Russische Drohne
AP/Efrem Lukatsky
Warnung vor zweiter Welle

Odessa Ziel russischen Drohnenangriffs

Odessa war in der Nacht auf Dienstag Ziel eines großangelegten russischen Drohnenangriffs. Der Angriff wurde weitgehend abgewehrt, es wird aber bereits mit neuen Attacken auf die ukrainische Hafenstadt gerechnet. Seit Beginn des Krieges war Odessa mehrfach bombardiert worden.

„Der Feind hat soeben Odessa und den Bezirk Odessa mit Angriffsdrohnen angegriffen“, teilten die örtlichen Behörden Dienstagfrüh auf Facebook mit. Dabei seien Schäden verzeichnet worden, hieß es in der Erklärung. Es seien insgesamt 17 Attacken mit iranischen „Kamikazedrohnen“ vom Typ Schahed-136 registriert worden, so die ukrainischen Streitkräfte. 14 Drohnen seien abgeschossen worden.

Unter Berufung auf den Leiter der Militärverwaltung des Bezirks Odessa, Jurij Kruk, hieß es in der Erklärung, die ukrainischen Luftabwehrkräfte seien im Einsatz und warnten vor einer möglichen zweiten Angriffswelle. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekanntgegeben. Später teilten die Behörden jedoch mit, die Luftangriffe hätten Sachschäden verursacht. Eine Drohne habe ein Unternehmensgebäude getroffen. Dadurch sei ein Feuer ausgebrochen, das aber inzwischen gelöscht sei. Menschen sind vorläufigen Informationen zufolge bei dem nächtlichen Angriff keine getötet worden.

Kampf um Bachmut geht weiter

Nach ukrainischen Militärangaben wurden in der Nacht auf Dienstag insgesamt fast 70 Angriffe von russischer Seite abgewehrt, darunter auch Raketenschläge und Artillerieattacken. Einer der Schwerpunkte sei weiter die Region Bachmut in der ostukrainischen Region Donezk, hieß es in Kiew. Der Kampf um die strategisch wichtige Stadt Bachmut gehe weiter.

Zuvor hatte der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, gesagt, dass das Verwaltungszentrum und damit die Stadt „rechtlich“ eingenommen sei. Die Führung in Kiew hatte das zurückgewiesen. Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) stützten indes nach Analysen von Bildern die Behauptung Prigoschins. Demnach kommen die Wagner-Truppen mit Unterstützung der regulären Einheiten der russischen Streitkräfte im Zentrum von Bachmut weiter voran.

Bachmut ist bereits seit dem Spätsommer umkämpft. In diesem Jahr haben sich die Kämpfe zur blutigsten Schlacht des Krieges entwickelt. Die Stadt ist der Hauptteil der nach der russischen Eroberung von Sjewjerodonezk und Lyssytschansk etablierten Verteidigungslinie zwischen den Städten Siwersk und Bachmut im Donezker Gebiet. Falls die Stadt fällt, eröffnet sich für die russischen Truppen der Weg zu den Großstädten Slowjansk und Kramatorsk.

London: Russland möchte Wagner-Truppe ersetzen

Russland plant nach Informationen britischer Geheimdienste den Aufbau weiterer Söldnertruppen für den Krieg gegen die Ukraine. Ziel sei, die Wagner-Gruppe in ihrer „bedeutenden“ Rolle zu ersetzen, teilte das Verteidigungsministerium in London am Dienstag mit. Die militärische Führung Russlands wolle wegen der „hochkarätigen Fehde“ zwischen dem Verteidigungsministerium und Wagner eine Privatarmee, die sie besser kontrollieren könne.

„Allerdings erreicht derzeit keine andere bekannte russische Privatarmee die Größe oder Kampfkraft von Wagner“, hieß es. Grundsätzlich findet Russland den Einsatz privater Söldner in der Ukraine dem britischen Ministerium zufolge nützlich. Diese würden besser zahlen und seien effizienter als die reguläre Armee. Zudem habe die russische Führung vermutlich den Eindruck, dass Verluste der privaten Truppen von der Gesellschaft eher toleriert würden als tote und verwundete reguläre Soldaten, hieß es in London.

Selenskyj verspricht Wiederaufbau

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versprach unterdessen den Wiederaufbau des Landes: „Die Ukraine wird niemals ein Land der Ruinen sein, egal, wie sehr der Kreml davon träumt“, sagte der 45-Jährige Montagabend in seiner täglichen Videoansprache. Bei seiner Visite in der Region Tschernihiw wurde der ukrainische Präsident auch von Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck begleitet. Die Altstadt von Tschernihiw soll nach Angaben Selenskyjs den Status des UNESCO-Weltkulturerbes erhalten.

Selenskyj berichtete auch über einen Besuch in der Ortschaft Jahidne, wo russische Besatzer vor einem Jahr die 300 Bewohner im Keller einer zum Kommandopunkt umfunktionierten Schule als lebenden Schutzschild zusammengepfercht hätten. Wochenlang hätten die Menschen, darunter Alte und Kinder, in der Enge ausharren müssen. „Eine der emotional schwierigsten Reisen“, urteilte Selenskyj und kündigte erneut an, die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zu bestrafen.

Die erfolgreiche Verteidigung der Ukraine gegen den Angriffskrieg als Grundlage einer Ahndung russischer Vergehen ist laut Selenskyj nur mit Hilfe des Westens möglich, dem er einmal mehr für die Unterstützung dankte. Neben Habeck hat Selenskyj nach eigenen Angaben am Montag unter anderem auch die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcinovic Buric, UNESCO-Chefin Audrey Azoulay und den früheren US-Außenminister Mike Pompeo empfangen.

Lawrow droht EU mit „Durchgreifen“

Die EU ist nach den Worten des russischen Außenministers Sergej Lawrow Russland gegenüber feindselig geworden. „Die Europäische Union hat Russland ‚verloren‘. Aber das ist ihre eigene Schuld“, sagte Lawrow in einem Interview mit der staatlichen Zeitung „Argumenty i Fakty“. „Es sind die EU-Mitgliedsländer und die Staats- und Regierungschefs der EU, die offen erklären, dass es notwendig ist, Russland eine – wie sie es nennen – strategische Niederlage zuzufügen“, so Lawrow weiter.

Russland habe entschieden, wie es Europa angehen wolle, da es das „kriminelle Regime“ in Kiew mit Waffen und Ausbildnern beliefere. „Als Antwort auf feindselige Schritte werden wir, wenn nötig, auf der Grundlage der nationalen Interessen Russlands und der in der diplomatischen Praxis akzeptierten Prinzipien der Gegenseitigkeit hart durchgreifen.“

Gesetzesverschärfungen nach Blogger-Attentat

Das russische Parlament plant vor dem Hintergrund des Attentats auf einen kremlnahen Militärblogger offiziellen Angaben nach weitere Gesetzesverschärfungen. „In der nächsten Zeit schlagen wir Änderungen vor, die die Strafen für Terrorismus verschärfen“, schrieb der Chef des Sicherheitsausschusses im Parlament, der russischen Staatsduma, Wassili Piskarjow, auf seinem Telegram-Kanal. Die Änderungen beträfen nicht nur Terroranschläge selbst, sondern auch Beihilfe und Terrorpropaganda, kündigte der Abgeordnete der Kreml-Partei Geeintes Russland an.

Schon jetzt stehe auf Terrorismus eine lebenslange Haft, doch bei einer Verurteilung nach anderen Paragrafen seien mildere Strafen vorgesehen. „Das Wichtigste: Wir schlagen vor, den Katalog an Straftaten, auf die lebenslange Haft steht, zu vergrößern“, schrieb Piskarjow. Das sei nötig, um Russland vor der wachsenden Gefahr aus der Ukraine zu schützen, behauptete er. Am Sonntag wurde der nationalistische Militärblogger Wladlen Tatarski (mit bürgerlichem Namen Maxim Fomin) durch einen Sprengstoffanschlag in Sankt Petersburg getötet.