Russicher Soldat in Melitopol
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Melitopol

Explosionen in russischem Armeelager

In einer russischen Militäreinrichtung der strategisch wichtigen ukrainischen Stadt Melitopol haben sich am Sonntag mehrere Explosionen ereignet. Wie der gewählte Bürgermeister der Stadt, Iwan Fedorow, sagte, handelte es sich um eine Eisenbahnremise, die von den Besatzern für Reparaturen und als Treibstoff- und Munitionslager genützt werde. Die russische Winteroffensive ist nach Ansicht von US-Fachleuten unterdessen gescheitert.

Schon bei einem Angriff am Montag sei das Dach des Lagers in Melitopol beschädigt worden, so Federow. Dutzende Armeeangehörige seien dabei getötet worden. „Gegen 9.30 Uhr wurden mindestens sechs Explosionen in der derzeit besetzten Stadt Melitopol vernommen“, sagte Fedorow am Sonntag im ukrainischen Fernsehen. Alle Explosionen hätten sich auf dem Eisenbahngelände ereignet. Es sei noch unklar, welche Verluste die russischen Besatzer durch die Explosionen erlitten haben.

Nach Einschätzung von Militärfachleuten könnte der wichtige Verkehrsknotenpunkt in der Region Saporischschja das Ziel der erwarteten ukrainischen Gegenoffensive sein. Durch eine Einnahme der Stadt wäre nämlich die Straßen- und Bahnverbindung zwischen der russisch besetzten Ostukraine und der bereits im Jahr 2014 illegal annektierten Halbinsel Krim gekappt. Damit wäre die Versorgung der westlich von Melitopol stationierten russischen Truppenteile deutlich erschwert und nur noch auf dem Seeweg oder der stark exponierten Kertsch-Brücke möglich.

Ukraine: Zivile Opfer bei russischen Angriffen

Der Chef der ukrainischen Militärverwaltung für die Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, berichtete unterdessen von einem tödlichen russischen Angriff auf die Stadt Kostjantyniwka. Drei Zivilpersonen seien getötet und sechs verletzt worden, als das Stadtzentrum von russischem Beschuss getroffen worden sei. Mehrere Wohnblöcke und Häuser seien stark beschädigt worden. Nach Angaben des ukrainischen Präsidentenberaters Andrij Jermak erfolgte der Beschuss durch Streumunition und Mehrfachraketenwerfer (MLRS).

Hilferuf aus Kiew

Mit einem Jahr Verspätung hat am Donnerstag der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj doch noch im österreichischen Parlament gesprochen. Im Vorjahr ist wegen des Einspruchs der FPÖ eine Rede Selenskyjs vor dem Nationalrat nicht zustande gekommen.

Armee: Russischer Teilrückzug in Donezk

Unterdessen berichtete die ukrainische Armee von einem teilweisen russischen Rückzug im ostukrainischen Donezk. Man bereite sich auf Verteidigungsoperationen vor, weil eine mächtigere Offensive zu erwarten sei, sagte ein Armeesprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur Ukrinform.

In der Region Saporischschja würden die Invasoren Befestigungsarbeiten, taktische Übungen und Aufklärungsoperationen durchführen. Ohne Details zu nennen, berichtete die Armee auch davon, dass ukrainische Fallschirmjäger eine russische Einheit in einem der Frontabschnitte ausgeschaltet hätten.

US-Fachleute: Moskaus Winteroffensive gescheitert

US-Militärfachleute erklärten die russische Winteroffensive derweil für gescheitert. Die gesteckten Ziele einer vollständigen Einnahme der Gebiete Donezk und Luhansk seien nicht erreicht worden, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington. Die Analysten erwarten demnach einen baldigen neuen Umbau der russischen Kommandostrukturen für den Krieg gegen die Ukraine.

Einstaz nach Explosionen in Melitopol
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Schäden nach ukrainischem Angriff in Melitopol

Der erst im Jänner als Befehlshaber der Truppen im Kriegsgebiet eingesetzte Generalstabschef Waleri Gerassimow habe die Erwartungen von Kreml-Chef Wladimir Putin nicht erfüllt, hieß es. Er könne kaum Gebietsgewinne vorweisen. Laut ISW galt für Gerassimow der 31. März als Zieldatum, den kompletten Donbas einzunehmen.

Ähnlich hatte sich am Samstag auch das britische Verteidigungsministerium geäußert. „Nach 80 Tagen ist zunehmend erkennbar, dass dieses Projekt gescheitert ist“, wurde unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mitgeteilt. Die russischen Streitkräfte an der Front in der Region hätten bei hohen Verlusten nur minimale Gewinne verzeichnen können. Damit hätten sie den vorübergehenden personellen Vorteil durch die russische „Teilmobilisierung“ des vergangenen Herbstes weitgehend verspielt.

Kiew legt Plan für Krim-Befreiung vor

Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Olexij Danilow, legte indes in Kiew einen Zwölfpunkteplan zur Befreiung der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim vor. So solle als Teil der „De-Okkupation“ etwa die Krim-Brücke mit der Auto- und Eisenbahnverbindung zum russischen Kernland abgerissen werden, teilte Danilow am Sonntag mit.

Beamtinnen und Beamte auf der Krim, die sich 2014 bei der Annexion mit den russischen Besatzern eingelassen hätten, würden einer Säuberung unterzogen, nach dem Vorbild der Entnazifizierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, so Danilow. Kollaborateure und Verräter sollen in Strafverfahren zur Rechenschaft gezogen werden, heißt es in Punkt zwei des Plans.

Besonders erwähnte Danilow auch Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Angehörige der Sicherheitsorgane, die sich 2014 auf die Seite Russlands geschlagen hätten. „Es wird ein umfassendes Programm der ‚Entgiftung‘ umgesetzt, das die Folgen des langjährigen Einflusses der russischen Propaganda auf das öffentliche Bewusstsein eines Teils der Bevölkerung der Halbinsel neutralisiert“, schreibt Danilow in Punkt neun.

Selenskyj erinnert an Befreiung der Region Kiew

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erinnerte unterdessen an die Befreiung der Region Kiew vor genau einem Jahr. „Ihr habt die größte Gewalt gegen die Menschlichkeit unserer Zeit aufgehalten. Ihr habt eine Gewalt gestoppt, die alles verachtet und alles zerstören will, das Menschen Bedeutung gibt“, schrieb er am Sonntag auf Telegram.

Zugleich veröffentlichte er Fotos der Gegend rund um Kiew nach dem russischen Rückzug vor einem Jahr. Damals war auch das Massaker von Butscha entdeckt worden. „Wir werden unser gesamtes Gebiet befreien“, zeigte sich Selenskyj überzeugt. „Wir werden die ukrainische Flagge wieder in all unseren Städten und all unseren Dörfern wehen lassen.“

Derweil schwor der ukrainische Armeechef seine Landsleute auf weitere Kämpfe ein. „Wir werden weiter für die Unabhängigkeit unserer Nation kämpfen“, schrieb Walerij Saluschnyj auf Telegram. Derzeit hält Russland gut 18 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzt.