Das UBS-Logo auf Gebäude
Reuters/Denis Balibouse
Credit-Suisse-Übernahme

Schweiz im Schock

Die mühsam ausgehandelte Übernahme der angeschlagenen Credit Suisse durch die Großbank UBS wird in der Schweiz überwiegend vernichtend kommentiert. Von einem „schwarzen Sonntag“ ist die Rede, von einem „historischen Skandal“, davon, dass es nur Verlierer gebe. Die Bankenaufseher der Europäischen Union sind um Beruhigung bemüht.

Der auf Bankenrecht spezialisierte Schweizer Jusprofessor Peter V. Kunz hält das Notrecht, auf das sich der Schweizer Bund bei der forcierten Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS stützt, zudem für eine unzureichende Rechtsgrundlage. Er rechnet daher mit Klagen gegen die Eidgenossenschaft, wie er in Interviews im „Blick“ und den Tamedia-Zeitungen sagte.

Eine davon, der „Tages-Anzeiger“, titelte den Leitartikel mit den Worten: „Diese Übernahme ist ein historischer Skandal“. Bund, Finanzmarktaufsicht und Nationalbank (SNB) hätten sich von der UBS „über den Tisch ziehen lassen“. Die neue Megabank habe die Vorteile. Steuerzahlerinnen, Kunden und Mitarbeitende die Nachteile. Das Image der Schweiz als stabiler Finanzplatz habe durch das Ende der CS nachhaltig Schaden genommen.

„Klagen werden kommen“

„Dass die CS-Aktionäre zum Deal gar nicht mehr gefragt werden, ist eine völlig außergesetzliche Regelung“, sagte Kunz dem „Blick“. Noch am Freitag habe man der Öffentlichkeit gesagt, dass die Bank liquide sei und kein Notfall bestehe. An dieser Aussage, so Kunz, könnten die Großaktionäre den Bund festnageln. „Klagen werden kommen“, sagte er, beispielsweise Staatshaftungsklagen der arabischen Investoren. Namentlich, weil die Investoren bei der Festlegung des Übernahmepreises vor vollendete Tatsachen gestellt worden seien.

Angestellte bei der Frankfurter Börse
APA/AFP/Daniel Roland
„Too big to fail“ bekommt mit der neuen Riesenbank eine besondere Bedeutung

Auch andere Finanzfachleute hegen Bedenken: „Diese Rettung schafft neue Probleme“, teilte die deutsche Nichtregierungsorganisation Finanzwende mit. So große Banken sollte es eigentlich nicht geben. „Mit dieser Fusion zweier Banken, die schon zuvor systemrelevant waren, erhalten wir einen noch größeren Akteur, der erst recht nicht pleitegehen darf“, sagte Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick. Das sei nicht nachhaltig.

UBS übernimmt Credit Suisse

Die finanziell in Not geratene Schweizer Investmentbank Credit Suisse wird von ihrer Konkurrentin UBS, der größten Schweizer Bank, um drei Milliarden Franken übernommen. Milliardengarantien und ein Darlehen der Schweizer Nationalbank machen diese Aktion für UBS möglich.

„Das Undenkbare ist geschehen“

In einem ähnlichen Tenor kommentierte die „Neue Zürcher Zeitung“ das Geschehen: „Die Schweiz hat sich jetzt zwar einer Zombie-Bank entledigt, wacht am Montag jedoch mit einer Monster-Bank UBS auf. ‚Monster‘ deshalb, weil ihre neue Bilanzsumme fast doppelt so groß sein wird wie die Schweizer Wirtschaftsleistung. Die neue UBS ist somit erst recht zu groß, um sie untergehen zu lassen – ‚too big to fail‘ ist also mit voller Wucht zurück.“

Die „Südostschweiz“ schrieb von einem „tragischen Ende eines Trauerspiels“. Die Notlösung bringe nur Verlierer hervor – dazu zähle auch die UBS, die lieber eigenständig ihren eigenen Weg gegangen wäre. In der Westschweizer Zeitung „La Liberte“ ist von einem „schwarzen Sonntag“ für die Credit Suisse die Rede. „Das Undenkbare ist geschehen.“

Zweitgrößter Verwalter privater Vermögen

„Es entsteht eine einzige, riesige Schweizer Bank, die mit dieser opportunistischen Discount-Übernahme zwar enorm groß wird, aber nicht an Qualität gewinnt“, warnte Stephan Sola, Manager des Plutos Schweiz Fonds. Die neue UBS kommt auf ein verwaltetes Vermögen von 3,4 Billionen Dollar und rund 120.000 Beschäftigte. Einem Insider zufolge könnten mindestens 10.000 Stellen abgebaut werden. Das Investmentbanking der CS soll heruntergefahren werden.

Laut Analysten von Citi wird die UBS damit der zweitgrößte Verwalter privater Vermögen der Welt nach Morgan Stanley. Die Bilanzsumme der kombinierten Bank von 1,7 Billionen Dollar sei mehr als das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts der Schweiz. „Wir bezweifeln, dass das die Lösung ist, die die Schweizer Regierung wollte“, hieß es in der Studie. Das Gleiche gelte für die Verbraucher in der Schweiz: Eine Bank vereinige nun ein Viertel des Hypothekenmarktes auf sich.

Grafik zur Übernahme der Credit Suisse durch UBS
Grafik: APA/ORF; Quellen: APA/Credit Suisse/UBS

„Das war die einzige mögliche Lösung“, sagte dagegen die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Eine Verstaatlichung wäre keine Alternative gewesen. „Ein Konkurs der Credit Suisse hätte schwerwiegende Folgen für die Schweizer und internationale Finanzstabilität gehabt“, sagte der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan.

Blick auf Gebäude von UBS und Credit Suisse in Zürich
Reuters/Denis Balibouse
Am Zürcher Paradeplatz, dem Sitz von UBS und CS, wird soviel Privatvermögen verwaltet wie kaum wo auf der Welt

Viele Verlierer

Die 167 Jahre alte Credit Suisse gilt als eine von 30 Banken, deren Ausfall das ganze Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen könnte. Die Schweiz gibt der UBS milliardenschwere Ausfallgarantien, um mögliche Verluste abzufedern. Die SNB stellt den beiden Banken zudem weitere 200 Milliarden Franken an Liquiditätshilfen zur Verfügung.

Verzichten müssen die Kapitalgeber der Credit Suisse. Die CS-Aktionäre erhalten UBS-Aktien, allerdings zu einem Umtauschverhältnis, das 60 Prozent unter dem Schlusskurs vom Freitag liegt. Der erst 2022 mit 1,4 Milliarden Dollar eingestiegene Großaktionär, die Saudi National Bank, büßt 80 Prozent seines Einsatzes ein. Noch heftiger trifft es Käufer von „AT1-Anleihen“, die die CS ausgegeben hatte – sie verlieren alles.

Puffer verpufft

Dabei geht es um AT1-Anleihen im Umfang von 16 Mrd. Schweizer Franken (16,2 Mrd. Euro). Die Credit-Suisse-Aktionäre büßen zwar auch einen Großteil ihres investierten Gelds ein, sollen aber UBS-Papiere erhalten. Die AT1-Anleihen waren nach der Finanzkrise 2007/08 erfunden worden. Sie sollen in einer Krise als Puffer dienen und verhindern, dass Geldhäuser schnell in die Knie gehen.

Die Bankenaufseher der Europäischen Union betonten am Montag angesichts der Entwicklungen die Stabilität des Bankenmarkts. „Der europäische Bankensektor ist widerstandsfähig und verfügt über ein solides Kapital- und Liquiditätsniveau“, bekräftigten die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), der europäische Bankenabwicklungsfonds SRB und die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA in einer gemeinsamen Mitteilung.

Beruhigung aus Brüssel und Wien

Die „umfassenden Maßnahmen“ der Schweizer Behörden „zur Gewährleistung der Finanzstabilität“ seien zu begrüßen. Die Aufseher bekräftigten zugleich, für den Fall einer Schieflage einer Bank in der Europäischen Union gelte eine feste Regel, in welcher Reihenfolge Aktionäre und andere Gläubiger herangezogen würden. Verluste einer Bank gingen zuerst zulasten des Aktienkapitals. Erst wenn dieses nicht ausreiche, würden Nachranganleihen, also AT1-Kapital, herangezogen.

Die größten Banken aus Österreich sind nicht direkt von den Problemen bei der Credit Suisse betroffen, wie sie gegenüber der APA mitteilten. Erste Group, Raiffeisen Bank International (RBI) und BAWAG gaben an, nicht betroffen zu sein und keine AT1-Anleihen zu halten.

Auch im Finanzministerium gab man sich gelassen. Man erwarte „keine wesentlichen unmittelbaren Auswirkungen“ auf den Bankensektor in Österreich. Die europäischen Banken seien seit der Finanzkrise stärker beaufsichtigt, „bei der Credit Suisse handelt es sich um ein individuelles Problem“.