Kraftwerksruine in Fukushima
APA/AFP/Charly Triballeau
Zwölf Jahre Fukushima

Mehr Renaissance als AKW-Ausstieg

Vor zwölf Jahren hat ein Tsunami zum Super-GAU im japanischen Fukushima geführt. Inzwischen gibt es keine offiziellen Gedenkfeiern mehr. Die Folgen der Katastrophe sind noch omnipräsent, trotzdem wollen Japan und auch mehrere EU-Staaten neue Atomkraftwerke bauen. Österreich ist nie eingestiegen, Deutschland legt seine letzten Reaktoren still. International und unter dem Strich stehen die Zeichen aber mehr auf Renaissance als auf Ausstieg.

Fukushima wurde am 11. März 2011 zum weltweiten Sinnbild einer dreifachen Katastrophe. Diese hatte um 14.46 Uhr (Ortszeit) mit einem Erdbeben der Stärke 9,0 vor der japanischen Ostküste begonnen. Das Beben löste im Pazifik einen Tsunami aus, in den Flutwellen an der Küste starben über 20.000 Menschen, fast eine halbe Million musste die Region in den folgenden Tagen verlassen.

Eine nach Schätzungen 14 Meter hohe Flutwelle traf das Atomkraftwerk (AKW) Fukushima Daiichi (Fukushima I), vier von sechs Reaktorblöcken wurden zerstört, in Reaktor eins bis drei kam es zu Kernschmelzen, durch die große Mengen radioaktiven Materials freigesetzt wurden. Bis zu 150.000 Menschen mussten das Gebiet um das AKW vorübergehend oder dauerhaft verlassen.

Neue Debatte über Risiken contra neue AKW-Pläne

Die Katastrophe von Fukushima löste 2011 eine neue Debatte über die Risiken der Atomkraft aus, in Österreich hatte diese Diskussion seinerzeit 1978 mit einer Volksabstimmung dazu geführt, dass das fertiggestellte AKW Zwentendorf in Niederösterreich nie in Betrieb ging.

Kraftwerksruine in Fukushima
Reuters/Kyodo
Ruinen auf dem Gelände von Fukushima Daiichi

Andere Länder setzen weiter auf Atomstrom, darunter Österreichs direkte Nachbarn Slowenien, Ungarn und die Slowakei. Frankreich hat Probleme mit seinen in die Jahre gekommenen Reaktoren und will neue bauen. Deutschland hat den Atomausstieg beschlossen und will die letzten drei AKWs bald herunterfahren.

Selbst Japan, das immer noch mit enormen Folgen der Katastrophe vom 11. März 2011 kämpft, will unter der Regierung von Ministerpräsidenten Fumio Kishida nicht nur bestehende Meiler wieder hochfahren, sondern auch neue Reaktoren der nächsten Generation entwickeln und bauen. Offizielle nationale Gedenkfeiern an den GAU gibt es inzwischen keine mehr. Es wird auch kaum ein Todesfall direkt auf das Unglück zurückgeführt.

Verstrahltes Wasser soll gefiltert zurück ins Meer

Die aufwendigen Dekontaminierungsarbeiten sind inzwischen fortgeschritten, und die Strahlenwerte seien inzwischen auf dem praktisch gleichen Niveau wie in anderen Ländern, wie Fukushimas Gouverneur Masao Uchibori zuletzt gegenüber ausländischen Journalistinnen und Journalisten betonte. Dank striktester Kontrollen seien auch Lebensmittel, die auf den Markt kommen, sicher. Rund 27.000 der anfangs 165.000 Evakuierten können allerdings noch heute nicht in ihre alten Wohngebiete zurück.

Zerstörung nach Flutwelle in Japan
AP/Tetsu Joko
Bilder der Zerstörung nach Erdbeben und Tsunami

Die zerstörten Reaktoren müssen außerdem weiterhin mit Wasser gekühlt werden, dessen Menge durch einsickerndes Regen- und Grundwasser täglich weiter zunimmt. Es wird in riesigen Tanks gelagert, doch nun gehe der Platz aus, so der Betreiber des AKW, die Tokoy Electric Power Company (Tepco). Es soll gefiltert und verdünnt ins Meer geleitet werden. Laut Tepco und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) stellt der Plan keine Gefahr dar.

Flutwelle in Japan 2011
Reuters/Mainichi Shimbun
11. März 2011: Der Tag der Katastrophe

Das Filtersystem kann allerdings das Isotop Tritium nicht herausfiltern. Japan argumentiert, Tritium sei in geringer Menge unschädlich für Menschen. Örtliche Fischer protestieren dennoch gegen die Verklappung der über eine Million Kubikmeter Wasser, die Jahrzehnte dauern dürfte. Insgesamt wird die Sanierung der Altlasten von Fukushima I nach Schätzungen noch 30 bis 40 Jahre dauern.

Für Gewessler „nie eine sichere Energieform“

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) betonte anlässlich des Jahrestags der Katastrophe in einer Aussendung, Atomkraft könne und werde „nie eine sichere Energieform sein“. Die Auswirkungen des Unglücks seien bis heute „massiv zu spüren“. Der Jahrestag müsse eine Warnung sein. „Unsere Position ist seit Jahrzehnten klar und deutlich: Atomkraft hat keine Zukunft! Sie ist hochriskant und kann uns teuer zu stehen kommen. Es gibt nur eine Lösung: die Energiewende – das ist der Ausweg aus der Abhängigkeit von gefährlicher Atomkraft“, so Gewessler.

Die Umweltministerin betonte in der Aussendung, dass zehn der elf AKWs „rund um Österreich in der Hochrisikokategorie“ zu finden seien, das „aufgrund ihres Alters, ihrer Lage in einem Erdbebengebiet oder aufgrund fehlender Sicherheitsmaßnahmen“. Jede Laufzeitverlängerung, wie sie aktuell mehrere Länder planten, „geht mit einem höheren Risiko einher und bringt Gefahren mit sich“.

Rütteln an deutschen Ausstiegsplänen

In Deutschland verteidigte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, den Atomausstieg als Sicherheitsgewinn. „Damit machen wir uns weniger verwundbar gegen Angriffe auf unsere Energieversorgung. Wir setzen den Ausstieg um und bauen unsere Zukunft auf erneuerbare Energien.“

Die letzten drei noch laufenden deutschen AKWs hätten eigentlich Ende 2022 heruntergefahren werden sollen. Wegen der Energiekrise als Folge des Ukraine-Krieges wurde die mögliche Laufzeit befristet bis Mitte April 2023 als „Streckbetrieb“ verlängert. Dann sollen Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland endgültig vom Netz. Allerdings: Mit der Angst vor Energieengpässen und Zweifeln an einem schnellen und gelungenen völligen Umstieg auf erneuerbare Energieträger wird auch in Deutschland immer wieder und von verschiedensten Seiten am Atomausstieg gerüttelt.