Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy
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McCarthy gewählt

Zäher Sieg mit unabsehbaren Folgen

Nach einem unerbittlichen parteiinternen Machtkampf ist der Republikaner Kevin McCarthy neuer Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses. Der 57-Jährige wurde in der Nacht auf Samstag (Ortszeit) erst nach wohl schwerwiegenden Zugeständnissen im 15. Wahlgang gewählt. Auch wenn sich McCarthy selbst fest im Sattel sieht, steht außer Frage, dass es nach den wohl beispiellosen Szenen der letzten Tage im US-Parlament weiter turbulent bleibt.

McCarthy hatte bereits über Wochen gegen den Widerstand in den eigenen Reihen angekämpft und seinen Gegnern allerlei Zugeständnisse angeboten, um sie zu besänftigen und sie auf seine Seite zu ziehen. Doch sie ließen sich den Showdown im Plenum nicht nehmen. Der 57-Jährige musste noch weitere Zugeständnisse machen, um seine Gegner hinter sich zu vereinen. Erst dann konnte er das Blatt wenden und ausreichend Parteikollegen umstimmen.

Auf die Frage, wie sicher er sich überhaupt sei, dass er sich im Amt halten könne, sagte McCarthy nach dem Wahlsieg: „1.000 Prozent.“ Er bemühte sich auch, die internen Gräben innerhalb seiner Fraktion kleinzureden. Man habe einen Weg gefunden, um zusammenzuarbeiten, sagte er mit Blick auf potenzielle Kämpfe dieser Art bei künftigen Abstimmungen.

US-Kongress: Mehrheit für McCarthy

Am vierten Abstimmungstag und in der 15. Runde haben die republikanischen Abgeordneten in den USA nun doch Kevin McCarthy zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses gewählt. Es war die längste Wahl zum „Speaker of the House“ seit 160 Jahren.

Schleudersitz?

Dennoch geht McCarthy trotz der am Ende erfolgreichen Wahl geschwächt ins Amt und muss sich in den kommenden Jahren bei der Organisation von Mehrheiten in der Kongresskammer auf große Schwierigkeiten einstellen. Außerdem hat McCarthy seinen parteiinternen Gegnern für die Abberufung eines Vorsitzenden mehr Macht versprochen – also dafür, ihn im Zweifel wieder aus dem Amt zu entfernen.

ORF-Analyse zur Wahl im US-Kongress

ORF-Korrespondent Thomas Langpaul spricht unter anderem darüber, was vom republikanisch dominierten Repräsentantenhaus künftig zu erwarten ist.

Seine Konzession an die Hardliner in den eigenen Reihen, dass jede und jeder einzelne Abgeordnete jederzeit eine Abstimmung zur Absetzung des Speakers fordern kann, räumt dieser Gruppe einen immensen Einfluss ein. Die Zugeständnisse wie etwa Ausgabenkürzungen, die McCarthy für seine Wahl machen musste, dürften Turbulenzen in den kommenden Monaten bedeuten. Das gilt insbesondere dann, wenn der Kongress eine weitere Aufstockung der 31,1 Billionen Dollar schweren Kreditbefugnis der USA absegnen muss.

„Froh, dass es vorbei ist“

Zunächst zeigte sich McCarthy aber erleichtert, dass er die Wahl ins dritthöchste Amt geschafft hat. „Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagte McCarthy kurz nach den von turbulenten Szenen begleiteten letzten Wahlrunden. Dankesworte richtete McCarthy schließlich auch an Ex-Präsidenten Donald Trump. „Ich denke nicht, dass irgendjemand an seinem Einfluss zweifeln sollte“, so McCarthy, demzufolge Trump geholfen habe, die für seine Wahl notwendigen Stimmen zu sichern.

„Unser System basiert auf ‚checks and balances‘“, sagte McCarthy in seiner Antrittsrede mit Blick auf die staatliche Gewaltenteilung. „Es ist Zeit für uns, eine Kontrolle zu sein und der Politik des Präsidenten ein gewisses Gleichgewicht zu verleihen.“

US-Präsident Joe Biden gratulierte McCarthy. „Ich bin bereit, mit Republikanern zusammenzuarbeiten, wenn ich es kann“, sagte der Demokrat Biden am Samstag. Es sei an der Zeit, „verantwortungsvoll zu regieren und sicherzustellen, dass wir die Interessen amerikanischer Familien vorne anstellen.“

ORF-Analyse: McCarthys Deal

Barbara Wolaschek aus der ORF-Außenpolitikredaktion spricht über den Deal, den McCarthy mit den Ultrarechten in seiner Partei eingehen musste, um als Vorsitzender im US-Repräsentantenhaus gewählt zu werden.

Von Chaos begleitete Wahl

Die parteiinterne Rebellion gegen McCarthy hatte das Repräsentantenhaus über Tage gelähmt und ins Chaos gestürzt. Das langwierige Verfahren gilt als Zeichen für die interne Zerstrittenheit der Republikaner. Nach den Parlamentswahlen im November war der Kongress bereits am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammengekommen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus – im Senat haben Bidens Demokraten weiter eine knappe Mehrheit.

Üblicherweise ist die Wahl zum Vorsitzenden der Kongresskammer eine Formalie. Mehr als einen Wahlgang gab es zuletzt vor rund 100 Jahren, mehr Wahlgänge als diesmal zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen. In McCarthys Fall zog sich der Abstimmungsmarathon nun über vier Tage hin.