Moderator Gary Lineker
Reuters/Toby Melville
Disput über Asylpolitik

Aufstand nach Sperre für Gary Lineker in BBC

Die Entscheidung der britischen BBC, Starmoderator und Ex-Fußballnationalspieler Gary Lineker wegen seiner Kritik an der Asylpolitik der konservativen Regierung von den Bildschirmen zu verbannen, sorgt für Entrüstung. Zahlreiche Kollegen und Kolleginnen solidarisierten sich am Samstag mit Lineker und weigerten sich, ihre Sendungen zu moderieren. Premierminister Rishi Sunak hofft, dass die „aktuelle Situation zwischen Gary Lineker und der BBC zeitnah gelöst werden kann“.

„Aufstand für Lineker“, „Meuterei bei der BBC“ – die Ankündigung der vorübergehenden Suspendierung des Moderators der beliebten Sendung „Match Of The Day“ am Freitagabend sorgte für einen derartigen Aufschrei, dass sie den Besuch Sunaks in Paris vom Vortag am Samstag weitgehend von den Titelseiten der britischen Zeitungen verdrängte.

Der ehemalige Stürmer der englischen Nationalmannschaft, der seit 1999 die Fußballsendung moderiert, wurde suspendiert, nachdem er am Dienstag den neuen Gesetzesentwurf der konservativen Regierung zum Asylrecht kritisiert hatte. Der Entwurf untersagt es allen ohne Visa oder sonstige Erlaubnis eingereisten Menschen, Asyl in Großbritannien zu beantragen.

BBC-Skandal: Solidarität mit Lineker steigt

Gary Lineker, Sportkommentator des britischen öffentlich-rechtlichen Senders BBC, muss seinen Job vorerst ruhen lassen, weil er sich online kritisch über die britische Regierung geäußert hat. Immer mehr BBC-Kollegen und Sportler zeigen sich solidarisch.

Erinnerung an Nazi-Diktion

Es handle sich um eine „grausame Politik gegen die Schwächsten, in einer Sprache, die der von Deutschland in den 1930er Jahren verwendeten nicht unähnlich ist“, schrieb der 62-jährige Ex-Fußballer auf Twitter. Lineker hat 8,8 Millionen Follower auf Twitter und teilte auch in der Vergangenheit immer wieder politische Ansichten, die mit der Meinung der konservativen Regierung in London kollidierten. Vor allem sprach sich der selbstständig für die BBC tätige Moderator offen gegen den Brexit aus und machte sich damit bei den Torys mächtige Feinde.

Innenministerin Suella Braverman warf Lineker vor, mit seinem Tweet den Holocaust zu verharmlosen. Laut „Daily Express“ forderten 36 konservative Abgeordnete in einem Brief an BBC-Chef Tim Davie eine Entschuldigung des Moderators – doch Lineker verweigerte. Am Freitag suspendierte die BBC dann ihren bestbezahlten Moderator.

Haufenweise Dienstverweigerungen

Linekers Moderatorenkollegen und -kolleginnen verweigerten als Zeichen der Solidarität am Samstag reihenweise den Dienst. Mangels Moderators lief zu Mittag statt der Sendung „Football Focus“ eine Show über Antiquitäten, die Nachmittagsfußballsendung „Final Score“ wurde durch ein Heimwerkermagazin ersetzt. Linekers Show „Match Of The Day“ sollte zwar laufen, aber ohne Spielanalyse und ohne Moderation. „Es tut uns leid wegen dieser Änderungen, und wir wissen, dass sie für die Fans von BBC Sport enttäuschend sind“, erklärte der Sender. „Wir arbeiten an einer Lösung.“

Lineker, der in seiner Zeit als Nationalspieler 48 Tore für England schoss, reagierte nicht öffentlich auf seine Suspendierung. Nach seinen Twitter-Äußerungen hatte er jedoch betont, er stehe zu seiner Meinung zur Asylpolitik.

BBC-Generaldirektor Tim Davie entschuldigte sich am Sonntag für die eingeschränkte Fußballberichterstattung. „Es war ein schwieriger Tag, und es tut mir leid, dass das Publikum betroffen war und sein Programm nicht erhalten hat. Als echter Sportfan weiß ich, dass das ein herber Schlag ist, und es tut mir leid“, sagte er in einem BBC-Interview. Nicht entschuldigen wollte sich Davie hingegen für die Suspendierung Linekers. Es gehe darum, die richtige Balance zu finden zwischen Pressefreiheit und Neutralität, sagte der für redaktionelle Inhalte zuständige BBC-Chef. Es gehe dabei nicht um politische Richtungen, betonte der frühere konservative Politiker. Einen Rücktritt schloss er aus.

Zweifel an Durchsetzbarkeit von Asylgesetz

Das geplante neue Asylgesetz der konservativen britischen Regierung lässt schon seit Tagen die Wogen hochgehen. Das Gesetz käme einem Asylverbot gleich, sagte etwa das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Britische NGOs stoßen in das gleiche Horn. Großbritannien stehle sich aus der Verantwortung Flüchtlingen gegenüber, monierte Amnesty. Die oppositionelle Labour-Partei bezweifelt, dass das Gesetz überhaupt rechtlich bestehen wird. Es könnte Menschenrechten widersprechen – wie auch die Tory-Regierung selbst sagte.

Das Gesetz sieht vor, fast alle Migrantinnen und Migranten, die ohne offizielle Erlaubnis einreisen, zunächst in Unterkünften wie früheren Militärbasen und Studierendenheimen festzuhalten. Danach sollen sie „in ein sicheres Drittland wie Ruanda“ abgeschoben oder in andere Staaten ausgewiesen werden. Das Recht, Asyl zu beantragen bzw. später eine britische Staatsbürgerschaft, soll ihnen entzogen werden. Außerdem soll die Möglichkeit eingeschränkt werden, Berufung gegen eine Abschiebung einzulegen. Ferner soll es eine Obergrenze für Flüchtlinge geben, die auf legale Weise ins Land kommen.

Eingang zu BBC-Hauptquartier
Reuters/Henry Nicholls
Fachleute sehen in der Dauerkritik der Torys an der BBC den Versuch, die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu brechen

Die BBC indessen steht schon seit Jahren unter dem Druck der Brexit-Anhänger und Rechtspopulisten in der konservativen Tory-Partei. Deren Darstellung nach ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt durchsetzt mit linkslastigen Journalisten, die eine urbane Elite repräsentierten. Aktionen wie im Fall Linekers wirken da wie vorauseilender Gehorsam der BBC, um derartige Kritik zu umgehen.

„BBC hat ihre Glaubwürdigkeit untergraben“

Es ist nur die jüngste in einer langen Reihe von Auseinandersetzungen, bei der Topjournalisten der BBC den Rücken kehrten. Hinzu kam immer wieder die Drohung der Regierung, die Rundfunkbeiträge abzuschaffen. Ein Einfrieren der Beiträge führte bereits zu schmerzhaften Sparrunden.

Im aktuellen Streit um die Lineker-Suspendierung stellte auch der frühere BBC-Generaldirektor Greg Dyke der Anstalt ein schlechtes Zeugnis aus. „Das wirkliche Problem heute ist, dass die BBC ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben hat, indem sie das getan hat. Weil es von außen so aussieht, als habe sie sich dem Druck der Regierung gebeugt“, sagte Dyke dem Radiosender BBC 4.

Britischer Premier Rishi Sunak
Reuters
Sunak möchte die Regierung in dem BBC-Disput aus dem Spiel lassen – dabei wurde er erst durch sie ausgelöst

Nach Ansicht mancher Kritiker ist die BBC ohnehin längst im Griff der Regierungssympathisanten. So hatte es etwa keine Konsequenzen, als enthüllt wurde, dass der aktuelle BBC-Vorsitzende Richard Sharp dem bei seiner Einstellung amtierenden Premierminister Boris Johnson einen Privatkredit verschafft hatte – ohne das als Interessenkonflikt anzugeben.

Premierminister Sunak versuchte am Samstagabend, die Regierung aus der Schusslinie zu bringen. Es handle sich um eine Angelegenheit zwischen Lineker und der BBC, die „hoffentlich zeitnah beigelegt werden kann“, ließ er mitteilen. Die Regierung spiele dabei keine Rolle, betonte er. Seine Asylpolitik verteidigte Sunak. Es gehe darum, die gefährlichen Überfahrten mit kleinen Booten im Ärmelkanal zu stoppen. „Das ist nicht nur fair und moralisch richtig, sondern auch mitmenschlich das Richtige“, sagte Sunak.