Credit Suisse Hauptsitz in Zürich
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Ringen um Rettung für Schweizer Großbank

„Schicksalstag“ für die Credit Suisse

Unter hohem Zeitdruck beraten in der Schweiz am Sonntag Banken, Behörden und Regierung über die Rettung der angeschlagenen Großbank Credit Suisse (CS). Medienberichten zufolge streben alle Seiten eine Übernahme der CS durch die größte Schweizer Bank UBS an – und zwar noch bevor die Börsen zu Wochenbeginn öffnen. Generell ist die Rede von einem „Schicksalstag“.

Wie die „Financial Times“ („FT“) unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Quellen berichtet, arbeiten die Schweizerische Nationalbank (SNB), die Schweizer Finanzmarktaufsicht (FIMNA), CS und UBS daran, noch im Laufe des Sonntags eine Lösung für eine komplette oder teilweise Übernahme zu finden. Bereits seit den frühen Morgenstunden hält die Regierung nach einem Treffen am Vortag erneut eine Dringlichkeitssitzung ab.

Und die Regierung steht unter Druck: Die CS zählt zu den 30 weltweit systemrelevanten Banken („too big to fail“) – fällt sie aus, hätte das schwerwiegende Folgen für das Finanzsystem. Als einfachste Lösung, dieses Szenario abzuwenden, gilt die Übernahme durch die UBS. Und das vor allem deswegen, weil diese auch am raschesten umgesetzt werden kann. Wie die „FT“ berichtet, soll seitens der SNB und der Finanzmarktaufsicht eine „beschleunigte Fusion“ vorbereitet werden.

Bloomberg: CS lehnt UBS-Angebot ab

Die Verhandlungen seien zäh, erklärte eine mit der Sache vertraute Person gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „FT“ und Bloomberg berichten, dass die UBS angeboten habe, ihren kleineren Rivalen für bis zu einer Milliarde Dollar zu kaufen. Offenbar nach Meinung der CS viel zu wenig. So berichtet Bloomberg, dass die CS das Angebot zurückgewiesen hat.

Zur Einordnung: Am Freitag war die Schweizer Großbank an der Börse noch rund acht Mrd. Franken wert. Die „Handelszeitung“ berichtete, das Angebot habe bei der CS „blankes Entsetzen“ ausgelöst. Die Schweizer Behörden planten, die Gesetze zu ändern, um eine Aktionärsabstimmung über die Transaktion zu umgehen, schrieb die „FT“.

Staatsgarantien verlangt?

Üblicherweise könne ein solches Geschäft schnellstens in sechs Wochen vollzogen werden, berichtet der SRF. Während dieser Frist sollen Aktionäre eines betroffenen Unternehmens konsultiert werden, heißt es. Gleichzeitig berichten „FT“ und Bloomberg von Forderungen, die seitens der UBS zur Übernahme gestellt werden. Zentral dabei solle das Gewähren von finanziellen Sicherheiten in der Höhe von sechs Milliarden Dollar (etwa 5,6 Mrd. Euro) seitens des Bundes sein.

Reuters-Angaben zufolge hegen Vertreter beider Banken gewichtige Vorbehalte gegen einen Zusammenschluss. Bei UBS gehe es allen voran um Bedenken, den eingeschlagenen und derzeit erfolgreichen Lauf mit der Übernahme einer krisengeschüttelten Bank zu gefährden. Zudem hat die UBS etwaigen Übernahmegerüchten bisher immer eine Absage erteilt. Erst im Jänner vermisste UBS-Verwaltungsratschef Colm Kelleher ein „überzeugendes Szenario“ für eine solche Transaktion.

Offenbar „massiver“ Druck aus dem Ausland

Doch soll der Druck von ausländischen Notenbanken auf die Schweizerische Notenbank sehr hoch sein – der SRF schreibt von „massiven Drohungen“. Die ausländischen Zentralbanken würden ihren Banken in den entsprechenden Ländern namentlich verbieten, mit der CS weiter Geschäfte zu tätigen, sollte deren Rettung nicht gelingen. Reuters berichtet unter Verweis auf einen Insider von „mindestens vier großen Banken“, die beschlossen hätten, Geschäfte mit der CS im Falle eine Nichtrettung einzuschränken.

London gibt offenbar grünes Licht für Übernahme

Wie unterdessen der britische Sender „Sky News“ berichtet, sollen die britischen Bankenaufsichtsbehörden die Übernahme bereits abgesegnet haben. Die Bank of England habe den anderen Nationalbanken und der UBS signalisiert, dass sie die Notfalltransaktion, die die beiden Bankengiganten ankündigen wollten, unterstützen werde, heißt es bei „Sky News“.

UBS könnte Credit Suisse übernehmen

In der Schweiz könnte die angeschlagene Großbank Credit Suisse von UBS, der größten Bank der Schweiz, übernommen werden. Die UBS fordert für diese Notübernahme aber Staatsgarantien.

Größte und zweitgrößte Schweizer Bank

Eine vollständige Fusion der größten mit der zweitgrößten Schweizer Bank würde eines der größten systemrelevanten Finanzinstitute in Europa schaffen. Die Bilanzsumme der UBS belief sich 2022 auf umgerechnet 1.030 Milliarden Euro, die der CS auf umgerechnet rund 535 Milliarden Euro. Die UBS hatte 2022 einen Gewinn von umgerechnet rund sieben Milliarden Euro erwirtschaftet. Die CS wies dagegen einen Verlust von umgerechnet 7,4 Mrd. Euro aus.

Absage von BlackRock

Man sei „nicht an Plänen beteiligt, die Credit Suisse ganz oder teilweise zu übernehmen, und hat auch kein Interesse an einer solchen Übernahme“, heißt es Reuters-Angaben zufolge indes vom US-Investmentkonzern BlackRock. Diesem wurde von der „FT“ zuvor ebenfalls ein Interesse an einer CS-Übernahme nachgesagt.

„Die Gerüchteküche rund um Credit Suisse brodelt“, so SRF mit Verweis auf die „Aufteilungsszenarien“, die seit Tagen durch diverse Medien geistern. Sollte es zu einer Aufteilung der Bank kommen, werde Schweizer Medienberichten zufolge etwa der Deutschen Bank, aber auch der Schweizer Raiffeisen-Gruppe und der Zürcher Kantonalbank Interesse an bestimmten CS-Geschäftsbereichen nachgesagt.

Hilfszusage und neuerlicher Kurseinbruch

Die SNB hatte erst in der Nacht zum Donnerstag mit einem Eingriff der Großbank CS unter die Arme gegriffen. Sie stellte bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken (50,7 Milliarden Euro) für das zweitgrößte Geldinstitut des Landes zur Verfügung. Diese Intervention sorgte für eine vorübergehende Beruhigung der Lage, reichte aber offenbar nicht aus, um die Abwärtsspirale zu brechen.

So setzt nicht nur die Flucht der Privatkunden der Zürcher Bank zu, auch das Geschäft mit anderen Finanzinstituten wird immer schwieriger. Mindestens vier große Häuser, darunter die Deutsche Bank und Societe Generale, haben ihre Geschäfte mit CS oder deren Wertpapieren eingeschränkt, wie fünf Personen mit direkter Kenntnis der Angelegenheit erklärten.

Trotz der umfassenden SNB-Unterstützung brach auch der Kurs der CS am Freitag erneut ein. Der Marktwert der Bank hatte in dieser Woche bereits einen heftigen Rückschlag erlitten, nachdem die Pleite zweier Banken in den USA die Furcht vor Ansteckung befeuerte und es in der Folge zu Kurseinbrüchen vieler Banken kam.

Holzmann um Beruhigung bemüht

So wie viele andere Banker versuchte am Samstag auch der Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, zu beruhigen. Er sehe keine Gefahr für eine Bankenkrise wie 2008, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) in der ORF-Reihe „Journal zu Gast“. Die Lage bei der CS sei Holzmann zufolge speziell, da diese schon länger an einem anhaltenden Umstrukturierungsproblem leide.

Erinnerung an Swissair-Debakel

Nun dürfte sich die Zukunft der Credit Suisse wohl über das laufende Wochenende entscheiden, so die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“), die in diesem Zusammenhang auch auf die Belegschaft der Bank verweist. Allein im Raum Zürich sei mit dem Schicksal der Bank auch das Schicksal von mehr als 10.000 gut bezahlten Jobs verbunden. „Die CS existiert seit 167 Jahren und war der Stolz von Zürich“, erinnert schließlich das Branchenportal Inside Paradeplatz, wo für die CS gleichzeitig ein „Grounding 2.0“ befürchtet wird.

Auch viele andere Schweizer Medien erinnerten zuletzt an die Swissair-Pleite im Jahr 2001, die nach den Worten des Finanzportals Cash „bis heute als nationale Schande bezeichnet wird“. Parallelen zu der CS heute ortet Cash aber auch in einem weiteren „Debakel der Schweizer Wirtschaftsgeschichte“ – konkret der 2008 im Sog der Finanzkrise ins Trudeln geratenen und in Folge mit einem 60-Milliarden-Hilfspaket geretteten UBS.