U.S. Präsident Joe Biden
AP/Patrick Semansky
Investitionen als Anreiz

Biden sorgt sich um Frieden in Nordirland

Bei seiner Rede zum 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens in Belfast hat US-Präsident Joe Biden am Mittwoch den Mut und die Entschlossenheit der Menschen in Nordirland gewürdigt. Gleichzeitig forderte er eindringlich eine Wiederaufnahme der dezentralen Regierung in Stormont, die derzeit wegen Spannungen gelähmt ist. Im Gegenzug stellte der US-Präsident, der irische Wurzeln hat, mehr US-amerikanische Investitionen in Aussicht.

Die demokratischen Institutionen, die durch das Karfreitagsabkommen geschaffen wurden, seien für die Zukunft Nordirlands entscheidend, sagte Biden in seiner Rede am neuen Campus der Ulster University in Belfast. Den Frieden zu bewahren sei eine Priorität für beide Parteien in den USA. „Im Rückblick vergessen wir, wie hart erarbeitet und wie erstaunlich der Frieden damals war.“

Das Karfreitagsabkommen von 1998 hatte einen jahrzehntelangen blutigen Konflikt zwischen mehrheitlich katholischen Befürwortern der Vereinigung beider Teile Irlands und den überwiegend protestantischen Anhängern der Union Nordirlands mit Großbritannien beendet – die USA hatten bei den Friedensbemühungen eine wichtige Vermittlerrolle gespielt.

„Erhalten Sie den Frieden aufrecht, setzen Sie dieses unglaubliche wirtschaftliche Potenzial frei, das sich gerade erst auftut“, mahnte er und sagte zu, die USA stünden beim Aufbau der Zukunft weiter an der Seite des britischen Landesteiles.

Appell für geschlossene Zusammenarbeit

Biden lobte die im Februar geschlossene Vereinbarung zur Beilegung des Brexit-Streits zwischen London und Brüssel – appellierte angesichts noch bestehender Probleme aber auch an die Politik, wieder zusammenzuarbeiten. Nach wie vor leidet die Provinz unter Spannungen und politischer Lähmung. Erst am Dienstag kam es in der Stadt Londonderry (Derry) zu Ausschreitungen, bei denen ein Polizeiauto in Brand gesetzt wurde. Später fand die Polizei mehrere Rohrbomben.

Die größte protestantisch-unionistische Partei DUP ist nicht mit den Brexit-Regeln einverstanden und weigert sich, in eine Regierung einzutreten. Auch das Parlament kann nicht zusammentreten. Eine erste Einladung, die Rede im Parlamentsgebäude Stormont zu halten, hatte der US-Präsident der BBC zufolge angesichts der nicht funktionierenden Institutionen abgelehnt.

„Frieden und Wohlstand gehören zusammen“

Er hoffe, dass das Regionalparlament und die Regierung in Nordirland bald wieder funktionierten, sagte der 80-Jährige am Mittwoch. Die Entscheidung liege jedoch nicht bei ihm. Die demokratischen Institutionen, die das Karfreitagsabkommen geschaffen habe, seien für die Zukunft Nordirlands weiterhin von entscheidender Bedeutung.

Biden besucht Nordirland

Das Karfreitagsabkommen vor 25 Jahren hat den blutigen Bürgerkrieg in Nordirland beendet. Zu diesem Anlass hat US-Präsident Biden zum Auftakt seiner Irland-Reise in Belfast die Unterstützung der USA für den Friedensprozess betont. Die protestantischen Unionisten boykottieren die Regierung in Belfast aus Protest gegen die Brexit-Regeln. Die Sorge um die politische Stabilität in Nordirland wächst.

„Eine effektive, dezentralisierte Regierung“, die die Menschen in Nordirland widerspiegle und ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig sei, sowie gemeinsam nach Wegen zur Lösung schwieriger Probleme suche, könne der Region „noch größere Chancen eröffnen“, so Biden.

Frieden und Wohlstand gehörten zusammen. Trotz aller Fortschritte, die seit dem Karfreitagsabkommen erzielt wurden, sei dem Frieden aber nicht immer Wohlstand gefolgt, schreibt die „New York Times“ („NYT“). Probleme wie mangelnde schulische Leistungen und Kinderarmut hätten sich durch die hohe Inflation und Teuerung kürzlich verschlimmert, insbesondere im Westen von Belfast.

gesperrte Straße und Polizei
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Mit dem Besuch des US-Präsidenten gingen zahlreiche Straßensperren einher

Besuch als „wirtschaftlicher Segen“

Das Bruttoinlandsprodukt Nordirlands habe sich seit dem Friedensschluss 1998 zwar verdoppelt, er sage aber voraus, „dass es sich verdreifachen wird, wenn sich die Dinge weiter in die richtige Richtung bewegen“, spielte Biden auf politische Entwicklungen an. Das heutige Belfast stehe kurz davor, „beispiellose wirtschaftliche Möglichkeiten“ zu schaffen. „Es gibt zahlreiche große amerikanische Unternehmen, die hierherkommen wollen, um zu investieren.“

In den Biden-Besuch waren in dieser Hinsicht bereits im Vorfeld große Erwartungen gesetzt worden. Mit im Tross des US-Präsidenten reist der Sondergesandte für Wirtschaftsfragen in Nordirland, Joe Kennedy III, ein Großneffe des früheren Präsidenten John F. Kennedy. Biden hoffe zwar, die Wiederaufnahme der dezentralen Regierung mit dem Versprechen größerer wirtschaftlicher Investitionen aus Amerika zu fördern, sei aber eher „mit dem Zuckerbrot als mit der Peitsche“ nach Belfast gekommen, so eine Analyse der BBC.

Menschenmasse wartet auf Joe Biden
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Biden wurde von Menschenmassen in Belfast erwartet

Druck auf die DUP auszuüben werde wohl keinen Zweck haben, sagte auch der frühere irische Premierminister Bertie Ahern der BBC am Dienstag. Trotzdem könne Biden positiven Einfluss auf die nordirischen Politiker ausüben. „Was der amerikanische Präsident sagen kann, ist, dass er sich hinter weitere wirtschaftliche Investitionen stellt.“ Ähnlich sieht es die Politsoziologin Katy Hayward von der Queen’s University in Belfast: Im Gespräch mit der dpa sagte sie, der Biden-Besuch sei vor allem ein wirtschaftlicher Segen für die Region.

Kurzes Treffen mit Sunak

Vor seiner Rede in Belfast hatte sich Biden nur kurz mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak getroffen. Fragen von Journalistinnen und Journalisten hatten die beiden nicht beantwortet. Zur Rede Bidens in Belfast wollte Sunak nicht bleiben, die britische Regierung werde von Nordirland-Minister Chris Heaton-Haris vertreten, hatte ein Downing-Street-Sprecher angekündigt. London will die offizielle Feier zum Jahrestag des Karfreitagsabkommens erst in der kommenden Woche abhalten.

Die beiden hätten über die „unglaublichen wirtschaftlichen Möglichkeiten“ für Nordirland gesprochen, die Länder seien „sehr enge Partner“, so Sunak nach dem Treffen. Biden teile sein Bestreben, „die Institutionen hier wieder zum Laufen zu bringen, denn das ist es, was die Menschen und Unternehmen in Nordirland verdienen.“

U.S. Präsident Joe Biden und der englische Premierminister Rishi Sunak
Reuters/Kevin Lamarque
Biden und Sunak bei Tee und Kaffee im Grand Central Hotel in Belfast

Auch Bidens irische Wurzeln Thema

Nach seiner Visite in Belfast stehen mehrere Stopps in der Republik Irland auf dem Programm. Neben politischen Gesprächen in der irischen Hauptstadt Dublin plant der Demokrat Besuche an verschiedenen Orten im Land, aus denen Vorfahren von ihm stammen. Nach Angaben des Weißen Hauses wird Biden auf dem Trip von seinem Sohn Hunter und seiner Schwester Valerie begleitet.

Neben den Friedensbemühungen und wirtschaftlichen Schwerpunkten stünden schließlich auch seine eigenen katholisch-irischen Wurzeln im Mittelpunkt des Besuchs, so die „NYT“. Denn Biden sei zwar bei Weitem nicht der erste Präsident, der sich auf seine irische Abstammung berufe, aber „vielleicht der überschwänglichste“, was die Verbindung zu der grünen Insel anbelange.

Eine Vertreterin der Regierung in Washington hatte Biden zum Auftakt seines Besuchs in Nordirland gegen Vorwürfe protestantischer Politiker verteidigt, wegen der Betonung seiner katholisch-irischen Wurzeln Vorbehalte gegen Großbritannien zu haben. „Ich denke, die Bilanz des Präsidenten zeigt, dass er nicht antibritisch ist“, so Amanda Sloat, Europaexpertin beim Nationalen Sicherheitsrat der US-Regierung, am Mittwoch.