F16 am Boden
AP/Andreea Alexandru
Kampfjets für Kiew

Borrell hält Sinneswandel für möglich

Im Vorfeld des EU-Ukraine-Gipfels in Kiew stimmen sich am Donnerstag Vertreterinnen und Vertreter der EU-Kommission mit der ukrainischen Regierung ab. Präsidentin Ursula von der Leyen und weitere Mitglieder sind bereits in Kiew eingetroffen – darunter auch EU-Chefdiplomat Josep Borrell. Er hält Sinneswandel von Ländern wie Deutschland und den USA in der Frage von Kampfjetlieferungen für möglich – zuletzt hatten sich die Länder ja zurückhaltend gezeigt.

Auch die Lieferung von Panzern sei anfangs stark umstritten gewesen, sagte der Spanier. Schließlich sei es bei dem Thema doch zu einer Einigung gekommen, und man habe diese „rote Linie“ überschritten. Warnungen vor Eskalationsrisiken habe es bisher bei allen Waffenlieferungen gegeben, sagte er.

Die Frage, ob er selbst Kampfjetlieferungen an die Ukraine befürworte, wollte Borrell nicht beantworten. „Meine Aufgabe ist es, einen Konsens zu erzielen“, sagte der Außenbeauftragte. Dabei sei es nicht hilfreich, öffentlich Positionen zu vertreten, die diese Möglichkeit gefährden könnten.

Morawiecki: „Wäre für Entsendung dieser Kampfjets“

Offen für eine Lieferung von Kampfjets hatte sich zuletzt unter anderen Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gezeigt. „Wenn das eine Entscheidung der gesamten NATO wäre, wäre ich für die Entsendung dieser Kampfjets“, sagte der Regierungschef der deutschen „Bild“-Zeitung (Donnerstag-Ausgabe). Es gehe darum, „was die NATO-Länder gemeinsam entscheiden“.

„Wir sollten die Dinge gemeinsam und in Verbindung mit einer strategischen Überlegung des gesamten NATO-Bündnisses tun“, sagte Morawiecki weiter. Die russische Aggression in der Ukraine sei „ein sehr ernster Krieg“. Aber weder Polen noch die gesamte NATO seien daran „beteiligt“. Laut Morawiecki sei nicht das Einverständnis aller NATO-Länder für die Lieferung von Kampfjets nötig.

Zunehmendes Misstrauen gegen Berlin geortet

Kiew drängt seit geraumer Zeit zur Lieferung von Kampfjets. Frankreich und die Niederlande haben das nicht ausgeschlossen. Die USA stehen dieser Forderung ebenso wie Deutschland dagegen bisher ablehnend gegenüber. Morawiecki sprach gegenüber der „Bild“-Zeitung von wachsendem Misstrauen gegenüber Berlin in mittel- und osteuropäischen Ländern. Die Unterstützung Berlins könnte deutlich größer sein, kritisierte er.

„EU steht fest wie eh und je zur Ukraine“

Von der Leyen und 15 weitere Kommissionsmitglieder halten sich seit Donnerstagfrüh zu Konsultationen in Kiew auf. „Wir sind zusammen hier, um zu zeigen, dass die EU so fest wie eh und je zur Ukraine steht“, schrieb von der Leyen auf Twitter. Ein Foto zeigte sie nach der Ankunft mit dem Nachtzug. Es sei „gut, zurück in Kiew zu sein“, so von der Leyen anlässlich ihres vierten Besuchs in Kiew seit Beginn der russischen Invasion.

Neben von der Leyen und Borrell waren nach Angaben der EU-Kommission unter anderen die Vizepräsidentinnen und -präsidenten Margrethe Vestager, Valdis Dombrovskis, Vera Jourova und Margaritis Schinas Teil der EU-Delegation.

Bei dem Treffen geht es unter anderem um juristische Möglichkeiten zur Ahndung des russischen Angriffskrieges und um den Wunsch Kiews nach einem möglichst schnellen EU-Beitritt. Die Ukraine ist seit dem vergangenen Juni offizieller EU-Beitrittskandidat.

Das Treffen sei „ein starkes Signal sowohl an die Partner als auch an die Feinde“, hatte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal im Vorfeld gesagt. Der EU-Ukraine-Gipfel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj findet am Freitag statt. Neben von der Leyen nimmt auch EU-Ratspräsident Charles Michel daran teil. Selenskyj verspricht sich von dem Treffen neue Hilfszusagen.

Ausbildungsmission soll vergrößert werden

Borrell teilte Donnerstagfrüh via Twitter mit, dass man weiter an der Seite der Ukraine stehen werde, um den Krieg zu gewinnen und das Land wiederaufzubauen. Offenbar soll die aktuelle EU-Ausbildungsmission für die ukrainischen Streitkräfte deutlich vergrößert werden. Als neues Ziel sei vorgesehen, 30.000 ukrainische Soldaten in EU-Staaten auszubilden, teilten mehrere EU-Beamte mit. Bisher war das Ziel, rund 15.000 Soldaten zu trainieren.

„Lage wird immer härter“

Gleichzeitig warnte er vor dem Jahrestag des russischen Kriegsbeginns am 24. Februar vor einer Zunahme der Angriffe. Im Osten hätten die Russen das Ziel, zu dem Datum Errungenschaften vorzuweisen, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. „Die Lage wird immer härter“, sagte er und lobte den Widerstand der Streitkräfte.

Drei Tote und 20 Verletzte in Kramatorsk

Unterdessen gab es bei einem Raketeneinschlag im ostukrainischen Kramatorsk in der Oblast Donezk drei Tote und 20 Verletzte. „Acht Wohnhäuser wurden beschädigt, eines davon wurde vollständig zerstört“, schieb die Polizei auf Facebook. Der Gouverneur der Region, Pawlo Kyrylenko, veröffentlichte auf Telegram ein Bild, das ein vierstöckiges Gebäude zeigt, das stark beschädigt wurde.

Kiew: Moskau bereitet umfassenden Raketenangriff vor

Nach Ansicht ukrainischer Militärs bereitet Russland einen neuen schweren Raketenangriff vor. Die meisten Schiffe der russischen Schwarzmeer-Flotte seien an ihre Stützpunkte zurückgekehrt, was auf die Vorbereitung eines neuen Schlags hindeute, sagte die Sprecherin der Kommandostelle Süd in den ukrainischen Streitkräften, Natalja Humenjuk, am Donnerstag im ukrainischen TV.