvor vor möglichen Risiken und Kostensteigerungen gewarnt. Das betraf etwa den erforderlichen Umbau von Flugplätzen für die F-35 und mögliche technische Probleme bei der Zulassung der Kampfjets für den Flugbetrieb.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) schrieb dazu: „Vielleicht liegt das Tempo der Bestellung auch darin begründet, dass die beschädigte Ministerin dringend einen vorzeigbaren Erfolg brauchte. Bisher war es Lambrecht kaum gelungen, die 100-Milliarden-Anleihe für die Wiederertüchtigung der Bundeswehr in Beschaffungen oder wenigstens Bestellungen bei der Rüstungsindustrie zu verwandeln. Das beklagten selbst die eigenen Ampelkoalitionäre. Mit der rasanten Überweisung von zehn Milliarden auf amerikanische Konten sieht Lambrechts Jahresbilanz nun optisch etwas besser aus.“

Sohn im Helikopter

Negativschlagzeilen machte Lambrecht auf anderer Ebene im April des Vorjahres. Zu einem Truppenbesuch in Norddeutschland hatte sie im Regierungshubschrauber ihren 21-jährigen Sohn mitgenommen, ohne dass er am Militärtermin teilnahm. Am nächsten Tag und nach einer Hotelübernachtung ging es mit Auto und Personenschützern auf die nahe Insel Sylt. Lambrechts Sohn veröffentlichte Fotos von sich in dem Helikopter auf Instagram – Kritik folgte auf dem Fuß.

Später räumte Lambrecht ein, dass sie den Flug heute so nicht mehr unternehmen würde. Ein unrechtmäßiges Verhalten sah sie allerdings nicht. „Der Flug war in völliger Übereinstimmung mit allen Regeln und Vorschriften, und ich habe die Kosten für meinen Sohn voll übernommen – heute würde ich das anders entscheiden.“

Rufe nach Rücktritt

Zwar galt es bisher als unwahrscheinlich, dass Kanzler Scholz die Ministerin ohne einen größeren Plan für eine Kabinettsumbildung entlassen könnte, nach dem Silvestervideo wächst der Druck aber gewaltig. „Die Ministerin offenbart mit diesem Video einen Mangel an Empathie, der fassungslos macht. Deshalb wiegt dieser Fehltritt schwerer als andere tatsächliche oder vermeintliche Pannen. (…) Lambrecht muss sich dafür entschuldigen – oder ihr so wichtiges Amt anderen überlassen“, kommentierte etwa die ARD.

Der „Tagesspiegel“ schrieb: „Lambrechts Ministerium steht vor einer riesigen Aufgabe. Wie soll sie künftig glaubwürdig die ‚Zeitenwende‘ managen, die eine unmittelbare Folge des russischen Angriffs ist? Und wer wird die Ministerin auf der internationalen Bühne nach diesem Auftritt noch ernst nehmen können? Zweifel an Lambrechts Eignung für das Amt gibt es schon lange. Jetzt ist es an der Zeit, dass der Kanzler Konsequenzen zieht.“ Ähnlich kommentierte das Magazin „Cicero“ online: „Lambrecht scheint endgültig verbrannt im Amt. Es ist wohl an der Zeit, die SPD-Politikerin endlich vor sich selbst zu schützen. Und die Würde des Amtes gleich mit.“