Credit-Swiss-Schriftzug auf einem Infoscreen in Bern
Reuters/Michael Buholzer
Trotz Übernahme

Credit Suisse will Boni wie geplant auszahlen

Nach der Notübernahme der Credit Suisse (CS) durch den Rivalen UBS versucht das Institut, den normalen Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. So hat die Bank ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zugesichert, dass versprochene Boni und Lohnerhöhungen weiterhin gezahlt werden – trotz eines Verlusts von 7,3 Milliarden Franken bzw. Euro im Vorjahr. In der Schweiz stößt der Deal auf enorme Kritik.

Es werde keine Änderungen an den Gehaltsregelungen geben, die Boni sollen wie geplant kommenden Freitag ausgezahlt werden. Das berichtete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf ein internes Schreiben an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bank. In einigen Ländern seien die Boni schon ausbezahlt worden. Auch andernorts rechne man nicht mit Einschränkungen, versuchte die Bank die Angestellten zu beruhigen. Eine Sprecherin der CS bestätigte die Mitteilung.

Die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter sagte dazu am Sonntagabend, dass der Bund kein Boniverbot verhängen könne, weil es sich nicht um eine Bankenrettung durch den Staat, sondern eine private Übernahme handle. Später korrigierte sie: Zumindest das Management der geretteten CS könne wohl nicht mit Boni rechnen. „Gegenüber dem CS-Management gibt es natürlich Maßnahmen“, sagte die Ministerin im SRF-Radio. Es sei Aufgabe der Finanzmarktaufsicht (FINMA), ein Boniverbot auszusprechen. „Davon ist schon auszugehen“, sagte Keller-Sutter.

2022 höchster Verlust seit Finanzkrise

Die FINMA wollte sich auf Anfrage noch nicht festlegen. „Im ersten Schritt ging es die letzten Tage darum, eine Lösung zum Schutz der Einlegerinnen und Einleger und des Ansehens des Schweizer Finanzplatzes zu schaffen. Im zweiten Schritt werden wir weitere Fragen, auch solche, klären“, zitierte die Schweizer Zeitung „Blick“ FINMA-Sprecher Tobias Lux. Mehr sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu sagen. Auch die Frage, ob sie eventuell bereits ausbezahlte Boni zurückfordern könne, blieb offen. Die Bank hatte 2022 einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken verzeichnet, das war ihr höchster Verlust seit der Finanzkrise 2008.

Colm Kelleher und Karin Keller-Sutter
APA/AFP/Keystone/Peter Klaunzer
UBS-Verwaltungspräsident Colm Kelleher und die Schweizer Finanzministerin Keller-Sutter durchleben unruhige Tage

Die Zeitung „Tages-Anzeiger“ hatte aus den Geschäftsberichten errechnet, dass die Bank seit 2013 kumuliert 3,2 Milliarden Franken Verlust erwirtschaftet hat. Im gleichen Zeitraum steckten die Topmanager 32 Milliarden Franken an Boni ein. In den vergangenen Jahren ist die Bonussumme aber geschrumpft: Waren 2020 noch insgesamt 2,9 Milliarden Franken ausbezahlt worden, waren es 2021 noch zwei Milliarden Franken. Für vergangenes Jahr fasst der Bonustopf der CS-Gruppe noch eine Milliarde. Die Geschäftsleitung hat wie angekündigt angesichts des horrenden Geschäftsjahres auf die variable Vergütung verzichtet.

Folgen der Übernahme der Credit Suisse

Die angeschlagene Credit Suisse wird von der Großbank UBS übernommen. Am Sonntag wurde der Deal mit drei Milliarden Franken besiegelt. Die Übernahme wird nicht ohne Folgen für Finanzmärkte, Kunden und Aktionäre bleiben.

Staatshilfen bis zu Drittel des Schweizer BIP

Die UBS und die CS könnten im Rahmen ihres Zusammenschlusses auf Gelder von Staat und Notenbank von bis zu rund 260 Mrd. Franken (263,75 Mrd. Euro) zugreifen. Der von der Regierung orchestrierte Deal, in dem die größte Schweizer Bank ihre schwer angeschlagene Rivalin erwirbt, beinhaltet umfangreich öffentliche Unterstützungen, die sich auf etwa ein Drittel des Schweizer Bruttoinlandsprodukts (BIP) summieren könnten. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Bedingungen der Transaktion darlegen.

Grafik zur Übernahme der Credit Suisse durch UBS
Grafik: APA/ORF; Quellen: APA/Credit Suisse/UBS

UBS übernimmt die CS für drei Milliarden Franken und steht zusätzlich für Verluste von bis zu fünf Milliarden Franken gerade. In Summe greifen die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Regierung der Rettungsaktion mit bis zu 259 Milliarden Franken unter die Arme: Bis zu 200 Milliarden Franken stellt die SNB in Form von Liquiditätshilfedarlehen zur Verfügung, die je zur Hälfte durch vorrangige Ansprüche im Fall eines Konkurses und eine Ausfallsgarantie des Bundes besichert sind.

OeNB-Gouverneur zur Pleite der Credit Suisse

Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, beantwortet in der ZIB2 Fragen zu Absturz und Rettung der Credit Suisse.

Zudem hat die CS in der vergangenen Woche bereits rund 50 Milliarden Franken Kredite von der Notenbank in Anspruch genommen, für die Sicherheiten hinterlegt wurden. Schließlich sicherte die Regierung der UBS zudem eine Garantie von neun Milliarden Franken zu.

Herbe Kritik in der Schweiz

Die Notübernahme wird in der Schweiz überwiegend vernichtend kommentiert. Von einem „schwarzen Sonntag“ ist die Rede, von einem „historischen Skandal“, davon, dass es nur Verlierer gebe – mehr dazu in Schweiz im Schock. Auch mit Klagen gegen die Schweiz sei zu rechnen. „Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht“, titelte die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) am Montag. Die Ethos-Stiftung, die die Interessen von Pensionskassen in der Schweiz vertritt, sprach von einem „beispiellosen Scheitern in der Geschichte des Schweizer Finanzplatzes“.

Credit Suisse Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann
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Axel Lehmann wurde Anfang 2022 zum Verwaltungsratspräsidenten der CS gewählt – seine Mission kann als gescheitert betrachtet werden

Saudis machten Übernahmeangebot

Montagnachmittag wurde ein weiteres Detail des Übernahmepokers publik: Wie das „Wall Street Journal“ berichtete, soll mit der Saudi National Bank der größte Aktionär der CS versucht haben, die Bank in letzter Sekunde zu retten. Die Gruppe soll eine Finanzspritze in Höhe von fünf Milliarden Dollar in Aussicht gestellt haben. Der Bundesrat lehnte das Angebot dem Bericht zufolge aber ab. Der Grund: Die Saudi National Bank habe die gleichen staatlichen Garantien gefordert, wie sie die UBS jetzt erhalten hat. Die Intervention führte dazu, dass die UBS ihr Angebot letztlich von einer Milliarde Franken auf drei Milliarden Franken – bezahlt in UBS-Aktien – erhöhte.

Die Notenbanken versuchten unterdessen zu beruhigen – verbal und mit einer konzertierten Aktion. „Aufgrund seiner starken Eigenkapital- und Liquiditätspositionen ist der Bankensektor im Euro-Raum widerstandsfähig“, bekräftigte beispielsweise die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde.

Zudem erhöhten die sechs großen Notenbanken die Schlagzahl zur Versorgung des Finanzsystems mit Dollar-Liquidität. Die Dollar-Geschäfte sollen sicherstellen, dass den Banken für wichtige, meist internationale Geschäfte nicht die Weltreservewährung Dollar ausgeht. Neben der EZB beteiligten sich die Notenbanken der USA, Kanadas, Großbritanniens, Japans und der Schweiz.

Beruhigung auf Finanzmärkten

Zumindest auf den Finanzmärkten entspannte sich die Lage am Montag. Europas Börsen konnten ihre zunächst deutlichen Verluste abschütteln und drehten großteils ins Plus. Der Euro-Stoxx-50 schloss bei 4.119,4 Punkten, einem Zuwachs von 1,3 Prozent. Rückenwind kam auch von der ebenfalls erstarkten Wall Street. Auch die meisten europäischen Bankaktien erholten sich im Handelsverlauf, nicht aber jene der CS: Sie sackte um weitere 56 Prozent ab, während sich die UBS-Papiere um 1,5 Prozent erholten.