Satellitianaufnahme zeigt zerstörte Gebäude in Soledar
Reuters/Maxar Technologies
Soledar

Moskau meldet Einnahme – Kiew dementiert

Nach wochenlangen schweren Gefechten hat Russland am Freitag die Einnahme der Stadt Soledar im Gebiet Donezk im Osten der Ukraine bekanntgegeben. Die Stadt sei seit Donnerstagabend vollständig unter Kontrolle der russischen Streitkräfte, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit. Kiew dementierte die Angaben umgehend – dennoch werden Rufe nach einem Rückzug laut.

„Der harte Kampf um Donezk geht weiter“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitagabend in seiner täglichen Videoansprache. „Der Kampf um Bachmut und Soledar, um Kreminna, um andere Städte und Dörfer im Osten unseres Staates geht weiter.“

„Unsere Einheiten sind dort. Die Stadt ist nicht unter russischer Kontrolle“, sagte auch ein Sprecher des Militäroberkommandos für die Ostukraine in einem Telefonat mit Reuters. Die Kämpfe dauerten an, sagten ukrainische Beamte auch laut BBC und „New York Times“ („NYT“). „Die Nacht war heiß, die Kämpfe gingen weiter“, teilte Freitagfrüh zudem die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar auf Telegram mit.

Es ist nicht das erste Dementi einer von Russland bekanntgegebenen Eroberung der Stadt: Der Chef der russischen paramilitärischen Organisation Wagner, Jewgeni Prigoschin, hatte bereits am Mittwoch mitgeteilt, dass Soledar eingenommen sei und nur noch von den Resten der ukrainischen Armee „gesäubert“ werden müsse. Die Schlacht um Soledar gilt als eine der blutigsten in dem Krieg, der vor fast einem Jahr mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine begonnen hat.

Soldier in der zeröstörten Stadt Soledar
Reuters/State Border Guard Sevice of Ukraine
Soledar wurde ukrainischen Angaben zufolge von russischen Streitkräften dem Erdboden gleichgemacht

Verbleib in Stadt „militärisch nicht sinnvoll“

Westliche Experten hatten ebenfalls berichtet, dass Russland den Ort bereits eingenommen haben könnte. Nach Angaben der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) dürften russische Streitkräfte Soledar zumindest in großen Teilen kontrollieren. Das ISW verweist dabei auf am Mittwoch und Donnerstag veröffentlichte Aufnahmen. Nach ISW-Einschätzung habe Moskau die Bedeutung von Soledar aber „übertrieben“.

Moskau verkündet Einnahme von Soledar

Erstmals seit einem halben Jahr verkündet Russland im Krieg gegen die Ukraine wieder die Einnahme einer Stadt. Die Ukraine dementiert bislang aber weiter, dass Russland das seit Wochen umkämpfte Soledar kontrolliert

„Die Situation ist schwierig, sogar sehr schwierig“, zitiert der „Guardian“ Andrij Jermak vom ukrainischen Präsidialamt. Dessen Angaben zufolge ist Soledar „ein Ort der Straßenkämpfe, wo immer eine der Parteien die Stadt nicht kontrolliert“. Die seit Monaten geführte Schlacht sei laut Jermak das „Verdun im 21. Jahrhundert“. Verdun ging als Schauplatz einer der längsten und verlustreichsten Schlachten des Ersten Weltkrieges in die Geschichte ein.

So wie bei Verdun bleibt auch bei Soledar das militärische Ziel fraglich. Ein Verbleib in der Stadt sei militärisch nicht sinnvoll, sagte laut CNN ein am Stadtrand stationierter ukrainischer Fallschirmjäger. In der Stadt habe kein einziges Gebäude den russischen Beschuss überstanden – man erwarte in den kommenden Tagen eine Entscheidung über den Rückzug aus der völlig zerstörten Stadt.

„Wichtig für weitere Offensivoperationen“

Das russische Militär versucht seit einigen Wochen, die ukrainischen Verteidigungslinien in diesem Teil der Ukraine zu durchbrechen. Der Auftrag lautet, die gesamte Region Donezk, die Moskau bereits völkerrechtswidrig annektiert hat, unter russische Kontrolle zu bringen.

Mit der Eroberung von Soledar habe man russischen Angaben zufolge nun auch die Voraussetzungen geschaffen, um ukrainische Truppen von der nahe gelegenen, vor dem Krieg rund 75.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Stadt Bachmut abzuschneiden „und dann die dort befindlichen ukrainischen Einheiten einzukesseln“.

Dieser Sieg sei „wichtig für weitere Offensivoperationen“ in der Region Donezk, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Das vor dem Krieg rund 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Soledar liegt etwa 15 Kilometer nordöstlich von Bachmut.

„Keine intakte Wand“

Konaschenkows Angaben zufolge hätten „ständige Angriffe auf den Feind“ durch die russische Luftwaffe und Artillerie die Einnahme der Stadt ermöglicht. Russische Fallschirmjäger hätte zudem „ein verstecktes Manöver“ durchgeführt, indem sie aus einer „anderen Richtung“ die ukrainischen Truppen in Soledar angegriffen hätten. Dadurch seien „Höhen besetzt und die Stadt von Norden und Süden her blockiert“ worden.

Nach ukrainischen Angaben seien noch rund 500 Zivilisten in der Stadt eingeschlossen. Die Stadt sei durch russischen Dauerbeschuss dem Erdboden gleichgemacht worden. Es gebe dort „fast kein Leben“ mehr, „keine intakte Wand“, so der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

USA erwarten keine kriegsentscheidende Wende

Mit der Eroberung von Soledar beanspruchen die russischen Streitkräfte nach mehreren demütigenden Rückschlägen in den vergangenen Monaten einen ersten nennenswerten Erfolg für sich. Für Kiew wäre es nach einer Reihe erfolgreicher Rückeroberungen von Städten und Gebieten und einem daraufhin starren Frontverlauf indes einer der größten Rückschläge seit Monaten.

Der Schlacht um Soledar wird vor allem eine symbolische Bedeutung zugerechnet. Die USA erwarten vom Ausgang der Kämpfe jedenfalls keine entscheidende Wendung. Auch wenn Soledar und Bachmut in russische Hände fielen, werde das keine strategischen Auswirkungen haben, sagte zuletzt der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby.

USA: Soledar keine entscheidende Wende

Die USA erwarten vom Ausgang der Kämpfe um Soledar und Bachmut keine entscheidende Wendung. Auch wenn die beiden Städte in russische Hände fielen, werde das keine strategischen Auswirkungen haben, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby.

Ruf nach Rückzug

Gleichzeitig mehren sich einem Medienbericht zufolge ukrainische Stimmen, die besagen, dass man sich womöglich zu lange und zu hartnäckig an eine Stadt mit begrenzter strategischer Bedeutung geklammert habe. Man habe sich in eine Schlacht hineinziehen lassen und dabei die Kräfte verloren, die es für eine geplante Frühjahrsoffensive brauchen würde, so die laut „WSJ“ geäußerten Bedenken.

Damit einher gehe der Zeitung zufolge der Ruf nach einem „koordiniert organisierten“ Rückzug hinter eine neue Verteidigungslinie, damit „die Kampfkraft des ukrainischen Militärs erhalten bleibt“.